Ein persönlichen Rückblick von Rüdiger Seyboth
Meine Vorstellungen und Erwartungen an den Beteiligungsrat
Ich hatte mich im Vorfeld der Bewerbung um eine Mitarbeit ausführlich über die Aufgaben und die Tätigkeitsschwerpunkte des Beteiligungsrates belesen und informiert. Man kann an vielen Stellen nachlesen, dass der Beteiligungsrat ein ehrenamtliches, beratendes Gremium nach § 13 der städtischen Hauptsatzung ist. Seine wichtigsten Aufgaben sollen sein:
• Hilfestellung und Unterstützung für die WerkStadt für Beteiligung und die Stadtverwaltung geben
• Handlungsempfehlungen erarbeiten, um die koordinierte und auf Dialog basierende Arbeit zu verbessern
• Ansprechpartner für Bürgerinnen und Bürger sowie die Stadtverordneten beim Thema Bürgerbeteiligung sein
Das sind sehr anspruchsvolle Aufgaben, die durchaus nicht nur politischen Charakter haben, sondern Möglichkeiten von sozialer Partizipation und bürgerschaftlichem Engagement erschließen. Ich hatte somit die Erwartung, dass ich mich in diesem Gremium zu konkreten Schwerpunkten und Problemen, die die Bürger und Bürgerinnen der Stadt bewegen, einbringen und möglicherweise auch zu Veränderungen ganz konkret beitragen kann. Sei es zum Beispiel zu den Themen Verkehr, Stadtentwicklung oder Umwelt. Die Realität sah dann doch ein wenig anders aus. Durch die Vertreter der WerkStadt wurde immer wieder beteuert, es sei Aufgabe des Beteiligungsrates, die Beteiligungskultur, was auch immer das sein mag, in der Stadt Potsdam zu begleiten.
Die Organisation der Bürgerbeteiligung
Das Thema Bürgerbeteiligung wird in Potsdam nach außen sehr gut vermarktet. Es wird hierfür sehr viel Geld in die Hand genommen, sei es für die professionelle Moderation der Sitzungen des Beteiligungsrates, für Öffentlichkeitsarbeit wie Internetpräsenz oder den Druck von Broschüren oder auch für die Durchführung von Fachtagungen zum Thema Bürgerbeteiligung. Von der Einrichtung der WerkStadt für Beteiligung ganz abgesehen. Das ist vom Grundsatz her auch sehr gut so und nicht beklagenswert.
Aber was bewirkt dieser enorme Aufwand am Ende konkret für die Bürger? Welche Veränderungen sind durch die Bürgerbeteiligung bisher erreicht worden? Dazu gibt es leider keine oder nur sehr wenige Ergebnispräsentationen. Durch die WerkStadt für Beteiligung wird regelmäßig ein sogenannter Prozessmonitor gepflegt und präsentiert. Es handelt sich hierbei um eine sporadische Auflistung von Themen, 2 die in der Öffentlichkeit mal irgendwie publik geworden sind. Dieser Prozessmonitor führt aber nicht dazu, dass die benannten Themen und Probleme ganz konkret in die jeweils fachlich zuständige Kommunalverwaltung als Arbeitsaufträge einfließen, um einer Lösung zugeführt zu werden. Sondern es geht immer nur darum, irgendeinen Prozess zu dokumentieren, der nicht ergebnisorientiert organisiert wird. Ich konnte damit leider immer nur wenig anfangen, es hat auch lange gedauert, zumindest eine Ergebnisspalte in diesen Prozessmonitor einzupflegen. Wobei auch wirklich konkrete Ergebnisse nur selten nachvollzogen werden können. Irgendwie verschwinden dann diese Themen mit dem Status läuft oder abgeschlossen wieder von der Oberfläche.
Die Sitzungen des Beteiligungsrates
Schaut man sich die Sitzungsprotokolle der nun zu Ende gehenden Legislatur an, fällt es sehr schwer, konkrete Arbeitsergebnisse nachzuvollziehen. Zu Beginn der Sitzungsperiode hat sich das Gremium nahezu bis zur Sommerpause mit administrativen Dingen beschäftigt. Waren es die regelmäßigen Check-In Befragungen der Teilnehmer/innen, die bereits immer einen erheblichen zeitlichen Anteil der Sitzungen einnehmen, oder die Aktualisierung der Geschäftsordnung oder die Präsentation des Prozessmonitors. Ich habe mich nach den Sitzungen immer gefragt, warum war ich heute auf dieser Sitzung und was hat sie gebracht? Zur Halbzeit der Legislatur wurde das Gremium aufgefordert, einen Jahresbericht zu erstellen. Ich hatte mich bereit erklärt, hierfür einen Entwurf zu verfassen. Was letztlich dann aus diesem Bericht geworden ist und wer ihn eventuell überhaupt zur Kenntnis genommen hat, konnte ich bisher leider nicht nachverfolgen.
Völlig unverständlich für mich ist hierbei noch immer die Rolle der WerkStadt für Beteiligung. In den Protokollen werden die teilnehmenden Vertreter der WerkStadt grundsätzlich als Gäste ausgewiesen. Warum Gäste?
