Gipfel der Wissenschaften
5. Teil der Serie „Potsdams Berge“
Mit dem Namen Telegrafenberg dürften die allermeisten Potsdamer mehrere Forschungsinstitute verbinden, die sich im oberen Bereich dieser Erhebung befinden. Eine private Besichtigung des parkähnlich angelegten Geländes ist tagsüber möglich. Dazu wurde ein Rundweg mit 14 Stationen angelegt. Beim Pförtner am Haupteingang ist ein Übersichtsplan erhältlich. An allen Stationen sind Informationstafeln aufgestellt, von denen nachfolgend die interessantesten kurz beschrieben werden.
Station 3: Die sechs Häuser B bis G, die den Hauptsitz des GeoForschungsZentrums (GFZ) bilden, stehen in einer Senke, die den Brauhausberg und den Telegrafenberg trennt. Eng mit dem GFZ ist die „Potsdamer Kartoffel“ verbunden. Es handelt sich hierbei jedoch nicht um das bekannte Grundnahrungsmittel, sondern um ein Modell unserer Erde, bei dem die Unebenheiten 13.000-fach überhöht dargestellt werden. Dadurch erinnert das Modell an eine Kartoffel. Im Eingangsbereich des Vortragsgebäudes (Haus H) befindet sich ein 3D-Modell, das besichtigt werden kann.
Station 4: Der 32 Meter hohe Turm des Süringhauses überragt die Baumwipfel und bildet zusammen mit der Kuppel des Großen Refraktors die typische Silhouette des Telegrafenberges. Auf dem Turm stehen Messgeräte des Deutschen Wetterdienstes.
Station 7: Hier ist der Nachbau eines optischen Telegrafen zu sehen. Was hat es damit auf sich? Nach den Befreiungskriegen gegen Napoleon kamen die Gebiete entlang des Rheins 1815 unter preußische Verwaltung. Der Verwaltungssitz dieser sogenannten Rheinprovinz befand sich in Koblenz. Deshalb wurden jetzt vermehrt Depeschen zwischen dem „Mutterland“ und dem neuen exterritorialen Landesteil hin- und hergeschickt. Dafür benötigten berittene Boten etwa drei bis vier Tage. König Friedrich Wilhelm III. wies deshalb 1832 den Bau einer königlich-preußischen optischen Telegrafenlinie von Berlin nach Koblenz an. Dazu wurde auch in Potsdam eine Telegrafenstation errichtet, die später namensgebend für den Berg wurde.
Die Telegrafenlinie bestand aus 62 Stationen und hatte eine Länge von etwa 590 Kilometern. Hier in Potsdam wurde die Station 4 errichtet. Station 3 befand sich auf dem Schäferberg in Berlin-Wannsee und Station 5 auf dem Glindower Fuchsberg. Jede Station besaß einen Flügeltelegrafen. Mittels zweier Fernrohre wurden die benachbarten Telegrafenstationen beobachtet. Die visuell erkannte Stellung der Flügel wurde nachgebildet und auf diese Art und Weise weitergereicht. Die Geschwindigkeit der nur bei Tageslicht möglichen Nachrichtenübertragung war sehr stark witterungsabhängig und unterlag deshalb größeren Schwankungen. Folgendes dokumentierte Beispiel kann aber eine gewisse Vorstellung vermitteln. So wurden für eine Depesche bestehend aus 210 Wörtern von der Einlieferung im Telegra-fenbüro Berlin bis zur Übergabe des dechiffrierten Textes an den Kurier in Köln 13 Stunden benötigt. Rechnet man diese Angabe auf die gesamte Strecke von Berlin bis Koblenz hoch, ergibt sich eine Zeitspanne von gut 15 Stunden.
Seit 2009 befindet sich ein funktionstüchtiger Nachbau des Flügeltelegrafen ungefähr an der ursprünglichen Stelle. Jedoch stand der Telegrafenmast damals auf einem Gebäude und nicht – wie aktuell – zu ebener Erde. Das Aussehen des Stationsgebäudes ist heute nicht mehr genau rekonstruierbar. Vielleicht sah es so ähnlich aus wie das verkleinerte Modell, das sich neben dem Telegrafenmast befindet.
Station 9: Neben dem Turm des Süringhauses gehört die Kuppel des Großen Refraktors zur bekannten Silhouette des Telegrafenberges. Im Großen Refraktor befindet sich das viertgrößte Linsenteleskop der Welt. Obwohl der wissenschaftliche Forschungsbetrieb eingestellt wurde, ist eine Besichtigung im Rahmen regelmäßiger populärwissenschaftlicher Führungen möglich.
Station 11: Das wohl bekannteste Gebäude des Telegrafenberges ist der Einsteinturm. Das expressionistische Bauwerk gilt als eines der originellsten Bauten des 20. Jahrhunderts. Der Turm dient der Untersuchung des Sonnenlichts. Seitlich vor dem Einsteinturm befindet sich ein Schaukasten mit einem verkleinerten Modell, an dem die Funktionsweise sehr verständlich dargestellt ist.
Der Turm wurde hauptsächlich deshalb gebaut, um eine der Schlussfolgerungen aus Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie nachzuweisen. Obwohl hier heute noch wissenschaftlich gearbeitet wird, ist eine Besichtigung im Rahmen von regelmäßig angebotenen Führungen möglich.
Station 13: Das Areal um den Helmertturm ist in zweierlei Hinsicht optisch auffällig. Zum einen haben die meisten Bauten – im Gegensatz zur sonst hier üblichen Ziegelbauweise – eine Wellblechverkleidung und zum anderen ist deutlich zu sehen, dass das Gelände schon seit Längerem nicht mehr genutzt wird. Das ist umso bedauerlicher, da es in der Vergangenheit vom Helmertturm zu mehreren Potsdamer Erhebungen sehr interessante Bezüge gab, die teilweise heute noch erlebbar sind.
Auf dem Helmertturm standen verschiedene tragbare Messinstrumente. Die heute noch waagerecht herausragenden Metallträger sind Schienen, auf denen die beiden Kuppelhälften nach außen gefahren werden konnten. Um Messinstrumente zu kalibrieren, wurden zwei turmartige Bauwerke, Mirenhäuser genannt, angepeilt, und zwar das etwa 6,6 Kilometer entfernte Mirenhaus Süd auf dem Kleinen Ravensberg und das etwa 2,2 Kilometer entfernte Mirenhaus Nord auf einer namenlosen Anhöhe im Königswald. Im nächsten Teil der Bergeserie wird über den Kleinen Ravensberg berichtet und dabei auf die beiden heute noch existierenden Mirenhäuser etwas genauer eingegangen.
Neben dem Wissenschaftspark hat der Telegrafenberg aber auch noch weitere interessante Anlaufpunkte, unter anderem die sogenannten Jägerschießstände.
Im »Bergführer Potsdam« finden Interessierte noch weiterführende Informationen zum Telegrafenberg.
Bergführer Potsdam
Die schönsten Spaziergänge zu den 75 Gipfeln der Stadt
Wolfgang Mörtl
Taschenbuch, 2. Auflage
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ISBN: 978-3-86124-745-6
W. Mörtl