Potsdams Sportbeigeordnete macht sich stark für die Zukunft des Sports in Potsdam

Potsdam, die Stadt für alles: Kultur, Wissenschaft, Familien, Umwelt- und Klimaschutz, Sport und und und. Die Stadt hat sich viel vorgenommen – vielleicht zu viel?
Reicht es aus, sich selbst mit einem Siegel zu versehen und etwas zu behaupten? Ist es nicht wichtiger, sein Selbstbild auch in allen Bereichen konsequent umzusetzen als nur davon zu sprechen?
Wenn sich Potsdam als Sportstadt verstehen möchte, sollte das überall erlebbar sein. Doch das ist es schon lange nicht mehr.
Potsdams Beigeordnete für Bildung, Kultur, Jugend und Sport, Noosha Aubel, kämpft seit 2017 darum, dass auch der Sport wieder die Aufmerksamkeit bekommt, die er verdient. Aus diesem Grund sprach der POTSDAMER mit ihr über die Sportstadt Potsdam, den Ausbau des Luftschiffhafens und das sportliche Miteinander, das mancherorts leider verloren gegangen zu sein scheint.

Der Luftschiffhafen in Potsdam, einer der größten Sportstätten für Breiten- und Leistungssport in Brandenburg

Der Luftschiffhafen in Potsdam, einer der größten Sportstätten für Breiten- und Leistungssport in Brandenburg
Foto: sevens+maltry (Fotografen)/Luftschiffhafen GmbH/ProPotsdam

Potsdam beschreibt sich selbst als „Sportstadt“. Doch für viele Vereine wird es immer schwieriger, Spiel- und Trainingsflächen zu finden. Eine Entwicklung, die die Stadt zum größten Teil selbst zu verantworten hat. Hinzu kommt, dass einzelne Vereine andere in ihrer Entwicklung blockieren, statt sie zu unterstützen und dass mehr ein Gegeneinander als ein Miteinander zu beobachten ist. Trägt Potsdam die Bezeichnung „Sportstadt“ zu Recht?
Ja, ich meine zu Recht. Potsdam schaut auf eine ausgesprochene Tradition mit zahlreichen sportlichen Erfolgen bei nationalen wie internationalen Wettkämpfen. In Zusammenarbeit mit Bund und Land besteht ein sehr erfolgreiches Verbundsystem für den Nachwuchs- und Hochleistungssport am Standort Luftschiffhafen (LSH) gemeinsam mit dem Olympischen Stützpunkt, der Sportschule sowie Bundes- und Landesstützpunkten. Dies gilt es fortzuführen. Gesamtstädtisch betrachtet, haben wir mit den Herausforderungen einer sehr schnell wachsenden Metropole zu tun. In einem sich weiter verdichtenden Stadtraum ist es oft sehr schwierig, im Spannungsfeld von Baurecht, Denkmalschutz, Lärmschutz, Naturschutz usw. geeignete Flächen zu finden. Die Notwendigkeit von Sportplätzen stößt immer wieder an rechtliche Grenzen. Wir sind alle für Sport, aber ‚not in my backyard‘. Ich erhoffe für die Zukunft von allen Beteiligten mehr Verständnis für die Situation der Sportler*innen .
Zur Frage nach einer Blockadehaltung von Vereinen: Zunächst sollte man auch Verständnis dafür haben, dass Vereine sich angesichts knapper werdender Ressourcen um ihre Zukunft sorgen und ihre Interessen vertreten. Aber Sie haben zum Teil auch recht: Manchmal würde ich mir auch etwas mehr Entgegenkommen von einzelnen Akteuren wünschen.
Positiv in Potsdam ist, dass die Sportfamilie mit einem engagierten und aktiven Stadtsportbund eine gute Lobby hat, die sich um die Belange der vielfältigen Vereinslandschaft der Stadt kümmert. Des Weiteren sehe ich, dass das Thema Sport gut bei den vielen Stadtverordneten aufgehoben ist. Hier würde ich mich freuen, wenn es mehr Mut zu Entscheidung im Sinne des Sportes und weniger parteitaktische Überlegungen gäbe.

