Warum es zwei alte Polithasen nicht lassen können, sich für die Stadt zu engagieren

Einst waren die beiden Herren die Gesichter der Potsdamer CDU. Der Historiker Dr. Wieland Niekisch, Mitbegründer der CDU in Potsdam 1995, und der Jurist Götz Friederich, der von Hamburg nach Potsdam zog und 1996 in die CDU Potsdam wechselte. Beide sind seit mehr als 15 Jahren in der Stadtpolitik als Stadtverordnete aktiv, beide waren auch die CDU-Kandidaten für die Wahl des Oberbürgermeisters, Niekisch 1998 und 2002 sowie Friederich 2018. Und beide haben noch mehr gemeinsam. Beide sind nicht mehr Mitglieder der Potsdamer CDU. Friederich trat im September 2021 aus, Niekisch im Februar 2023.

Bei einem so langen, gemeinsam gegangenen politischen Weg überrascht es nicht, dass es sich die beiden Vollblut-Kommunalpolitiker nicht nehmen lassen, sich auch weiterhin für die Interessen der Stadt und vor allem ihrer Bürger einzusetzen. Trotz ihres Austritts aus der CDU Potsdam behielten beide ihr Mandat als Stadtverordnete und gründeten zusammen im März 2023 die Fraktion „Mitten in Potsdam“ und wollen sich auch im kommenden Sommer erneut zur Wahl stellen, wenn die Potsdamer wieder ihr Stadtparlament wählen.
Der POTSDAMER sprach mit beiden, um zu erfahren, wie sie die Position der Rathaus-Kooperation, bestehend aus SPD, DIE LINKE und Bündnis 90/Die Grünen sowie die Arbeit der Verwaltung bewerten und was sie in Potsdam anders machen würden.

Warum möchten Sie sich auch im kommenden Jahr wieder als Stadtverordnete zur Wahl stellen? Was möchten Sie auf politischer Ebene für die Stadt erreichen?

Friederich: Wir wollen einfach nur eine gute Stadtpolitik machen, und die für das gesamte Stadtgebiet.

Niekisch: Unser Ziel ist es auch, dass bürgerlich liberale und konservative Kräfte, die ein anderes Bild von Potsdam haben, als Rot-Rot-Grün, nach der Wahl im Juni 2024 in der Stadtverordnetenversammlung mehr Gewicht bekommen. Dafür werden wir in den nächsten Monaten kämpfen.

Als Vorsitzender des Potsdamer Wirtschaftsrates, als Präsident des Marketingclub Potsdam und als Vorstandsvorsitzender der Interessensvereinigung AG Innenstadt kennt der Jurist Götz Friederich vor allem die wirtschaftlichen Herausforderungen der Landeshauptstadt, aber nicht nur.

Als Vorsitzender des Potsdamer Wirtschaftsrates, als Präsident des Marketingclub Potsdam und als Vorstandsvorsitzender der Interessensvereinigung AG Innenstadt kennt der Jurist Götz Friederich vor allem die wirtschaftlichen Herausforderungen der Landeshauptstadt, aber nicht nur.

Was heißt das konkret? Haben Sie ein politisches Programm?

Friederich: Die Ansätze sind vielfältig: Wir sollten dringend mehr Gewerbeflächen entwickeln, um unterschiedlichsten Branchen und Betrieben die Möglichkeit der Gründung und der Ansiedlung zu geben.
Zu einer guten Stadtteilpolitik gehört auch eine dem Wachstum gerecht werdende Verkehrspolitik sowie eine verlässliche Schulentwicklungsplanung. Ebenso ist es wichtig, dass wir das Stadtmarketing nicht vernachlässigen und eine gemeinsame Idee der Stadt Potsdam entwickeln.

Niekisch: Dabei dürfen wir den Wohnungsbau und seine Konsequenzen nicht vergessen. Sicherlich soll Krampnitz ausgebaut werden, aber nicht auf Kosten der nördlichen Ortsteile, die sich nach Wahrnehmung vieler Bürger zu unattraktiven Transitgebieten zurückentwickeln könnten.
Wichtig ist auch der Ausbau an wettkampftauglichen Sportstätten. Da müssen endlich mit Nachdruck mehr Flächen geprüft werden, um sie schnellstmöglich umbauen und nutzen zu können. Im Zentrum, im Süden und im Norden gibt es Flächen, die für solche Sportflächen taugen.

Wie möchten Sie dem wachsenden Verkehrschaos in Potsdams Zentrum begegnen?

