Hat das Ende der Landesmedienanstalten bereits begonnen?
Nicht erst nach dem RBB-Skandal um Patricia Schlesinger ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk (ÖRR) in der Kritik. Schon vorher gab es Anlass dazu, die Einhaltung des Gründungszwecks sowie die Struktur und das Finanzierungskonzept des ÖRR infrage zu stellen. Aus diesem Grund fordern viele die Abschaffung des ÖRR und das damit zusammenhängende Finanzierungskonzept, nämlich die verpflichtende Zahlung von Rundfunkgebühren. Aktuell beschäftigen sich auch andere Länder mit der Frage der Abschaffung der Rundfunkgebühren.
Rundfunkstaatsvertrag und Struktur des ÖRR
Der ÖRR wurde in den Nachkriegsjahren nach Vorbild der englischen BBC gegründet. Die Rundfunkanstalten sollten in Deutschland unabhängig vom Staat sein, so die damalige Idee der West-Alliierten. Heute spiegelt sich der ÖRR in der föderalen Struktur wider. So gibt es den HR, BR, MDR, NDR, Radio Bremen, RBB, SR, SWR, WDR. Alle neun Landesrundfunkanstalten zusammen bilden die 1950 gegründete ARD (die Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland), auch DeutschlandRadio und ZDF (1963) sind Teile des ÖRR.
Der Rundfunkstaatsvertrag war im Recht der Bundesrepublik Deutschland ein Staatsvertrag zwischen den 16 deutschen Bundesländern, der bundeseinheitliche Regelungen für das Rundfunkrecht schuf. Seit dem 7. November 2020 wurde er durch den Medienstaatsvertrag abgelöst, der nun die Pflichten und Rechte der Rundfunk- und Telemedienanbieter in Deutschland regelt.
Der Auftrag des ÖRR ist die Grundversorgung der gesamten Bevölkerung mit Informationen, wobei die Bildung, Beratung und Unterhaltung im Vordergrund stehen. „… Öffentlich-rechtlicher Rundfunk und privater Rundfunk sind der freien individuellen und öffentlichen Meinungsbildung sowie der Meinungsvielfalt verpflichtet …“, heißt es im Medienstaatsvertrag.
Die Steuerungsorgane des öffentlich-rechtlichen Rundfunks setzen sich aus dem Rundfunkrat, dem Intendanten und dem Verwaltungsrat zusammen. Die Aufgabe des Rundfunkrates, dessen Zusammensetzung im Medienstaatsvertrag festgeschrieben ist und einen Querschnitt der Bevölkerung abbilden soll, besteht in der Überwachung der vom Intendanten geplanten Programmgestaltung sowie in der Wahl oder ggf. Entlassung des Intendanten. Der Verwaltungsrat kontrolliert die wirtschaftliche Geschäftsführung des Intendanten.
Für die Ermittlung der Rundfunk- bzw. Mediengebühren ist die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs (KEF) zuständig. Diese empfiehlt der Ministerpräsidentenkonferenz die Beibehaltung oder Steigerung des Rundfunkbeitrags auf Basis der Einnahmen und Ausgaben der Anstalten. Ein Problem dabei sehen viele, dass die Mitglieder der KEF von den Ministerpräsidenten selbst berufen werden.
Kritik am ÖRR
Die Arbeit einzelner Landesmedienanstalten ist in den vergangenen Jahren häufig Gegenstand heftiger Kritik und Diskussionen gewesen. Von Lobbyarbeit, Staatsnähe, Misswirtschaft reichen die Vorwürfe. Und nicht selten spricht man nach dem RBB-Vorfall Patricia Schlesinger von einem „Selbstbedienungsladen“.
Das Magazin FOCUS zitiert am 24.09.22 den Obersten Rechnungshof, in dessen Bericht die Kritik an dem Bayrischen Rundfunk deutlich wird: „Bei mehr als jedem zweiten Euro war nicht nachvollziehbar, wofür er verausgabt wurde.“ Weiterhin schreibt der Focus: „Bayerns höchste Finanzprüfer rügten zudem, dass die ARD-Anstalt beim Einsatz externer Berater vielfach gegen eigene Regeln zur Vergabe von Aufträgen verstoße.
Auch Kritik an dem Bezahlmodell ist häufig Gegenstand der Debatte. Zahlen müssen auch die, die das Angebot der öffentlich-rechtlichen Sender nicht nutzen. Manche müssen sogar doppelt und dreifach zahlen, wie z.B. Einzelunternehmer, weil sie neben einer Privatwohnung auch ein Büro und einen Firmenwagen fahren.
Trotz der hohen Einnahmen verdienen die ÖRR zusätzlich an Werbeeinnahmen, was nicht der Grundidee des Finanzierungsmodells entsprach.
