Potsdam stellt Situation in Krampnitz anders dar als Gemeinsame Landesplanung

Krampnitz ist und bleibt ein umstrittenes Projekt. Eins ist sicher: es wird Potsdam für immer verändern.

Krampnitz ist und bleibt ein umstrittenes Projekt. Eins ist sicher: es wird Potsdam für immer verändern.
Foto: LHP

Nachdem Pressemitteilungen der Stadt und des Landesministeriums für Infrastruktur und Landessplanung zu dem gleichen Thema unterschiedliche Aussagen treffen, kommt es zu Irritationen.
Stolz sei die Landeshauptstadt Potsdam (LHP) und mit ihr der Entwicklungsträger Krampnitz darüber, dass die „Gemeinsame Landesplanung Berlin-Brandenburg … die Erfüllung der Auflagen aus dem Zielabweichungsbescheid für die Entwicklung der ehemaligen Kaserne Krampnitz bestätigt und damit grünes Licht für die Entwicklung des neuen Stadtquartiers für zunächst 5.000 Menschen im ersten Entwicklungsschritt gegeben“ habe, heißt es in der Pressemitteilung der Stadt.
Zum Hintergrund: Die Gemeinsame Landesplanung Berlin-Brandenburg (GL) hat der Stadt Potsdam einige Bedingungen auferlegt, die sie zu erfüllen hat, weil die Entwicklung des alten Militärgeländes Krampnitz von der eigentlichen Landesentwicklungsplanung abweicht. Diese Auflagen wurden in dem Zielabweichungsbescheid von 2013 festgelegt und bezogen sich auf den damals geplanten Zuzug von 3800 Menschen.
Die LHP hat im Mai dieses Jahres der GL Unterlagen vorgelegt, mit denen die Erfüllung zweier Auflagen des Bescheids aus dem Jahr 2013 nachgewiesen werden sollten. In die Prüfung dieser Unterlagen wurden die für Verkehr zuständige Abteilung des Brandenburgischen Ministeriums für Infrastruktur und Landesplanung sowie die für Immissionsschutz zuständige Abteilung des Brandenburgischen Ministeriums für Landwirtschaft, Umwelt und Klimaschutz einbezogen.
Das Ministerium schreibt dazu: „Heute hat die Gemeinsame Landesplanungsabteilung Berlin-Brandenburg (GL) gegenüber der Landeshauptstadt Potsdam (LHP) die Erfüllung zweier Auflagen aus dem Bescheid vom April 2013 über die Zulassung einer Zielabweichung von Vorgaben des Landesentwicklungsplans für das Entwicklungsgebiet Krampnitz bestätigt.“
Während die LHP suggeriert, sie habe alle Auflagen erfüllt und „damit grünes Licht für die Entwicklung des neuen Stadtquartiers für zunächst 5.000 Menschen“ erhalten, relativiert das Ministerium diese Aussage deutlich. So heißt es in dessen Mitteilung: „Die LHP kann damit die notwendigen Bauleitplanungen, die die Änderung des Flächennutzungsplans und mehrere Bebauungspläne umfassen, für eine Bebauung des neuen Potsdamer Stadtteils mit bis zu 5.000 Einwohnern weiterführen … Die Entscheidung stellt allerdings keine planungsrechtliche Genehmigung der im Entwurf vorgelegten Bauleitpläne oder eine Bestätigung der Erfüllung anderer zu beachtender fachgesetzlicher Bestimmungen dar.“ Die GL erlaubt der Stadt also weiterhin zu planen. Ob diese Pläne später genehmigungsfähig sind, bleibt offen.
Ganz anders sieht und kommuniziert das die Stadt: „Uns wurde bestätigt, dass mit den in den letzten Monaten erarbeiteten und übergebenen Konzepten, Analysen und Gutachten den Anforderungen des Zielabweichungsbescheides von 2013 Rechnung getragen wird und damit die Auflagen hinsichtlich der landesplanerischen Erfordernisse als erfüllt angesehen werden. Damit wird die Übereinstimmung der Entwicklung von Krampnitz mit den Zielen der Raumordnung bestätigt. Wir können damit Krampnitz bis zu einer Einwohnerzahl von 5000 entwickeln und bei Schaffung von Baurecht für die Verlängerung der Straßenbahn durch einen Planfeststellungsbeschluss auch über 5000“, wird Potsdams Baudezernent Bernd Rubelt zitiert.