Niekisch: Die Stadt verstopft zusehends, weil es keine Umgehungsstraße um Potsdam gibt, die diejenigen nutzen können, die nicht in Potsdam arbeiten, sondern bisher nur durch Potsdam fahren. Auch die Zusammenarbeit mit den umliegenden Gemeinden in der Verkehrsplanung ist wichtig, um den wachsenden Verkehr optimal leiten zu können. Die Potsdamer Stadtpolitik hat seit über 30 Jahren dieses verkehrspolitische und ökologische Kernproblem ideologisch zerredet, statt den Menschen und den örtlichen Gegebenheiten entsprechende Lösungen zu verfolgen. Wir sind die einzige Hauptstadt Deutschlands, durch die drei Bundesstraßen verlaufen und die keine Ortsumgehung hat. Das kann so nicht bleiben.

Friederich: Ich glaube, dass wir im Hinblick auf die Vielfalt der Verkehrsmittel einen strukturellen Verkehrswandel erleben, und gleichzeitig wächst die Stadt. Wer aber sagt, dass der Verkehr auf den Straßen weniger wird, ist ein Träumer und lügt den Bürgern ins Gesicht. Der Verkehr wird zunehmen.
Der Bundesverkehrswegeplan sieht noch eine Umfahrung Potsdams vor, befindet sich nur nicht im vordringlichen Bedarf. Und der Bund stellt so lange keine Mittel dafür ein, solange es keinen Antrag aus dem Land bzw. aus der Stadt dafür gibt. Möchte man den zunehmenden Verkehr in den Griff bekommen, braucht Potsdam endlich eine Umgehungsstraße.

Wenige kennen Potsdams Politik und Potsdams Geschichte so gut wie der Historiker und Kommunalpolitiker Dr. Wieland Niekisch. Er möchte, dass wieder mehr bürgerlich liberale und konservative Kräfte in der Stadtpolitik vertreten sind.

Wenige kennen Potsdams Politik und Potsdams Geschichte so gut wie der Historiker und Kommunalpolitiker Dr. Wieland Niekisch. Er möchte, dass wieder mehr bürgerlich liberale und konservative Kräfte in der Stadtpolitik vertreten sind.

Warum sind Sie mit dem Schulentwicklungsplan nicht zufrieden?

Friederich: Potsdam wächst und ist jung. Aus diesem Grund müssen wir deutlicher eine familien- und kinderfreundlichere Politik machen, als es bisher der Fall ist. Und wenn ich weiß, wie viele Kinder in die Kita gehen, weiß ich auch, wann diese in die Schule kommen.
Ich verstehe nicht, warum die Rathaus-Kooperation aus SPD, DIE LINKE und Bündnis 90/Die Grünen an ihrer ideologischem Gleichmacherpolitik festhalten. Sie haben beschlossen, nur noch Gesamtschulen bauen zu wollen. Und wo stehen wir jetzt? Wir können den vielen Kindern keinen Platz auf einem Gymnasium anbieten, weil die Rathaus-Kooperation beschlossen hatte, keine mehr zu bauen. Jetzt klagen viele Eltern und die Stadt ist gezwungen, Gymnasien zu bauen. Das kommt für viele Schülerinnen und Schüler aber zu spät. Statt auf den Willen der Bevölkerung zu hören, wird nur eine Politik der Ideologie vorangetrieben, die an den Interessen der Bevölkerung vorbeigeht.

Niekisch: Aus der Perspektive der Bildungsvielfalt sollten wir auch andere Schulformen und private Träger berücksichtigen. Zusätzlich gibt es einen Konflikt mit umliegenden Regionen. Potsdam Mittelmark ist ein selbstständiger Landkreis, der finanziell zum Teil besser dasteht als Potsdam. Die etwa 1.000 Schülerinnen und Schüler, die aus dem Landkreis täglich in die Landeshauptstadt einpendeln, nehmen den Potsdamern fühlbar die Plätze weg. Wir können weder strukturell noch planerisch die Schulentwicklung unseres „Kragenkreises“ auch noch schultern. Potsdam Mittelmark kann hier nicht weiter auf Kosten Potsdams leben und sich einen schlanken Fuß machen. Sicher muss man kooperieren. Aber für den praktischen Alltag der Inanspruchnahme von Schulplätzen in Potsdam gilt ausnahmsweise wirklich mal der Satz – auch für den Schulneubau – „They have to pay for it“.

Nach einer Umfrage fühlen sich die meisten Potsdamer in ihrer Stadt wohl bis sehr wohl. Ist das ein Zeichen dafür, dass sich Potsdam in die richtige Richtung entwickelt?

Friederich: Wir wissen gar nicht wohin mit unserem ganzen Glück. Wir haben Kultur, Sport, Historie, Wissenschaft, Tourismus, Film und vieles mehr. Diese Vielfalt ist es aber auch, die unter eine Leitidee gesteckt werden und die konsequent gelebt werden muss. Wir beobachten in der Stadtpolitik und in der Verwaltung eine Haltung der Reaktion, statt der Aktion. Statt mit Ideen und dem Blick über den Tellerrand die Zukunft der Stadt zu entwickeln, erleben wir in Potsdam seit Jahren nur eine Politik des Hinhaltens, des Taktierens und des Abwartens.
Wir müssen gemeinsam eine Leitidee für unsere Stadt entwickeln, ohne es allen immer rechtmachen zu wollen. Wir müssen uns auf das konzentrieren, was für Potsdam momentan vorrangig und zukunftsbestimmend ist. Nur dann werden auch die nachfolgenden Generationen in einer gesunden und wachsenden Landeshauptstadt leben.

