3. Teil der Krampnitz-Serie

Die Kaserne Krampnitz liegt auf dem Gemeindegebiet der ehemaligen Gemeinden Krampnitz und Fahrland, wobei das südliche Randgebiet früher überwiegend zur Gemeinde Neu Fahrland gehörte. Die drei Gemeinden sind seit dem Bau der Kaserne von zahlreichen Gebietsreformen betroffen gewesen, wodurch die lückenlose chronologische Archivierung als auch deren Recherche und Aufarbeitung erschwert wurden. Dennoch versuchen wir mit dieser Serie und mithilfe der uns von der ProPotsdam zur Verfügung gestellten Informationen und Unterlagen die Entwicklung der Kaserne Krampnitz in den Jahren ab 1939 zusammenzufassen.

Rednerpult 1991 und heute

Foto: sk

Die Entwicklung ab 1939

Bis zum 31. März 1939 waren Krampnitz und Fahrland selbstständige Gemeinden, bis sie am 01. April 1939 nach Potsdam eingemeindet wurden. Der Krieg und die fortschreitende Motorisierung machten Krampnitz bald zum halben Anachronismus:
1941 erfolgte die Umbenennung in „Schule für schnelle Truppen“, 1943 in „Panzertruppenschule II Krampnitz“. Als man drei Jahre später anfing, die motorisierten Einheiten nach Bromberg in Westpreußen zu verlegen, blieb im April 1945 nur noch eine kleine Mannschaft zurück, die sich in den letzten Kriegswochen mit ca. 150 eigenen wertvollen Pferden und 300 aus Ostpreußen evakuierten Trakehnern nach Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein in amerikanische und britische Gefangenschaft begab. Am 27. April 1945 besetzten sowjetische Truppen kampflos die unzerstörte erst sechs Jahre alte Anlage. Bombentreffer hatte es nicht gegeben, was unter anderem daran lag, dass am Fahrländer See eine erfolgreiche Bomber-Täuschungs-Anlage installiert worden war.
Von 1945 bis 1983 war in Krampnitz die 10. Garde Ural Panzerdivision der Gruppe der Sowjetischen Streitkräfte in Deutschland (GSSD) stationiert. Als diese später nach Altengrabow bei Magdeburg verlegt wurde, zogen vier neue Einheiten in die Anlage ein: der Stab einer in Döberitz stationierten Division, ein Flugabwehrregiment sowie zwei Lehr-Regimenter (Panzer und Mot.-Schützen). Ab 1983 wurde Krampnitz wieder Ausbildungskaserne, in der Soldaten für alle sowjetischen Heereseinheiten in der DDR ausgebildet wurden. Seit 1989 wurde für alle sowjetischen Truppen in der DDR die Abkürzung WGT benutzt (Westgruppe der Truppen) , die sich in vielen Dokumenten wiederfindet.