Mediengebühren werden auch erhoben, wenn es in einem Haushalt keinen Fernseher gibt. Allein die Möglichkeit, den ÖRR zu empfangen verpflichtet bereits zur Zahlung der Beiträge. Heute wird angenommen, dass man keinen Fernseher oder kein Radio mehr brauche, sondern dass das Angebot des ÖRR auch über Tablets, PCs und Handys zu erreichen ist.
Ein beliebter Vorschlag der Kritiker ist die Einführung eines Abo-Modells, wie ihn Streamingdienste anbieten. Die öffentlich-rechtlichen Sender halten dagegen, weil die Streamingdienste keinen so großen redaktionellen Apparat unterhalten müssen und die Abo-Kosten dann ein Vielfaches des derzeitigen Medienbeitrags betragen würden. Ebenso sei ohne die Beiträge die geforderte Programmvielfalt nicht realisierbar, so die Sender-Verantwortlichen.
Auch die Tatsache, dass sowohl in den Aufsichtsgremien der Anstalten aktive oder ehemalige Politiker sitzen, die die Gremien sogar beraten, wird kritisiert und widerspricht dem eigentlichen Grundgedanken der Staatsferne.
„Man kann die Leute nicht zwingen, dafür zu bezahlen und gleichzeitig Strukturen haben, die sich jeder Kontrolle entziehen“, kritisiert WELT-Herausgeber Stefan Aust den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Man sollte ihn „reduzieren auf das, wofür er mal da war“, so Aust.
Den ÖRR gibt es auch nur in den Bereichen Fernsehen und Radio bzw. der digitalen Medien. Tageszeitungen, Magazine und Zeitschriften gehören nicht zum ÖRR, obwohl sie wesentliche Informationsquellen der Bevölkerung sind. Warum es nicht auch „staatsferne“ Redaktionen im Print-Bereich gibt – zumal auch diese immer präsenter in der digitalen Welt werden –, bleibt unbeantwortet.
Die von Gebührenzahlern finanzierten Angebote stehen ebenfalls in der Kritik. Vor allem, wenn sowohl die ARD als auch das ZDF über dasselbe Ereignis berichten, wie jüngst über die Bestattung der Queen, wird deutlich, wie unnötig doppelte Strukturen und Ausgaben sind. Auch FDP-Chef und Bundesfinanzminister Christian Lindner sieht das kritisch: „Die doppelte Berichterstattung belege ‚anschaulich, dass es erhebliches Einsparpotenzial gibt‘, sagte Linder der Neuen Osnabrücker Zeitung“ (NOZ).“
Geldflüsse ohne Sinn und Spuren
Fast 8,5 Milliarden Euro stehen den ÖRR Dank der Medienbeiträge pro Jahr zur Verfügung. Wer aber glaubt, dass diejenigen, für die das alles gemacht wird, nämlich die Bürger, ein Mitspracherecht haben, der irrt.
Aus dem Rundfunkbeitrag werden auch die zwölf Landesmedienanstalten finanziert. Sie erhalten dafür 2,5 Prozent des Rundfunkbeitrags. 2019 belief sich dieser Anteil auf 152 Millionen Euro.
Ein Großteil der 8,5 Milliarden wird für die Produktion hauseigener Serien und Spielfilme ausgegeben, die von Tochtergesellschaften produziert werden. So heißt es im Medienstaatsvertrag dazu: „… Dieser Staatsvertrag dient, neben weiteren Regelungen und Förderungsvorhaben in Deutschland, der nachhaltigen Unterstützung neuer europäischer Film- und Fernsehproduktionen …“
Neben den Produktionen sind allerdings auch die Pensionszahlungen an ehemalige Mitarbeiter sowie die Gehaltsstruktur der Intendanten nicht unwesentliche Posten der Gesamtfinanzierung.
Laut eines Berichtes der tagesschau am 27.09.2022 erhält der NDR-Intendant Joachim Knuth zu seinem 346.000 Euro Jahresgehalt zusätzlich 23.400 Euro im Jahr. Ähnliche Gehälter beziehen die Intendanten der anderen Landesmedienanstalten.
FDP-Chef und Finanzminister Christian Lindner sprach sich gegenüber der BILD kürzlich für schmalere Gehälter der ÖRR-Chefs aus. „Kein Intendant sollte mehr verdienen als der Bundeskanzler“, wird Lindner von der BILD zitiert.
Der Journalist und Fernsehproduzent Friedrich Küppersbusch ist der Meinung, dass das System ÖRR „an seine Grenzen gestoßen“ sei. Ebenso fordert er neue Kontrollmechanismen für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, und auch die Rolle der Intendanten gehöre auf den Prüfstand.
Warum der ÖRR erhalten bleiben – aber geändert – werden muss
Über das, was für die Beibehaltung der Mediengebühren spricht, hat sich der POTSDAMER mit dem Filmemacher Jimmy Gerum ausgetauscht, der Mitbegründer der Bürgerinitiative Leuchtturm ARD ist. Gerum verteidigt die Idee des ÖRR, sieht allerdings auch erheblichen Handlungsbedarf.