Auf einem der bundesweit größten Sportstätten, dem Luftschiffhafen (LHS), wird seit einigen Jahren mit viel Aufwand und großen Investitionsvolumina gebaut und saniert. Auch das Stadion im Luftschiffhafen (LHS) soll ab dem kommenden Jahr saniert werden und seine einstige Strahlkraft und Wettkampftauglichkeit zurückerhalten. Wann ist das Stadion wieder uneingeschränkt nutzbar, und was genau soll bis dahin gemacht werden?
Zunächst ein paar Fakten zum LSH: Der LSH ist ein international angesehener Sportstandort und bietet durch das Verbundsystem Sportschule inklusive additivem Abitur für 700 Schüler*innen optimale Ausbildungs- und Trainingsbedingungen. Insgesamt 120 Lehrkräfte, wovon 41 Lehrkräfte die im Wohnheim untergebrachten 400 Schüler*innen unterstützen, realisieren täglich Unterricht und Training. Folgende Zentren werden auf dem Areal vorgehalten, um beste Trainingsbedingungen zur Verfügung zu stellen:

  • das Leichtathletikzentrum mit der Leichtathletikhalle
  • das Schwimmzentrum mit Schwimmhalle, Schwimmkanal und Videoanalyse
  • das Kanuzentrum mit seiner einzigartigen Gegenstromanlage und ebenfalls Videoanalyse
  • das Ruderzentrum mit einem volldiagnostisch ausgebauten Ruderbecken
  • das Fußballzentrum, das neben den drei Naturrasenplätzen auch über einen Kunstrasenplatz verfügt
  • die MBS-Arena inklusive der Fechthalle, der Judohalle, zwei 3-Feldhallen und einer 1-Feldhalle.

Des Weiteren zählen wir acht Bundesstützpunkte, die für 125 Bundes- und 722 Landeskaderathlet*innen Judo, Kanu-Rennsport, Leichtathletik, Modernen 5-Kampf, Rudern, Schwimmen, Para-Schwimmen sowie Triathlon ermöglichen. Wir blicken immerhin zurück auf 78 Olympiamedaillen seit dem Jahre 1992. Bis zu 1200 Sportler*innen nutzen das Areal täglich. Wir als Landeshauptstadt sind sportlich in den höchsten Ligen vertreten, so zum Beispiel im Frauenfußball, im Volleyball, im American Football und im Wasserball.
Was die Sanierungspläne für den LSH betrifft, so möchte ich vorausschicken, dass die historische Tribüne bereits denkmalgerecht saniert worden ist. Die Sanierung des Stadions wird im Oktober dieses Jahres beginnen. Bis Oktober des Folgejahres wird ein Leichtathletikwettkampfstadion des Typs A entstehen, das acht Kreisbogenbahnen über 400 Meter, acht Einzelbahnen für gerade Sprint- wie Hürdenstrecken sowie ein Großspielfeld mit den Maßen 68 Metern x 105 Metern beherbergen wird. Letzteres ermöglicht Fußballspielen und dem American Football FIFA-Standardmaße. Hinzukommen werden Hochsprunganlagen mit unterschiedlichen Anlaufrichtungen und transportable Sprungkissen, zwei kombinierte Anlagen für Weit- und Dreisprung mit sowohl nördlicher wie südlicher Anlaufrichtung an der Westseite des Stadions außerhalb der 400-m-Rundbahn. Ebenfalls vorgesehen sind zwei kombinierte Diskus- und Hammerwurfanlagen, zwei Sperrwurfanlagen sowie zwei Kugelstoßkreise – alle mit unterschiedlicher Wurfrichtung.
Eine Machbarkeitsstudie für den Neubau des Stadiongebäudes liegt jetzt auch vor. Je nach Variante können wir 80 Prozent bzw. 56 Prozent der Nutzerinnenbedarfe abdecken. Jetzt gilt es hier die Genehmigungsfähigkeit zu prüfen und eine Finanzierung darzustellen.
Über den Fortgang der Entwicklungen werden die Vereine im LSH über das Instrument der Nutzerinnenkonferenz informiert.

Noosha Aubel glaubt an die Sportstadt Potsdam

Noosha Aubel glaubt an die Sportstadt Potsdam

Was werden die Maßnahmen kosten, und wie werden sie finanziert?
Die bisherige Kostenschätzung für die Stadionsanierung beläuft sich auf rund 5,3 Millionen Euro; eine Aktualisierung dieser Schätzung angesichts der aktuellen Weltmarktlage und der damit einhergehenden Preissteigerungen, gerade bei Baumaterialien, wird derzeit  erarbeitet.
Da sich das Stadion im Eigentum der kommunalen ProPotsdam GmbH befindet, wird die Refinanzierung des Sanierungsprojekts über eine jährliche Miete gesichert.
Hinzu kommen die Kosten für den Neubau des Stadiongebäudes. Hier sind wir aktuell in der Qualifizierung der Summe.