Exerzierübungen auf dem Exerzierplatz

Wohnen in Krampnitz

Die Wohnhäuser wurden 1945 weiterhin von den bisher darin wohnenden Familien genutzt, denen „lediglich“ der Arbeitgeber abhandengekommen war. Weil die neuen Machthaber viele Handwerker benötigten, wurden die in den Wohnhäusern wohnenden als Fachkräfte zunächst weiter beschäftigt. Doch schon in den Jahren 1945/46 wurden als erstes die Mehrfamilienhäuser geräumt, 1952 dann auch die Doppelhäuser. Nach der Räumung wurde die Wohnsiedlung mit einer Mauer umgeben und in das bewachte Kasernengelände einbezogen, wobei die Wohnsiedlung selbst von den sowjetischen Truppen erst später in Anspruch genommen wurde.
Zuvor waren bereits einige Straßennamen der Siedlung umbenannt worden. In der Direktive Nr. 30 des Alliierten Kontrollrats vom 13.05.1946 waren Straßenschilder verboten worden, die an die NSDAP erinnerten, Militarismus wach hielten, Kriegsereignisse verherrlichten oder auf die Bewahrung der deutschen militärischen Tradition nach 1914 abzielten. Deshalb wurde 1946 der Hindenburgplatz in Buchenwaldplatz umbenannt die Seydlitzstraße (Reitergeneral 1721 – 1773) in Ketziner Straße und die lmmelmannstraße (Kampfflieger im 1. Weltkrieg) in Nikolaus-Lenau-Straße. Außerdem werden die Namen Fahrländer Straße, Bergstraße, Hannoversche Straße, Märkische Straße und Nedlitzer Straße genannt. Wegen der Abgeschlossenheit der Siedlung gerieten die zuletzt genannten Straßen jedoch noch außer Gebrauch.
Die nicht für den 2. Bauabschnitt der Wohnsiedlung in Anspruch genommenen Flächen am West- und Südhang des Aasbergs wurden nach 1945 Volkseigentum. Damit geschah Folgendes:
Am Südrand der Wohnsiedlung im Bereich der Hannoverschen Straße sind in den 50er Jahren zwei Einfamilienhäuser gebaut worden, 2003 durch Ausbau und Ergänzung außerdem ein größeres Wohn- und Gewerbegebäude. Ein größeres Grundstück gelangte in den Besitz der Stadt Potsdam.
An der Gellertstraße, südöstlich des Torhauses der Kavallerieschule, ist in den 1950er Jahren eine kleine Wohnsiedlung entstanden, die aus einem Bauernhof und vier Wohngrundstücken besteht. Ein weiteres Einfamilienhaus kam 2003 hinzu. Die Gellert-Siedlung hat eine Große von 1,8 ha.
Zwischen der Wohnsiedlung der Kaserne und der Gellert-Siedlung befindet sich eine ca. 1 ha große Zwischenzone, die überwiegend gärtnerisch genutzt wird und sich heute noch in Privatbesitz befindet.
Insgesamt ca. 12 ha am Südhang wurden in den 1950er Jahren als Bodenreformland an mehrere Familien zur landwirtschaftlichen Nutzung vergeben. Diese Flächen werden zum größten Teil auch heute noch landwirtschaftlich genutzt, sind aber in erheblichem Umfang verpachtet. Einzelne Grundstücke werden von Gartencentern als Lagerflächen genutzt oder sind ungenutzt.

Major Nikolaj Kurzew, stellvertretender Kommandeur der Garnison

Bauliche Maßnahmen nach 1945

Das Kasernengelände ist während der sowjetischen Zeit intensiver genutzt worden als zuvor und wurde baulich verdichtet. Umbaumaßnahmen an den vorhandenen Gebäuden erfolgten dabei nur in geringem Umfang und waren rein nutzungsbedingt. So wurden bereits im August 1946 drei Großküchen eingebaut und dafür von den deutschen Behörden 100 Bauhandwerker sowie benötigtes Arbeitsmaterial zur Verfügung gestellt.
Im Bereich der Mannschaftsgebäude wurde 1967 ein großes Wohnhaus mit 48 Wohneinheiten errichtet, 1980 kam eine Sporthalle hinzu. Die Wohnsiedlung erhielt 1975 im Inneren ein Einkaufszentrum und am Rand ein Heizwerk für die Fernwärmeversorgung der Siedlung. Parallel wurden in den 1970er Jahren im Norden und Westen drei Wohnheime sowie vier große 5-geschossige Wohnhäuser in Plattenbauweise errichtet. Zwei weitere große Plattenbauten kamen 1987 und 1989 hinzu.
Die Wohnungszahl von ca. 164 in den Altbauten wurde um 347 Wohneinheiten erhöht, der Bestand also verdreifacht und der ursprüngliche Gartenstadt-Charakter der Siedlung damit völlig überformt.

Neue Technik auf altem Areal

Die bereits 1939 erfolgte West­erweiterung des Areals wurde baulich immer mehr ausgenutzt. Im Inneren der Anlage wurden über die gesamte Nutzungsdauer zahlreiche neue Bauten und Anlagen errichtet, die aus den Bedürfnissen moderner technischer Ausrüstung herrührten.
Im Wesentlichen entstanden
folgende Anlagen:
bis 1959: mehrere Treibstofflager und Kontrollgebäude
1960 – 69: vier Tank -, Wasch – und Reparatur-Anlagen im Norden, Westen und Zentrum
1970 – 79: eine weitere Tank-, Wasch- und Reparaturanlage im Südwesten sowie Erweiterungen der vorhandenen Anlagen, acht Depots (davon vier sehr große) und drei Lehrgebäude
1980 – 89: eine weitere Tank-, Wasch- und Reparaturanlage im Zentrum sowie Erweiterungen einiger vorhandener Anlagen, Bau eines weiteren Heizhauses und Einrichtung einer Zentralwäscherei
Das gesamte Gelände ist von zahlreichen Mauern durchzogen, die vermutlich die innere Durchlässigkeit der Anlage erschweren und wirksame Zugangskontrollen für einzelne Bereiche ermöglichen sollten.>
> Die 1970er und 1980er Jahre sind die Phasen des stärksten Ausbaus im Bereich der technischen Anlagen und der Wohnsiedlung. Nach einer Auflistung aus dem Zeitpunkt der Übergabe 1991 stammen aus der Vorkriegszeit insgesamt 127 Baulichkeiten, zu denen später noch 101 hinzugefügt wurden.