Ortsvorsteherin empört

Die Meldung der Stadt sei falsch, reagiert die Stadtverordnete und Neu Fahrlands Ortsvorsteherin, Dr. Carmen Klockow (Bürgerbündnis), sofort nach deren Veröffentlichung. „Es wurden gerade einmal zwei Auflagen von vielen aus dem Zielabweichungsbescheid für die Entwicklung der ehemaligen Kaserne Krampnitz erfüllt. Es fehlt unter anderem die seit 2013 geforderte detaillierte Prognoseuntersuchung über die Luftschadstoff- und Lärmauswirkungen, die durch die zusätzliche Bebauung in Krampnitz verursacht werden. Wie kann angesichts dieser Fakten die LHP eine Pressemitteilung mit der Aussage herausgeben, dass die Gemeinsame Landesplanung Berlin-Brandenburg die Erfüllung der Auflagen bestätige und damit grünes Licht für die Entwicklung des neuen Stadtquartiers für zunächst 5.000 Einwohner gegeben habe?“, äußert sich Klockow empört.
Laut Klockow, sei es für den Baubeigeordneten Bernd Rubelt deutlich zu früh, sich feiern zu lassen. Stattdessen solle er sich darum bemühen, die vielen offenen Anforderungen der GL zu erfüllen und sich auf die bereits vielfach im Zusammenhang mit der Erschließung von Krampnitz angekündigten Klagen vorzubereiten.

Oberbürgermeister will Krampnitz-Projekt noch einmal prüfen lassen

Wegen der vielen Rückschläge, der ausufernden Kosten und der unklaren rechtlichen Gesamtsituation hat Potsdams Oberbürgermeister, Mike Schubert (SPD), entschieden, ein externes Unternehmen damit zu beauftragen, das Krampnitz-Projekt genau unter die Lupe zu nehmen.
Weil die Genehmigung von mehr als 5.000 Einwohnern in Krampnitz eben doch nicht sicher sei und bereits eine Klagewelle von Einwohnern, Bürgerinitiativen, Grundstückseigentümern und Naturschutzverbänden angekündigt wurde, hat Oberbürgermeister Schubert reagiert.
Schubert kündigte die entsprechende Ausschreibung bereits im Hauptausschuss der Stadtverordneten Anfang Juni dieses Jahres an, ging aber auf damit zu erwartende Kosten nicht ein. Allerdings habe „Schubert intern bereits klargemacht, dass es besser sei, nun ein paar 100.000 Euro für so eine externe Expertise in die Hand zu nehmen als bald mehrstellige Millionen-Investitionen vor unsicherem Hintergrund zu tätigen“, heißt es in der PNN dazu.

Klimabewegung eingeladen

Der Entwicklungsträger Potsdam hat in einer Mitteilung den Potsdamer Ableger der Klimabewegung Fridays for Future zu einem kontinuierlichen Dialog eingeladen, um über die Planungen für das neue Stadtquartier in Krampnitz zu sprechen. Zum Auftakt dieses Austausches sollten grundlegende Fragen von Unterstützerinnen und Unterstützern der Bewegung bereits in der Sitzung des Forum Krampnitz am 16.06.2021 diskutiert werden.
„Die Forderungen von Fridays for Future nach einem umwelt- und sozialverträglichen Stadtteil decken sich grundsätzlich mit unserer Vision eines innovativen Quartiers in Krampnitz und zeigen, dass dieses Projekt auch für die jungen Menschen in Potsdam einen hohen Stellenwert hat. Wir sehen den Dialog mit diesen interessierten und engagierten Menschen daher als Chance, um weitere Impulse für die Umsetzung dieses zukunftsweisenden Projektes zu erhalten“, erklärt Bert Nicke, Geschäftsführer des Entwicklungsträgers Potsdam.
Die Einbindung der wohl bekanntesten Klimaschutzbewegung weltweit halten manche jedoch nur für einen geschickten Schachzug, um den angekündigten Klagen einzelner Naturschutzverbände entgegenzuwirken.

Auch Nachweis zur Nachhaltigkeit fraglich

Die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) wurde von der Landeshauptstadt mit der Erstellung eines Zertifikats für die Krampnitz-Pläne beauftragt. Am 25. Juni 2021 wurden die Krampnitz-Pläne mit der höchsten Bewertungsstufe im Vorzertifikat ausgezeichnet.
In einer Mitteilung der Stadt heißt es zu der Auszeichnung: „Im Rahmen einer DGNB-Vorzertifizierung wurden die Pläne für das Quartier in Krampnitz, darunter sowohl der städtebauliche Entwurf als auch das Energie- und Mobilitätskonzept, zuvor in einem mehrmonatigen durch Büro Happold begleiteten Prüfverfahren hinsichtlich ihrer ökologischen, ökonomischen, technischen, soziokulturellen und funktionalen Qualität sowie ihrer Prozessqualität beurteilt. Im Ergebnis dieser Überprüfung entspricht der Planungsstand für Krampnitz in nahezu allen Prüfkriterien den strengen DGNB-Anforderungen für nachhaltige Stadtquartiere und erhält damit ein Vorzertifikat in Platin, der höchsten Bewertungsstufe des DGNB-Zertifizierungssystems.“

