Die Kandidaten für die OB-Wahl am 23. September 2018 laufen sich warm
Der inoffzielle Startschuss für den Wahlkampf zum Oberbürgermeister von Potsdam hat bereits begonnen, und einzelne Kandidaten scheinen bestens vorbereitet Der POTSDAMER möchte Ihnen, unseren Leserinnen und Lesern, mit dieser Serie die einzelnen OB-KandidatInnen nicht nur näher vorzustellen, sondern auch deren Meinungen zu Themen, die den Norden Potsdams betreen. So haben wir den KandidatInnen Fragen gestellt und sie gebeten, uns diese für eine Veröffentlichung zu beantworten. Einge beziehen sich allgemein auf die Region, andere auf den nördlichsten Ortsteil Potsdams, Groß Glienicke. Die den Ortsteil betreenden Antworten können auch die anderen Ortsteile beeinussen.
Die Antworten, die uns zurückgesandt wurden, veröffentlichen wir nun exklusiv.
Nehmen Sie sich die Zeit, lesen Sie die Antworten genau – auch zwischen den Zeilen –, und machen Sie sich ein Bild davon, wer Ihrer Meinung nach die Anforderungen unserer Region am besten versteht und am erfolgversprechendsten angehen wird.
Wir beginnen die Interview-Serie mit Martina Trauth (parteilos), die die Kandidatin der Partei DIE LINKE ist.
Wie beurteilen Sie die Verkehrsentwicklung im Norden Potsdams, und wie vermeiden Sie ein Verkehrschaos, wenn Krampnitz voll erschlossen und bezogen ist?
Trauth: Die Verkehrssituation im Norden ist seit Jahren angespannt, was auch mit der Entwicklung der nördlichen Ortsteile bes. Fahrland, Neu Fahrland und Groß Glienicke zusammenhängt. Mit der Erschließung des neuen Stadtteils Krampnitz mit bis zu 10.000 Einwohnern entstehen noch mal neue Herausforderungen.
Lösungen müssen komplex gedacht und der Schwerpunkt auf den ÖPNV und gute Bahnanbindung gelegt werden. DIE LINKE hat 2013 mit einem Antrag die planerische Festsetzung einer Freihaltetrasse für den ÖPNV einschließlich einer Straßenbahnlinie durchgesetzt und dabei auch die perspektivische Weiterführung der TRAM-Anbindung für eine Verlängerung nach Krampnitz und Fahrland bedacht.
Die zurzeit für 2025 geplante Fertigstellung der Straßenbahnanbindung muss beschleunigt werden und Interimskonzepte für die ÖPNV-Anbindung z.B. durch Busse realisiert werden. Da es mit der Besiedlung von Krampnitz maßgeblich mehr Pendlerverkehre geben wird, davon etwa 35% nach Berlin, ist die Anbindung an die Bahn/Regionalzüge und die Verstärkung des Bahnverkehrs dringend erforderlich. Der geplante Ausbau des Bahnhofs Marquardt mit P+R Parkplätzen muss so schnell wie möglich realisiert werden.
Nicht zu vergessen ist auch der Ausbau des Radwegenetzes, um den motorisierten Individualverkehr auch so zu reduzieren. Auch die kluge Anbindung des neuen Stadtteils an die bestehenden Straßen kann zur Verüssigung des Verkehrs beitragen.
Nördlich von Neu Fahrland gibt es großen Unmut, weil der 638er Bus nur noch bis zum Campus Jungfernsee fährt und dort zur Weiterfahrt in die City der Umstieg in die Tram nötig ist. Sollte es Ihrer Meinung nach eine Rückkehr zum durchgehenden 638er geben, oder welche Verbesserungen sollten durchgesetzt werden, um die Situation für die ÖPNV-Nutzer zu verbessern?
Trauth: Nein, eine Rückkehr zu einer von Groß Glienicke bis zum Hbf Potsdam durchgehenden Linie des Busses 638 sollte es nicht geben. Da Potsdam und der ViP aufgrund des Bevölkerungswachstums vor der großen Aufgabe stehen, das Schienen- und Nahverkehrsnetz entsprechend auszubauen, sollten Parallelverkehre und die damit entstehenden Kosten vermieden werden.
Der Umstieg vom Bus in die TRAM muss weiter optimiert werden z.B. durch eine Angleichung von Bus- und Straßenbahntakt.
Wie sollte es Ihrer Meinung nach mit dem Thema „freier Uferweg“ am Groß Glienicker See weitergehen? Braucht Potsdam eine/n Uferbeauftragte/n, um das Thema öffentliche Uferwege besser voranzubringen? Wofür werden Sie sich in Bezug auf den öffentlichen Uferweg am Groß Glienicker See gemäß Bebauungsplan einsetzen?
Trauth: Die öffentliche Nutzung von Uferwegen muss weiter verfolgt werden. Trotz vorhandener Bebauungspläne in Groß Glienicke und am Griebnitzsee in Babelsberg ist dies ein langwieriger Prozess, begleitet von Rechtsstreitigkeiten zwischen Eigentümern und der Stadt. Es ist bisher nur punktuell gelungen, über Mediation eine freiwillige Freigabe der Uferwege zu erreichen. Ein/e Uferbeauftragte/r ist nicht erforderlich, das Thema wird bei mir Chefinnensache. Das
ist eine elementare Voraussetzung, um das Ziel zu erreichen.