Wird das Stadion im LHS nach der Sanierung auch alle Anforderungen der Bundesligisten wie Turbine Potsdam, Potsdam Royals und der Leichtathletik erfüllen?
Ohne ins Detail zu gehen, steht fest, dass die Anforderungen der jeweiligen Ligen an eine Sportstätte recht unterschiedlich sind. Wir haben versucht mit der Abfrage der Vereinsbedarfe im Vorfeld der Sanierung möglichst viele Bedarfe aufzunehmen und umzusetzen. Unterschieden werden muss hier auch zwischen zwingend erforderlich und „nice to have“.
Im Ergebnis lässt sich sagen, dass die Anforderungen im Stadion am LSH weitestgehend, jedoch nicht vollumfänglich erfüllt werden.

Der FFC Turbine Potsdam und die Potsdamer Kickers suchen dringend nach Spiel- und Trainingsflächen. Auch die Potsdam Royals, einer der erfolgreichsten Football-Vereine Deutschlands, hat bis heute keine Trainingsflächen für die bereits laufende Saison. Wie sollen deren Bedarfe gedeckt werden?
Der FFC Turbine Potsdam e.V. sollte nach unserem Kenntnisstand auskömmlich an den Standorten LSH und Sportforum Waldstadt mit Trainingszeiten versorgt sein. Bei diesem Verein geht es vordergründig um die Größe der Trainingsflächen im LSH. Dort haben wir Planungen eingeleitet, die geeignet sind, kurzfristig durch die Vergrößerung des so genannten Käfigs Abhilfe zu schaffen. Weitere Maßnahmen sind vorgesehen.
Der Mangel an Trainingszeiten wie -flächen für die Kickers ergab sich tatsächlich mit dem Abriss des Ernst-Thälmann-Stadions. Anfänglich konnten die Bedarfe jedoch auf der Sportanlage Kirschallee abgedeckt werden. Zusätzliche Entwicklungsversuche zur Schaffung einer weiteren Trainingsfläche für die Kickers sind leider gescheitert, z.B. an den Standorten Pappelallee oder kürzlich am Lerchensteig.
Die Potsdam Royals sind derzeit auf der Sportanlage Kirchsteigfeld untergebracht. Da diese Anlage aktuell eine neue Laufbahn erhält, kann es zwischenzeitlich zu Einschränkungen kommen. Wir sind bislang davon ausgegangen, dass die innenliegende Kunstrasenfläche auch während der Sanierungszeit genutzt werden könne. Auf Grund erheblicher Änderungen im Bauablauf und der Zeitschiene im Zusammenhang mit den stark gestiegenen Kosten kann dies nunmehr nicht so realisiert werden. Wir haben uns daraufhin sofort um Ersatzzeiten für alle Nutzer dieses Platzes gekümmert.
Die erste Mannschaft der Royals wird nahezu vollständig versorgt werden (im LSH und im Sportforum Waldstadt) und dem Nachwuchs wird zumindest ein zum Teil kompensierendes Angebot unterbreitet werden.
Langfristig arbeiten wir an einer gesamtstädtischen Entwicklung weiterer Sportanlagen und Großspielfelder. Folgende Standorte befinden sich in Prüfung:

  • Kuhfortdamm – Golm: B-Plan 164 „Sportanlagen Kuhfortdamm in Aufstellung“ als Ersatzversorgung der Abteilungen Baseball und Rugby des USV vom Standort Neues Palais mit entsprechender dreiseitiger Vereinbarung zwischen der LHP, dem MWFK und der SPSG.
  • Groß Glienicke: B Plan Nr. 19 „Ehemaliger Schießplatz“ in Aufstellung
  • Fahrland:Im Zuge der Erweiterung der „Regenbogenschule Fahrland“ wird auch die Erweiterung der Sportanlagen geprüft.
  • Krampnitz:Im Entwicklungsbereich Krampnitz sollen perspektivisch Sportanlagen für den Schul- und Vereinssport im Umfeld der geplanten Gesamtschule entstehen.
  • Golm-Nord: Die Rahmenplanung hat bereits begonnen.
  • Kulturbodendeponie: B-Plan 163 „Erich-Weinert-Straße Wetzlarer Bahn“ läuft bereits seit Anfang 2019. Der Umfang und die Realisierung der Sportfreianlagen sind abhängig von den Bedarfen der Schulentwicklungsplanung.
  • Remisenpark oder Deponie Habichtweg:Diese beiden Standorte sind mögliche Ersatzstandorte für den Lerchensteig, eine Machbarkeitsstudie ist vom GB 4 geplant.