So sah es im Schlafsaal der Soldaten aus. Alle historischen Fotos: Wolfgang Schwarze, Museum Berlin-Karlshorst, Februar 1991

Große Belastung für die Umwelt

Am Krampnitzsee wurden zwei WGT-Flächen für den Wassersport genutzt: An der Nordspitze gab es eine Bootsanlage für den Rudersport, an der Ostseite einen Badestrand. Beide Gelände sind heute im Eigentum der Stadt Potsdam.
Besondere Bedeutung für die Kaserne hat die Einrichtung der Wäscherei, für die 1987 ein ehemaliger „Absonderungsstall“ aus dem Jahr 1938 an der Nordgrenze umgebaut wurde. Das gleichzeitig daneben errichtete neue Heizhaus stand offensichtlich im Zusammenhang damit. Im September 1987 war die Wäscherei noch nicht fertig gestellt, wie aus einem Briefwechsel zwischen dem sowjetischen Oberkommando und deutschen Partei- und Verwaltungsdienststellen hervorgeht. Die Anlage wurde vom VEB Spezialbau Potsdam errichtet, während die WGT Vor- und Nebenleistungen erbringen wollte. Weil die Koordination jedoch nicht wie geplant geklappt hat, kam es zu beträchtlichen Zeitverzögerungen. Innerhalb des Wäscherei-Gebäudes wurde auch eine chemische Reinigungsmaschine vom Typ Spezima installiert, die mit dem umweltschädigenden und stark wassergefährdenden Reinigungsmittel Trichlorethen – einem damals üblichen hochwirksamen Entfettungsmittel – arbeitete. Höchstwahrscheinlich aufgrund einer Havarie oder eines Befüllschadens sind östlich des Gebäudes etwa 500 kg Trichlorethen in den Boden versickert, was heute den größten Umweltschaden des Geländes darstellt. Nach den Quellen über die Baugeschichte muss dieser Unfall in dem Zeitraum zwischen Ende 1987 und Ende 1991 geschehen sein.
Im Zusammenhang mit dem Bau der Wäscherei hatte die Staatliche Gewässeraufsicht eine Erweiterung der Kläranlage verlangt. Zuvor hatte es wohl schon jahrelange Klagen über Gewässerverschmutzung durch die Kaserne gegeben. Anwohner berichten von meterhohen Schaumgebirgen auf dem Großen Graben und dem Krampnitzsee und von nicht genießbaren Fischen, die im See geangelt wurden. Mehrfach war es zu Brüchen der Abwasserleitung gekommen, wodurch sich erhebliche Abwassermengen ungereinigt in den Krampnitzsee ergossen haben. Gleichzeitig fand ein ständiger Ausbau der Kaserne mit dichterer Belegung statt, was zwangsläufig die Abwassermengen erhöhen musste. Deshalb hatte die Staatliche Gewässeraufsicht in einer „Bilanzentscheidung vom 05.10.1981“ verfügt, dass die Kläranlage Potsdam-Nord erweitert und die Kaserne bis Ende 1985 an diese angeschlossen werden sollte. Dieses konnte jedoch wohl nicht umgesetzt werden, so dass 1987 nur die Erweiterung der Kläranlage um zwei Klärbecken vereinbart wurde. Nach der Wende 1989 wurden von den sowjetischen Soldaten in Nachbarschaft der Kläranlage zusätzliche sieben Absetzbecken auf dem Gelände einer früheren Müllkippe gebaut. Nach deren Fertigstellung 1990 kam es erneut zu einem großen Schaden, weil ein Damm unsachgemäß errichtet worden war und sich nach seinem Bruch große Abwassermengen in den Krampnitzsee ergossen.

