Mike Schubert (SPD) über die Entwicklung des Potsdamer Nordens
Wir setzen unsere kleine Interview-Serie mit den Kandidaten für die kommende Oberbürgermeisterwahl fort. Diesmal spricht der POTSDAMER mit Mike Schubert, dem Kandidaten der SPD.
Wie beurteilen Sie die Verkehrsentwicklung im Norden Potsdams, und wie vermeiden Sie ein Verkehrschaos, wenn Krampnitz voll erschlossen und bezogen ist?
Schubert: Sowohl auf der B 273 als auch auf der B2 gibt es morgens wie abends Stau und Ausweichverkehre, die ich selbst in Golm noch spüre. Deshalb brauchen wir Verkehrsalternativen. Wir müssen die Ortsteilbahnhöfe mehr nutzen, etwa den Bahnhof Marquardt endgültig aus seinem Dornröschenschlaf wecken. Dazu gehören auch P+R Parkplätze und Kombitickets für Parken und ÖPNV an Knotenpunkten. Auch Rufbusse, kleinere Stadtteilbusse und Zubringer zu den Regionalbahnhöfen sollten als Alternativen mit einbezogen werden. Und wir müssen Schleichverkehr durch die Wohngebiete unattraktiv machen durch Beschilderung, Blitzerfallen, Verkehrslenkung. Es kann nicht sein, dass wir Großverkehre auf kleine Straßen holen. Für Krampnitz setzen wir zu Recht auf den Ausbau der Straßenbahnstrecke. Aber: Wenn bis 2026 eine Tram am ehemaligen Kasernengelände hält, ist das immer noch ein ambitioniertes Ziel. Bis dahin brauchen wir Zwischenlösungen. Solange das Trambett noch nicht gebaut wird, sollte die Spur für Busse genutzt werden.
Nördlich von Neu Fahrland gibt es großen Unmut, weil der 638er Bus nur noch bis zum Campus Jungfernsee fährt und dort zur Weiterfahrt in die City der Umstieg in die Tram nötig ist.
Sollte es Ihrer Meinung nach eine Rückkehr zum durchgehenden 638er geben, oder welche Verbesserungen sollten durchgesetzt werden, um die Situation für die ÖPNV-Nutzer zu verbessern?
Schubert: Investitionen in die Straßenbahn sind teuer, aber sinnvoll, weil sie eine Alternative zum reinen Straßenraum sind. Deshalb sind Parallelverkehre Schiene-Bus wirtschaftlich nicht sinnvoll, so hart das für die Groß-Glienicker klingt. Wichtig ist aber, dass das Umsteigen nicht unzumutbar ist, und da ist der Verkehrsbetrieb dran. Auch die Stadtverordneten haben noch einmal nachgesteuert: Die Direktanschlüsse sollen nicht nur im Fahrplan, sondern auf den Anzeigetafeln gekennzeichnet werden, die Busse sollen nicht mehr hinten stehen, sondern gleich bestiegen werden können, es soll Beleuchtung kommen, Kiosk und Toilette. Zu den Stoßzeiten, wenn die Schüler in die Schule fahren, fährt der Bus 638 auch durch: Früh dreimal, nachmittags einmal. Ich finde es schade, dass die Anfangssituation so geholpert hat. Das hätte besser laufen können. Denn gewohnte Situationen aufzugeben im ÖPNV ist für die Nutzerinnen und Nutzer nie schön. Zusätzlichen Ärger muss man da vermeiden.
Wie sollte es Ihrer Meinung nach mit dem Thema „freier Uferweg“ am Groß Glienicker See weitergehen? Braucht Potsdam eine/n Uferbeauftragte/n, um das Thema öffentliche Uferwege besser voranzubringen? Wofür werden Sie sich in Bezug auf den öffentlichen Uferweg am Groß Glienicker See gemäß Bebauungsplan einsetzen?