Wir können hier nicht alle großen Themen ansprechen, die Potsdam zu bewältigen hat. Aber eines ist sicherlich für viele andere Bereiche mitverantwortlich und für die Lebensqualität aller Potsdamer mitbestimmend: die Digitalisierung der Verwaltung.
Trotz großer Versprechungen steckt Potsdams Verwaltung noch immer im technologischen Mittelalter fest. Haben wir keine intelligenten Köpfe, die sich diesem zukunftsweisenden Thema annehmen können?

Friederich: Ich möchte nicht wissen, wie viele einzelne und nicht verknüpfte Softwaresysteme in der Potsdamer Verwaltung existieren. Wir müssen den Digitalisierungsprozess endlich effizient und sinnvoll angehen und nicht versuchen, Insellösungen zu schaffen, die nicht in eine Gesamtidee eingebunden sind.
Das Problem dabei ist, dass die Entwicklung der Technologien viel schneller ist, als die Umsetzungsstrategie der Verwaltung. Auch wenn es ein Kompetenzteam in der Verwaltung gibt, welches sich der Digitalisierungsfrage z.B. im Zusammenhang mit dem „Smart City Projekt“ widmet, so hat es doch immer wieder den Eindruck, als ob hier die zuständige Verwaltungsleitung den „Fuß auf der Bremse“ hat. Deshalb befindet sich die Potsdamer Verwaltung aus Digitalisierungssicht wirklich immer noch im Mittelalter. Potsdam bremst sich in der Digitalisierung selbst aus. Das wollen wir ändern.
Nur durch eine andere Herangehensweise und Sicht können wir die Digitalisierung der Verwaltung erfolgreich angehen. Und erst, wenn wir unsere Stadt verstehen, können wir auch erfolgreich das begonnene Smart-City-Projekt vorantreiben. Dabei sollte man diese Aufgabe aber nicht federführend der Verwaltung, sondern dem städtischen Daseins- bzw. Energieversorger überlassen. Nicht nur, weil diese auf einen erheblichen und sensiblen Datenpool zurückgreifen und aus diesen Daten sinnvolle Informationen erheben und nachfolgend plausible Prozesse ableiten können. Auch die Frage nach dem Datenschutz ist hier weniger problematisch, weil die Daten bereits bestehen.

Niekisch: Bei aller notwendigen Technisierung und dem Ausbau der Online-Kommunikation muss der persönliche Kontakt zwischen der Stadtpolitik, den Stadtverordneten und den Bürgern immer auch gegeben sein und ausgebaut werden, sonst werden wir eine sterile Gesellschaft, die keiner will und wo keiner für andere gern Verantwortung übernimmt.

Wofür steht die Fraktion „Mitten in Potsdam“?

Niekisch: Wir haben es in der Rathaus-Kooperation mit einer ideologiegetränkten und realitätsfernen Verweigerungspolitik zu tun. Das möchten wir lebensnah ergänzen. Wir Politiker sind in erster Linie Volksvertreter, also müssen wir auch die Interessen der Bevölkerung wahrnehmen und versuchen diese umzusetzen. Wer aber nur im eigenen Interesse handelt, der sollte sich nicht Volksvertreter nennen. „Mitten in Potsdam“ ist unverkrampft liberal, gemütlich konservativ, mit sozialem Gewissen.

Friederich: Wenn man so lange wie wir in Potsdam lebt, arbeitet und politisch aktiv ist, ist man mit Potsdam verwurzelt und Realist. Wir haben sicherlich auch unsere Vorstellungen, wo Potsdam einmal stehen wird und wie Potsdam die derzeitigen Herausforderungen meistern kann. Aber vor allem stehen wir für eine transparente und glaubwürdige Politik, die keine Versprechen macht, die sie nicht halten kann. Wir stellen uns in den Dienst der Sache. Was wir politisch vertreten, muss auch sachlich und substanziell begründet sein. Wir stehen für eine bürgernahe Politik, weg von realitätsfernen Ideologien. Auf der einen Seite eine nachvollziehbare und glaubhafte Politik zu machen und auf der anderen Seite als Mensch selbst glaubwürdig zu sein.

sts

Wer mehr über die Fraktion „Mitten in Potsdam“ erfahren oder sich politisch engagieren möchte, kann sich an folgende E-Mail-Adresse wenden: mitteninpotsdam@rathaus.potsdam.de