Die Prostitution am Groß Glienicker Ortseingang aus Richtung Seeburg ist ein dauerhaftes Ärgernis für den Ortsteil. Die Prostitution weitet sich inzwischen bis in das nähere Umfeld der umliegenden Kitas aus. Der Ortsbeirat hat – bisher vergeblich – die Verlegung des Ortseingangs bis zum Eingang Döberitzer Heide gefordert, um die städtischen Möglichkeiten zu verbessern, gegen die siedlungsnahe Prostitution vorzugehen. Was werden Sie unternehmen, um dieses Problem zu bekämpfen?
Trauth: Der Ortsbeirat Groß Glienicke und Bewohner kritisieren seit langem die Ausübung dieses Gewerbes entlang der L20, konzentriert am Ortsausgang nach Seeburg. Es hat sich inzwischen bis in die Nähe von Kitas ausgedehnt. Da das 2017 erlassene Prostituiertenschutzgesetz den Kommunen eine sichere Rechtsgrundlage gibt, um Kontrollen auszuführen, muss diese auch genutzt werden. Schutz- oder Sperrzonen in der Umgebung von Kitas, Schulen müssen eingerichtet werden. Die Idee des Ortsbeirates, den Ortseingang bis zum Anfang der Döberitzer Heide zu verlegen, ist zu prüfen.
Der Norden Potsdams benötigt dringend ein weiteres Sportzentrum, da es entweder keine innerörtliche Angebote gibt oder bestehende aufgrund von Anwohnerklagen für den Vereinssport nur noch eingeschränkt nutzbar sind. Möglich wäre eine solche Anlage am Ortsrand von Groß Glienicke. Der dafür notwendige B-Plan 19 ist seit Jahren in der Priorität 1, ohne dass es erkennbar vorangeht. Wie wollen Sie die Sportentwicklung in diesem Ortsrandgebiet
fördern?
Trauth: In Potsdam gibt es ein erhebliches Defizit an Sportflächen, sowohl an Freiflächen für den Vereins- und Breitensport als auch an Sporthallen. Hinzu kommt, dass bestehende Flächen nicht optimal genutzt werden können, weil sich Anwohnende über Lärm und Verkehr beschweren. Das Sportzentrum an der L 20 könnte sehr zur Entspannung der Situation beitragen.
Seit Jahren fordert der Ortsbeirat in Groß Glienicke, dass die B 2 in der Ortslage ausgebaut wird. Inzwischen ist die Ausbauplanung abgeschlossen, aber das Geld noch nicht im Investitionshaushalt eingeplant. Mit dem Bau von Krampnitz wird der Durchgangsverkehr auf der B 2 noch einmal zunehmen und damit auch die Dringlichkeit des B2-Ausbaus. Wie werden Sie sich dafür einsetzen, dass die beschlossenen Maßnahmen umgehend umgesetzt und die Gelder für den B 2-Ausbau in den nächsten Doppelhaushalt eingeplant werden?
Trauth: Ich werde die Investition spätestens im Doppelhaushalt 2020/21 einplanen. Eine Abstimmung mit Berlin ist notwendig (Kreisel Potsdamer Chaussee/Ritterfelddamm).
Dass Kitas und Schulen im Potsdamer Norden nicht ausreichend vorhanden sind und auch in den nächsten Jahren nicht ausreichend vorhanden sein werden – insbesondere weiterführende Schulen –, ist kein Geheimnis und für Betroene ein großes Ärgernis. Wie sehen Sie in diesem Zusammenhang die immer noch bestehende Regel, dass Schulen in erster Linie Schülerinnen und Schüler aus dem unmittelbaren Wohn- bzw. Einzugsgebiet aufnehmen müssen und Schülerinnen und Schüler aus Ortsteilen, in denen es keine weiterführenden Schulen gibt, auf Schulen verwiesen werden, die entweder noch weiter weg sind und/oder die der Schulempfehlung der jeweiligen Schülerinnen und Schüler nicht entsprechen?
Trauth: Im Schulgesetz ist zunächst und vor allem erst einmal Wahlfreiheit für Schüler und Eltern bei der Schulwahl verankert.
Diese Regeln wird das Land für uns nicht ändern. Damit dieser gesetzliche Auftrag erfüllt werden kann, braucht es ausreichend Plätze in allen Schulformen und für tatsächliche Wahlfreiheit eben auch einen Puffer, der eine Auswahl der Schule nach eigenen Wünschen ermöglicht.
Ich werde als Oberbürgermeisterin dafür Sorge tragen, dass dieser Puffer bei den jetzt schon geplanten Standorten und bei künftig noch neu zu planenden Schulen geschaffen wird. Mir ist vor allem wichtig, dass Kinder die Schule nach ihren individuellen Bildungszielen optimal auswählen können. Das ist für
mich Bildungsgerechtigkeit.
Wir bedanken uns bei Frau Trauth für die Beantwortung der Fragen.