Noch einmal sei darauf verwiesen, dass die Entwicklung von neuen Sportanlagen im bereits dargestellten Spannungsfeld von Flächenverfügbarkeit und Restrektionen im Bereich Denkmalpflege, Natur- und Umweltschutz, Bürgerinnenanliegen etc. liegt. Zudem müssen die Plätze auch finanziert werden können.
Der Bau von Sportanlagen für den Vereinssport oder von Bädern ist nur teilweise pflichtig, in der Regel freiwillig. Dementsprechend gestaltet sich deren Finanzierung angesichts knapper Kassen noch mal deutlich schwieriger oder muss langfristiger angelegt werden.
Bekannt ist auch, dass im Zuge der Corona-Pandemie und durch den Verlauf des Krieges in der Ukraine Rohstoffpreise stark angestiegen und Versorgungslücken entstanden sind. Neben der starken Inflation, die zu einem Anstieg der sonst niedrigen Zinsen für notwendige Baukredite führen, sind ebenfalls Fördertöpfe für diesen Bereich kurzfristig geschlossen worden. Das Ergebnis: Bauen von Sportanlagen wird teurer, sodass eingeplante Budgets im städtischen Haushalt i.d.R. nicht ausreichen und weitere finanzielle Zuwendungen erfordern.

War es aus heutiger Sicht ein Fehler, das Ernst-Thälmann-Stadion im Stadtzentrum 1999 ersatzlos abzureißen?
Mir fällt es schwer mich fundiert zu einer getroffenen Entscheidung zu äußern, die über 20 Jahre zurückliegt. Sicher gab es damals gute Gründe so vorzugehen. Daher würde ich sagen, war ein Abriss aus gesamtstädtischer Sicht, in dieser exponierten Lage im Stadtzentrum damals zielführend. Aus Sicht Sport ist das natürlich anders zu bewerten. Man hätte damals deutlich leichter eine Ersatzfläche an anderer Stelle im Stadtgebiet zur Verfügung stellen können, da wir noch nicht in dem heutigen Wachstumsprozess begriffen waren. Aber waren die Mittel damals dafür überhaupt vorhanden? Gab es andere Prioritäten? Über diesen Punkt könnte man sicher lange debattieren. Ich richte meinen Blick lieber nach vorn und setze mich für die Entwicklung neuer Standorte ein.

Der Sport lebt im Hochleistungsbereich und vor allem im Breitensport vor allem von dem Engagement vieler Tausend Ehrenamtlicher. Ohne dieses Engagement wäre Deutschland nicht die Sportnation, die sie heute ist. Ist der große Bedarf an ehrenamtlich Tätigen im Breitensport ein Zeichen dafür, dass er zu wenig Aufmerksamkeit und Unterstützung von der Politik erhält?
Der Sport braucht verlässliche Rahmenbedingungen und eine nachhaltige Finanzierung, das müssen Politik und Verwaltung leisten und das machen wir in Potsdam. Der Breitensport lebt vom Engagement und von der Begeisterung der zahlreichen Ehrenamtlichen, die dass sportliche Angebot sichern und ausbauen und den Verein mit Leben füllen.
Die Nachwuchssorgen des Ehrenamts sind nicht nur in der LHP spürbar. Wir als Stadtverwaltung wertschätzen jegliches Engagement und sorgen für Aufmerksamkeit und Ansporn, z.B. durch den Ehrenamtspreis, durch Würdigungen im Rahmen des Stadtsportballs oder durch Gratulationen zu Jubiläen und Erfolgen von Vereinen. Nicht zu vergessen sind auch die finanziellen Mittel, etwa für Veranstaltungen zur Sportförderung oder Übungsleiterpauschalen, die dem Sportförderbericht entnommen werden können, ein Teil der Förderung.
Aktuell überlegen wir gemeinsam, wie wir insbesondere mehr weibliche Trainierinnen und Übungsleiterinnen gewinnen können. Hier ist es häufiger noch schwieriger Ehrenamtliche zu finden, da dies ja schon eine Doppelbelastung aus Job und Familie haben.

Wann hat die Stadt wieder ausreichend Sportflächen, und wann ist der sportliche Gedanke oder Geist in allen Bereichen der Stadt wieder spürbar?
Ehrlicherweise kann ich diese Frage nicht valide beantworten. Aufgrund vieler Faktoren, finde ich eine Festlegung auf ein Datum wenig seriös. Aber die Sportfamilie, Verwaltung und Politik arbeiten gemeinsam an Lösungen. Individuelle Interessenten spielen manchmal eine übergeordnete Rolle, aber im Großen und Ganzen haben wir das gemeinsame Ziel vor Augen, die Situation kontinuierlich weiter für den Sport zu verbessern.

Müssen manche Vereine befürchten, von den zur Verfügung stehenden Geldern weniger abzubekommen, weil in den Luftschiffhafen aktuell und in Zukunft viel investiert wird?
Nein, die Befürchtungen brauchen die Potsdamer Sportvereine nicht haben. Wir sind für alle da und lassen keinen hängen. Die Finanzierung des LSH und die der Sportvereine sind zwei verschiedene Töpfe.

Das Gespräch führte Steve Schulz