Wenn die WerkStadt für Beteiligung als Schnittstelle zwischen Stadtverwaltung und Bürgerschaft wahrgenommen werden möchte, sollte sie nach meinem Verständnis auch für den Beteiligungsrat einen exponierten Stellenwert einnehmen. Die Aufgabe der WerkStadt kann sich doch nicht nur darauf beschränken, lediglich einen Sitzungsraum oder belegte Brötchen zu organisieren? Es würde doch die Neutralität des Gremiums nicht beeinflussen, wenn die WerkStadt wirkungsvoll als Dienstleister und/oder Vermittler des Beteiligungsrates zur Stadtverwaltung auftreten würde. Sollten durch den Beteiligungsrat mal Beschlüsse gefasst werden, was in der zurückliegenden Zeit nur selten der Fall war, wäre es nach meinem Verständnis die Aufgabe der WerkStadt, dann deren Kenntnisnahme oder Umsetzung in der Stadtverwaltung politisch oder organisatorisch einzufordern. Nur so könnte doch dann irgendwie ein Dialog oder Diskurs zwischen dem Bürgergremium und der Stadtverwaltung in Gang gesetzt werden. Es wird die Existenz des Gremiums vielleicht zur Kenntnis genom3 men, aber ich hatte bisher zu keinem Zeitpunkt auch nur ansatzweise den Eindruck, als beratendes Gremium nach § 13 der Hauptsatzung aktiv gewesen zu sein.
Aber der Beteiligungsrat muss sich auch selbst besser organisieren, oder organisiert werden. Seine Aufgaben, Arbeitsgrundlagen als auch Organisationsstrukturen sind in der Geschäftsordnung gut beschrieben. Weil das Gremium aus Bürgerinnen und Bürgern ausgelost wird, ohne Rücksicht auf Qualifikation und Befähigung (was ich auch gut finde!), muss das Gremium aber gleich zu beginn der Legislatur professionell „an die Hand genommen“ werden und entsprechend konstituiert und organisiert werden. Es macht keinen Sinn, so wie in der zurückliegenden Legislatur geschehen, diese grundsätzlichen und wichtigen Organisationsstrukturen einfach dem Selbstlauf zu überlassen. Denn wer von den Beteiligten hat den Mut und/oder das Selbstvertrauen und bewirbt sich z.B. um die Funktion des Sprechers? Eine derartige Erwartungshaltung ist realitätsfern und geht an der Praxis vorbei.
Die Wahl eines Sprechers bzw. einer Sprecherin erst im letzten Halbjahr der Legislatur hat dann spürbar eine Verbesserung der Arbeit des Gremiums bewirkt. Auch die nach meinem Verständnis sehr hohe Fluktuationsrate unter den Mitgliedern in der zurückliegenden Periode belegt die unbefriedigende Arbeit des Beteiligungsrates.
Ein Beteiligungsthema hat 2017 noch viele Sitzungen dominiert, obwohl das eines der ganz wenigen Beteiligungsthemen in Potsdam ist, welches in der Vergangenheit sehr gut auf den Weg gebracht wurde. Dies ist das Thema Bürgerhaushalt. Dieses Thema war zu Beginn der letzten Sitzungsperiode in 2017 bereits sehr ausgereift und erfolgreich. Obwohl es zu diesem Thema bereits unzählige Dokumentationen, Werbeflyer und eine Onlineplattform gibt, wurde dieses Thema mehrfach auf die Tagesordnung gesetzt. Unabhängig davon, welche Vorschläge der Bürger über die Verwendung der Haushaltsmittel dann in der Haushaltsplanung auch wirklich Berücksichtigung finden, sollte dieses Beteiligungsverfahren auch für andere Themen zumindest organisatorisch beispielgebend sein. Ich will damit sagen, dass es in der Vergangenheit durchaus auch erfolgreiche Beteiligungsprojekte gab, aber das ist ein Alleinstellungsmerkmal nur für dieses eine Projekt.
Es macht an dieser Stelle wenig Sinn, noch auf weitere Themen tiefgründiger einzugehen. Das in der Sitzung vom Dezember 2017 beschlossene Verfahren, über Koordinatoren ausgewählte Themen mit breitem Bürgerinteresse auf den Weg zu bringen, ist weitestgehend eingeschlafen. Abgesehen von der Entsendung eines Vertreters des Beteiligungsrates in das Planungsgremium für die zukünftige Verwendung der Biosphäre, ist z. B. die Tischvorlage zum Thema Verkehr niemals Gegenstand einer tiefgründigen Erörterung gewesen und somit weitestgehend im Sande verlaufen.
Vielleicht sollte man den Beteiligungsrat zukünftig themenspezifisch strukturieren, so dass sich Arbeitsgruppen nur noch zu einem! Beteiligungsprojekt positionieren und sich nicht mehr mit einer Vielzahl von Problemen nur sehr oberflächlich auseinander setzen müssen.
Das ist meine ganz persönliche Sichtweise auf die zurück liegende Sitzungsperiode. Dieser kurze Rückblick erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, auch habe ich nicht die Absicht, die Arbeit des Beteiligungsrates zu diffamieren oder in Frage zu stellen. Ich möchte lediglich Denkanstöße für eine bessere und wirkungsvollere Arbeit des Beteiligungsrates geben. Sollte aus diesen Zeilen jedoch ein gewisses Frustpotenzial erkennbar sein, wäre dies eventuell durchaus nicht ganz abwegig.
Ich wünsche dem neuen Beteiligungsrat für die Periode 2019/2020 mehr Erfolge und Effizienz, als ich das für die zurückliegenden beiden Jahre resümieren kann. Rüdiger Seyboth, Mitglied im Beteiligungsrat 2017/2018