Schubert: Ein freier Uferweg in Groß Glienicke bleibt das Minimalziel, mindestens über Dienstbarkeiten im Grundbuch. Wenn das nicht gütlich geht, muss das juristische Mittel der Enteignungen genutzt werden. Das hat Potsdam gegenüber dem Innenministerium klar angezeigt, erste Entscheidungen sind getroffen. Der Gesprächsfaden zwischen Stadt und Eigentümern sollte aber nicht völlig abreißen, im Gegenteil. Spätestens für die Details bei der Realisierung müssen wir ins Gespräch kommen.
Nicht nur für Groß Glienicke, sondern grundsätzlich für Potsdam halte ich eine Uferbeauftragte für sinnvoll. Wir werden auch künftig immer wieder Interessenskonflikte um die freie Zugänglichkeit der Ufer haben. Deshalb halte ich es für richtig, eine zuständige Mitarbeiterin oder einen Mitarbeiter zu haben, die bei der Vermeidung von Eskalationen hilft und Lösungen auslotet.
Die Prostitution am Groß Glienicker Ortseingang aus Richtung Seeburg ist ein dauerhaftes Ärgernis für den Ortsteil. Die Prostitution weitet sich inzwischen bis in das nähere Umfeld der umliegenden Kitas aus. Der Ortsbeirat hat – bisher vergeblich – die Verlegung des Ortseingangs bis zum Eingang Döberitzer Heide gefordert, um die städtischen Möglichkeiten zu verbessern, gegen die siedlungsnahe Prostitution vorzugehen. Was werden Sie unternehmen, um dieses Problem zu bekämpfen?
Schubert: Ja, die Prostitution zwischen Seeburg und Groß Glienicke ist ein Ärgernis. Aber Prostitution ist in Deutschland nicht verboten. Die Bedingungen regelt das Prostitutionsschutzgesetz von 2017. Die Stadt hat dabei nur die Aufgabe der Kontrolle der gesundheitlichen und gewerblichen Rahmenbedingungen. Das erlaubt der Stadt aber nicht, in Groß Glienicke gegen die Straßenprostitution vorzugehen, wenn den gesetzlichen Vorgaben entsprochen wird. Die einzige Möglichkeit wäre die Einrichtung eines Sperrbezirks. Das obliegt dem Innenministerium, und die Stadt Potsdam hat das beantragt. Eine Entscheidung gibt es noch nicht. Ortseingänge können meines Erachtens nicht zweckgebunden verlegt werden, Gemarkungsgrenzen stehen fest. Ob es dort legale Spielräume gibt muss ich rechtlich prüfen lassen. Befürworten werde ich aber jede kleine Möglichkeit, die Situation für die Groß Glienicker zu verbessern. Denn dass es niemanden freut, wenn Prostitution vor den eigenen Gärten oder entlang des Schulweges angeboten wird, verstehe ich gut.
Der Norden Potsdams benötigt dringend ein weiteres Sportzentrum, da es entweder keine innerörtlichen Angebote gibt oder bestehende aufgrund von Anwohnerklagen für den Vereinssport nur noch eingeschränkt nutzbar sind. Möglich wäre eine solche Anlage am Ortsrand von Groß Glienicke. Der dafür notwendige B-Plan 19 ist seit Jahren in der Priorität 1, ohne dass es erkennbar vorangeht. Wie wollen Sie die Sportentwicklung in diesem Ortsrandgebiet fördern?
Schubert: Ich bin froh, dass jetzt zumindest erstmal fleißig am Bolzplatz am Ortsrand gearbeitet wird. Vielleicht wird er ja nicht erst zum Ende der Sommerferien fertig, sondern schon mittendrin. Das wäre ein Geschenk für die Ferienkinder, finde ich. Und Bolzplatz ist ein wenig tiefgestapelt. Es wird ein Mehrzweckspielfeld, auch für Basketball nutzbar, ein Spielplatz kommt dazu. Und ein hoher Ballfangzaun. Der verdeutlicht etwas, was traurig ist: Es gab keine andere Fläche als die an den beiden großen Straßen und am Ortsrand, wegen Lärm- und Anwohnerschutz. Das zeigt deutlich, dass wir bei allen Vorplanungen von Baugebieten genau solche Nutzungen mit festschreiben müssen, wie es im B-Plan 19 geschehen wird. Er steht in der Priorität eins, das heißt, seine Erarbeitung kommt. Das heißt aber nicht, dass dann sofort ein von der Stadt finanziertes neues Sportzentrum folgt, so ehrlich muss man sein. Potsdam setzt auf Mehrfachnutzungen von Schulsporteinrichtungen am Nachmittag, abends und am Wochenende durch Vereine. Neue Sportflächen darüber hinaus bauen wir auch, aber eben Schritt für Schritt nach unseren finanziellen Möglichkeiten.