Sowohl die technische als auch die ökologische Qualität der Planungen wurden bewertet und als sehr gut eingeschätzt, heißt es in der Mitteilung. Die ökonomische, soziokulturelle und funktionale Qualität sowie die Prozessqualität der Planungen und das Mobilitätskonzept haben demnach diese Qualitätsstufe nicht erreicht. Ebenso bleibt offen, worin der Unterschied zwischen einem „Vorzertifikat“ und einem „Zertifikat“ ist.

Potsdams Baubeigeordneter, Bernd Rubelt (2. v.r.), und der Geschäftsführer der ProPotsdam, Bert Nicke (l.), bei der Übergabe des „Vorzertifikats“

Potsdams Baubeigeordneter, Bernd Rubelt (2. v.r.), und der Geschäftsführer der ProPotsdam, Bert Nicke (l.), bei der Übergabe des „Vorzertifikats“.
Foto: J. Beulshausen

Die DGNB selbst beschreibt die Anforderungen für eine Platin-Zertifizierung wie folgt:
Mit der Einführung der neuen Auszeichnungslogik rund um das Platin-Zertifikat folgen wir einem weit verbreiteten Wunsch aus unserer Mitgliedschaft und dem Markt“, sagt DGNB Präsident Prof. Alexander Rudolphi. „Gerade im internationalen Umfeld hängt die Entscheidung für oder gegen ein Zertifizierungssystem vielfach mehr von der Farbe der Auszeichnungsstufe und weniger von den Inhalten und den damit überprüften Qualitäten eines Gebäudes oder Stadtquartiers ab“, so Rudolphi.
Die Veränderungen sind dabei leicht erklärt. So wird die bisherige Auszeichnung in Bronze eins zu eins durch das Zertifikat in Silber ersetzt. Gold tritt an die Stelle von Silber. Die neue höchste Auszeichnungsstufe in Platin erhalten Projekte, die dieselben Bedingungen erfüllen wie bislang Projekte mit Gold-Status. Mit anderen Worten: Projekte mit einem Gesamterfüllungsgrad von mindestens 80 Prozent und einem Mindesterfüllungsgrad von 65 Prozent in allen fünf ergebnisrelevanten Themengebieten bekommen von nun an ein Zertifikat in Platin.
(Quelle: DGNB System)

Zusätzlich nennt die DGNB auf ihrer Website u.a. folgende Vorteile einer Zertifizierung:
• Imagebildung als attraktives und nachhaltiges Quartier
• Kommunikation des Projekts in der Öffentlichkeit
• Vermarktungs- und Finanzierungsvorteile
• Höhere Wertstabilität

„Das DGNB Vorzertifikat ist der beste Beleg dafür, dass diese Quartiersentwicklung schon in einer frühen Planungsphase die vielfältigen Aspekte der Nachhaltigkeit vorausschauend und ganzheitlich berücksichtigt. Dies sind die besten Voraussetzungen für ein Quartier, in dem Lebensqualität, Klima- und Ressourcenschutz eine zentrale Rolle spielen“, wird DGNB Präsidiumsmitglied Prof. Alexander Rudolphi in der Mitteilung der Stadt zitiert.

Die Auszeichnung bezieht sich der Formulierung nach auf den Planungsprozess und nicht auf dessen Ergebnisse. Diese sind es jedoch, die von vielen Seiten angezweifelt werden – allen voran das Verkehrs- und Mobilitätskonzept. So vertrat die Stadt auf den vielen Informationsveranstaltungen die Meinung, dass das Verkehrsaufkommen trotz des Zuzugs mehrerer Tausend Menschen nach Krampnitz geringer werde als es heute ist. Begründet wird diese von vielen nicht verstandene Verkehrsverringerung mit dem Ausbau des ÖPNV-Angebots, dem Ausbau des Radwegenetzes und der Reduzierung von zurückzulegenden Wegen der Einwohnerinnen und Einwohner.
Weil das Projekt Krampnitz schon so weit fortgeschritten ist und bereits viele Millionen Euro verschlungen hat, bleibt der Stadt gar nichts anderes übrig als daran festzuhalten und ihr Konzept zu verteidigen. Deshalb kommt der Prüfungsauftrag des Oberbürgermeisters genau zur richtigen Zeit.
sts