Aufgrund vieler Unregelmäßigkeiten fordern viele die Abschaffung der Rundfunkgebühren. Sie halten dagegen und sprechen sich für die Erhaltung der Gebühren aus. Wieso?
Wir müssen die Rolle der Medien und insbesondere die Leitmedien im Kontext der internationalen Interessen und der internationalen Einflussnahme sehen. Wir brauchen Analysten, die uns eine Zukunftsperspektive eröffnen, statt emotionale und unsachliche Debatten über Ausschweifungen und Korruption.
Die Fehlentwicklungen beim ÖRR sind vielfältig, am wichtigsten ist jedoch die politische Einflussnahme auf die Redaktionen, denn diese hat zu einer desinformierten Bürgerschaft geführt.
Meine Zukunftsvision ist ein von JEDEM Einfluss befreiter ÖRR, der uns zu politisch mündigen Bürgern machen kann und den wir selbst bezahlen müssen, um diese fremde Einflussnahme konsequent zu unterbinden. Nur so können wir im aktuellen Informationskrieg bestehen.
Sie sprechen von einem Informationskrieg. Was meinen Sie damit, und welchen Stellenwert hat der ÖRR in diesem „Krieg“?
Desinformation und Manipulation der öffentlichen Meinung ist das wichtigste Werkzeug jeder Herrschaftselite. Diese Herrschaftselite ist seit vielen Jahren mein Forschungsgebiet. Es geht um internationale geopolitische Interessen, die nur mit einer manipulierten Bevölkerung durchgesetzt werden können, da sie den gemeinschaftlichen Interessen diametral entgegenstehen.
Deshalb ist auch der ÖRR von diesen Interessen vereinnahmt worden, paradoxerweis, OBWOHL wir ihn selbst bezahlen. Aktuell bezahlen wir also unsere eigene Manipulation und Desinformation. Das muss aufhören.
Inwiefern wird Ihrer Meinung nach der ÖRR seiner eigentlichen Rolle laut Medienstaatsvertrag nicht gerecht?
Ausgewogenheit, offener Diskurs und absolute Staatsferne, also die bloße Einhaltung der bestehenden Regeln laut Medienstaatsvertrag, würden uns in eine völlig neue Medienwelt führen. Denn die Deutungshoheit des ÖRR ist immer noch so stark, dass auch die privaten und die Printmedien, eine Befreiung des ÖRR von der Einflussnahme thematisieren müssten.
Sie plädieren für einen fairen, ehrlichen und transparenten Journalismus. Sehen Sie diesen in Gefahr?
Dieser transparente Journalismus hat NOCH NIE exisitiert. Bereits 1880 wurden Journalisten als intellektuelle Prostituierte des Kapitals bezeichnet, daran hat sich nie etwas geändert. Wir müssen endlich unsere Heuchelei beenden und aufhören, uns selbst zu belügen.
Basisdemokratie braucht unabhängige und neutrale Medien. Ist der ÖRR aus Ihrer Perspektive nicht unabhängig und neutral?
Das Gegenteil ist der Fall und dieses jahrzehntealte Drama haben wir bei LeuchtturmARD.de dokumentiert. Basisdemokratie und Schwarmintelligenz ist nicht möglich mit einer desinformierten Bevölkerung. Hannah Arendt sagte, was nützt uns die Meinungsfreiheit, wenn uns die nötigen Informationen fehlen.
Warum brauchen wir trotzdem den ÖRR und die damit verbundenen Gebühren?
Wir brauchen einen ÖRR, der außerhalb des bestehenden Informationskrieges steht, das geht nur mit finanzieller und machtpolitischer Unabhängigkeit durch eine Beitragspflicht. Ich schlage vor, wir schaffen die erste demokratische Institution, die ihren Namen verdient, und beenden unsere jahrzehntelange Verlogenheit. Oder die Machthaber bekennen öffentlich, dass sie die Demokratie und die Pressefreiheit ablehnen und die Bevölkerung lieber unterwerfen und in geistige Ketten legen. Die Hauptsache ist, dass wir endlich ehrlich über unsere widerlichen Zustände reden.
Einige beschreiben Sie als „Querdenker“ und versuchen Sie in die Ecke der Schwurbler, Rechten, Corona-Leugner und Verschwörungstheoretiker zu stecken. Andere bezeichnen Sie als „Freiheitskämpfer“. Wie würden Sie sich und ihre Initiative Leuchtturm ARD beschreiben?
Leuchtturm ARD kann gar nicht diffamiert werden, weil wir keine politischen Inhalte vertreten. Wir stehen ganz neutral für offenen Diskurs, Pressefreiheit, Pressekodex und können belegen, dass seit Jahrzehnten mediale Manipulationen und Lückenpresse stattfinden. Jeder der anderes behauptet ist verlogen oder hat sich nie richtig mit unserer Bürgerinitiative beschäftigt.
Das Gespräch führte Steve Schulz