Seit Jahren fordert der Ortsbeirat in Groß Glienicke, dass die B 2 in der Ortslage ausgebaut wird. Inzwischen ist die Ausbauplanung abgeschlossen, aber das Geld noch nicht im Investitionshaushalt eingeplant. Mit dem Bau von Krampnitz wird der Durchgangsverkehr auf der B 2 noch einmal zunehmen und damit auch die Dringlichkeit des B 2-Ausbaus. Wie werden Sie sich dafür einsetzen, dass die beschlossenen Maßnahmen umgehend umgesetzt und die Gelder für den B 2-Ausbau in den nächsten Doppelhaushalt eingeplant werden?
Schubert: Wenn der neue Stadtteil Krampnitz beginnt zu wachsen und die ersten Menschen dort einziehen rückt die Verkehrsorganisation auch nach Norden verstärkt in den Fokus, das ist richtig. Das ist der Weg nach Berlin hin und die Stadtgrenze, die zugleich ja die Landesgrenze ist, liegt auf der Strecke. Das heißt, Abstimmungen mit Berlin müssen erfolgen. Ich werde der Stadtverordnetenversammlung hier eine Prioritätensetzung vorschlagen, damit diese Vorbereitungen angegangen werden können.
Dass Kitas und Schulen im Potsdamer Norden nicht ausreichend vorhanden sind und auch in den nächsten Jahren nicht ausreichend vorhanden sein werden – insbesondere weiterführende Schulen –, ist kein Geheimnis und für Betroffene ein großes Ärgernis. Wie sehen Sie in diesem Zusammenhang die immer noch bestehende Regel, dass Schulen in erster Linie Schülerinnen und Schüler aus dem unmittelbaren Wohn- bzw. Einzugsgebiet aufnehmen müssen und Schülerinnen und Schüler aus Ortsteilen, in denen es keine weiterführenden Schulen gibt, auf Schulen verwiesen werden, die entweder noch weiter weg sind und/oder die der Schulempfehlung der jeweiligen Schülerinnen und Schüler nicht entsprechen?
Schubert: Für weiterführende Schulen gibt es keine Einzugsgebietsregel oder zumindest nicht in allen Schulzweigen. Für Gymnasien gilt das Leistungsprinzip, danach wählen sie ihre Schülerinnen und Schüler aus, unabhängig von der Wohnadresse. Auf jedes Gymnasium in der Stadt gehen viele Schülerinnen und Schüler nicht nur aus den nördlichen Ortsteilen, auch aus dem Umland. An Oberschulen gilt grundsätzlich die Aufnahme nach Wohnortnähe. An den Gesamtschulen werden 2/3 nach Wohnortnähe und 1/3 nach dem Leistungsprinzip aufgenommen. Das ist keine Potsdamer, sondern eine landesweite Regelung, die die Kommune nicht ändern kann. Um den Bedarf im Potsdamer Norden besser abfangen zu können, ist für das Schuljahr 2019/20 die Gründung einer neuen dreizügigen Gesamtschule vorerst in Containerlösung neben der da Vinci Schule geplant. Sie soll später in die Pappelallee an den geplanten neuen Gesamtschulstandort umziehen. Auch in Krampnitz ist in Zukunft nicht nur eine Grundschule, sondern ein Schulcampus denkbar. Das heißt, wir reagieren auf den großen Bedarf im Potsdamer Norden. Die Wunschschule wird es leider nicht immer; auch im Potsdamer Kernstadtgebiet pendeln die Schüler teils in weit entfernte Schulen.
Wir bedanken uns bei Herrn Schubert Schubert sucht das Gespräch, für die Beantwortung der Fragen.