Verladung der russischen Panzer im Bahnhof Satzkorn, 1994.Fotos: Joachim Liebe

Das Große Luch

Die Übergangszone zwischen der Kaserne und dem Truppenübungsplatz Döberitzer Heide bildet das Große Luch, das durch den Großen Graben in den Krampnitzsee entwässert wird. Dieses war noch in den 1940er Jahren ein unbewaldetes Feuchtwiesen-Gebiet. Bereits im 19. Jahrhundert hatte hier vereinzelt Torfabbau stattgefunden. Dieser wurde nach 1945 wieder aufgenommen und 1951 wieder eingestellt. Von 1963 bis 1981 hat die Gärtnerische Produktionsgenossenschaft „Neuer Obstbau“ erneut in größerem Stil Torfabbau zur Humusversorgung der Obst-Anlagen betrieben. In dieser Zeit sind größere Flächen im Norden und Nordosten der Kaserne ausgekoffert worden, die sich heute als größere Teichgewässer darstellen und unter Naturschutz stehen. Seit 1981 ist das Luch nicht mehr bewirtschaftet worden, so dass es inzwischen weitgehend natürlich bewaldet ist. Ausgekofferte Bereiche und andere Flächen wurden als Entsorgungsfläche für Abfälle aller sowjetischen Kasernen im Raum Potsdam genutzt und dort mehrere Deponien angelegt, die im Gelände teilweise noch erkennbar sind.
1989 waren auf dem Gelände ca. 6.000 Soldaten stationiert, außerdem wohnten dort 1.500 Familienmitglieder und Zivilangestellte. Die Anlage war also fast doppelt so dicht belegt wie 1937 geplant. Dennoch waren die Mannschaftsräume wesentlich weniger dicht belegt als in der UdSSR. Waren dort 100 bis 150 Soldaten in einem Schlafsaal untergebracht, waren es in Krampnitz nur 25 bis 40.
Insgesamt hatte Krampnitz also praktisch die Größe einer mittleren Kleinstadt. Als Infrastruktur gab es ein Warenhaus, ein Obst – und Gemüsegeschäft, einen DELIKAT-Laden mit Westprodukten, einen Kindergarten, eine Mittelschule, zwei Kinos, vier Sportplätze, ein Sportstadion und ein Badehaus. Die Anlage war nicht so abgeschottet wie häufig vermutet. Die Anwohner der Nachbarschaft konnten dort einkaufen, es gab zahlreiche deutsche Zivil-Beschäftigte und Aufträge für Potsdamer Firmen, und Potsdamer Schulklassen wurden regelmäßig ins Kasino zu Veranstaltungen der deutsch-sowjetischen Freundschaft eingeladen.

Entwicklung ab 1989

Die ersten Truppenteile verließen die Kaserne im Zug der Perestroika-Politik bereits frühzeitig. 1989 wurde das Panzer-Lehrregiment, 1990 das Mot.-Schützen-Lehrregiment in die Heimat zurückverlegt. Damit war die Kaserne bereits zur Hälfte entleert, als am 12.10.1990 der Vertrag zwischen Deutschland und der UdSSR über den Abzug der Sowjetischen Truppen bis 1994 geschlossen wurde. Die Gesamt-Aufgabe der Kaserne durch die WGT erfolgte Ende 1991. Das militärische Gerät wurde in die UdSSR geschafft und nicht mehr benötigtes Material in großen Mengen auf dem Gelände gestapelt. Nachdem der letzte Mann das Gelände verlassen hatte, erfolgte die Übergabe an das Bundesvermögensamt Potsdam am 13.11.1991.
Bei der Übergabe der Liegenschaften sind auch die dazugehörigen Akten an die BBG übergeben worden, darunter die umfangreichen Übergabeakten aus dem Jahr 1991. Diese sind heute bei der BBG aus unbekannten Gründen nicht mehr vollständig vorhanden. Insbesondere fehlt der 1991 übergebene Plan des gesamten Leitungssystems (Be- und Entwässerung, Elektroleitungen) der Liegenschaft, dessen Kenntnis für die Erschließung und Beräumung des Geländes von erheblicher Bedeutung wäre.
Deshalb kann heute nur auf die unvollständigen Unterlagen aus dem Jahr 1937 zurückgegriffen werden, die auch nur die Entwässerung darstellen, nicht jedoch die anderen Leitungssysteme.
Bis etwa 1995 sind die umfangreichen oberflächlichen Schrottablagerungen sukzessive beseitigt und die Inhalte der zahlreichen Tanks entleert worden, und auch die in diesem Zusammenhang entdeckte Munition ist beseitigt worden.

ProPotsdam/Red.

Vor dem Eingang zur Kaserne, 1991.
Foto: Wolfgang Schwarze, Museum Berlin-Karlshorst

fotoBuchtipp

Vergessene Sieger
Joachim Liebe

Zwischen 1991 und 1994 zog die damalige russische Besatzungsmacht mehr als 500.000 Menschen samt Material aus dem Gebiet der früheren DDR ab. Am 25. Juni 1994 wurden sie mit einer Militärparade in Berlin offiziell verabschiedet. Joachim Liebe hat den Abzug mit seiner Kamera festgehalten.

ISBN 978-3-95462-489-8
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