Kommunikationskonzept der Ämter erschwert Gesamtsituation

Um die Ausbreitung des Corona-Virus einzudämmen, wurden seit dem 18. März auch Schulen, Kindertageseinrichtungen und Tagespflegestellen geschlossen. Für die Betreuung der Kinder, deren Eltern in strukturrelevanten Berufen arbeiten, wurden Notbetreuungseinrichtungen zur Verfügung gestellt. Doch hinter dieser scheinbar einfachen Regelung verbergen sich viele Unbekannte, die bei Eltern und Trägern für große Verunsicherung sorgen.
Der POTSDAMER sprach mit Anke Malcherczyk, der Geschäftsführerin des Treffpunkt Fahrland e.V., dem Träger von der KiTa Fahrländer Landmäuse, dem Hort an der Regenbogenschule, Kinder- und Jugendfreizeitzentrum und kooperierenden Kindertagespflegepersonen, und fragte nach, worin die besonderen Herausforderungen dieser neuen Situation liegen.

Späte Informationen

Anke Malcherczyk, Treffpunkt Fahrland e.V.

Dass die Tagespresse Informationen veröffentlicht, die noch nicht einmal der Träger erhalten hat, erschwert laut Malcherczyk den Kita-Alltag erheblich. „Die Verunsicherung auf Seiten der Eltern und Träger werden primär durch die kurzfristigen Informationen der Landeshauptstadt hervorgerufen. Oft erhalten wir über die Tagespresse mehr und schneller Informationen. Für uns stellt sich dann immer die Frage, wie wir die Informationen aus der Presse bewerten. In den letzten Wochen legten die vielen Anrufe der fragenden Eltern unser Büro nahezu lahm. Wir sollten Fragen beantworten, die wir nicht beantworten konnten, weil wir noch keine Informationen von offizieller Stelle dazu hatten.
Wenn ich am 17. März um 23:30 Uhr die E-Mail erhalte, dass wir ab dem 18. März unter Vorbehalt die Erlaubnis für den Betrieb einer Notfall-Kita erhalten, bleibt kaum Zeit, um alle notwendigen Maßnahmen abzustimmen und umzusetzen. Also habe ich bis in die frühen Morgenstunden alle Eltern angeschrieben, um Ihnen mitzuteilen, dass, wenn sie einen genehmigten Antrag auf Not-Betreuung haben, sie ihre Kinder ‚wie gewohnt‘ in unsere Einrichtungen bringen können. Auch den Eltern und deren Arbeitgebern bleibt kaum Zeit, sich darauf einzustellen.“
Eine Sprecherin der Stadt bestätigte und bedauerte gegenüber dem POTSDAMER die oft sehr kurzfristige Weitergabe der Informationen: „Aufgrund der aktuellen Lage erhalten auch wir von den Ministerien oft sehr kurzfristige Informationen, die wir umgehend an die entsprechenden Stellen weiterleiten“. Auch den Mitarbeitern der Stadtverwaltung fehle oft aufgrund der ad hoc getroffenen Entscheidungen die Zeit, sich auf neue Situationen vorzubereiten. Man versichere jedoch, alles Mögliche zu tun, um den Anforderungen der Zeit gerecht zu werden, so die Sprecherin weiter.

Absperrung KiTa-Spielpatz: Um die Kindergruppen (5 bis 7 Kinder) nicht zu durchmischen, hat man den Spielplatz in Zonen eingeteilt, die abwechselnd genutzt werden können. Fotos: privat.

Neue Probleme bei der Notbetreuung

Die Ausweitung der Notbetreuung stellt laut Malcherczyk die Einrichtungen vor die nächsten Probleme. „Durch die Einhaltung von Auflagen und Vorsichtsmaßnahmen sind die Plätze, die uns für die Notbetreuung zur Verfügung stehen, begrenzt. Im Hort stehen uns momentan nur 22 Prozent der eigentlichen Kapazität zur Verfügung. Bei einigen genehmigten Anträgen stellt sich bei unseren Einrichtungsleiterinnen die Frage, ob diese auch berechtigt sind. Denn jetzt kommt verständlicherweise der Unmut bei den Eltern auf, die bis dato ihre Kinder zu Hause betreut haben, aber ab jetzt z.B. an der Schule wieder Unterricht erteilen müssen und keinen Notbetreuungsplatz erhalten, weil die Kapazitäten erschöpft sind.“

Kinderbetreuung geht nicht mit Masken und Sicherheitsabstand.

Kein Schutz nötig?

Inzwischen muss jeder, der ein Brötchen kaufen oder ein paar Stationen mit dem Bus fahren möchte, eine Schutzmaske tragen. Spielplätze bleiben aktuell noch ge sperrt. Bei der Betreuung von Kindern müssen aber keine Schutzmasken getragen werden. Diese Regelung ist für viele schwer nachvollziehbar.
In den „Anwendungsvorgaben zur Notfallbetreuung in Kitas und Horten“, die am 15. März dieses Jahres vom Ministerium für Soziales, Gesundheit, Integration und Verbraucherschutz (MSGIV) veröffentlicht wurden, steht nichts über das Tragen von Schutzmasken oder dem Einhalten eines Sicherheitsabstands. Ebenso überlässt das MSGIV den Trägern selbst die Entscheidung, in welchem Maße Schutzmaßnahmen bei der Kinderbetreuung getroffen werden: „Die Entscheidung über die notwendigen Schutzmaßnahmen trifft jedoch grundsätzlich der Einrichtungsträger“, lautet es von Seiten des Ministeriums.
„Da wir in unseren Einrichtungen Kinder betreuen, deren Eltern primär in system- oder strukturrelevanten Berufen arbeiten – also einem höheren Infektionsrisiko ausgesetzt sind –, hat sich das Leitungsteam intensiv ausgetauscht, wie wir der Eindämmungsverordnungen und der Allgemeinverfügungen gerecht werden. Können wir den Kindern zumuten von Erzieher/innen betreut zu werden, die mit Handschuhen und Mundschutz arbeiten? Ist der Mindestabstand pädagogisch vertretbar? Vor allem bei Krippen- und Kindergartenkindern ist der Mindestabstand kaum umsetzbar. Ob beim Wickeln, Toilettengang, Essen, Spielen oder Trösten braucht es die direkte Betreuung“, meint Malcherczyk.

Fehlende Anerkennung?

Viel hört man derzeit über die wichtige und großartige Arbeit von Mitarbeitern in systemrelevanten Berufen. Mitarbeiter im Lebensmittelhandel, in Krankenhäusern, Seniorenheimen und sogar Lkw-Fahrer zählen dazu. „Die Corona-Krise zeigt einmal mehr, wie unverzichtbar unsere Erzieherinnen, Erzieher und Tagesmütter sind. Denn sie machen es mit der Notbetreuung der Kinder überhaupt erst möglich, dass die Infrastruktur in den wichtigen Bereichen aufrechterhalten werden kann. Leider erfahren die vielen Erzieherinnen, Erzieher und Tagesmütter, die die Notbetreuung der Kinder ermöglichen und sich täglich den Herausforderungen dieser schwierigen Situation stellen in den Medien keine so hohe Anerkennung“, bedauert Malcherczyk. „Und auch in dieser Zeit können wir uns auf unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu einhundert Prozent verlassen. Ohne ihr Engagement und ihre Professionalität wären wir alle aufgeschmissen. Deshalb möchte ich mich an dieser Stelle bei all meinen Kolleginnen und Kollegen bedanken. Sie machen einen super Job – DANKE. Diese Buchstaben beinhalten für mich Anerkennung, Respekt und Wertschätzung.“

sts