In Deutschland werden täglich etliche Tonnen Lebensmittel vernichtet, obwohl sie noch verzehrfähig sind. Gleichzeitig herrscht bei vielen Menschen Mangel. Die gemeinnützigen Tafeln schaffen einen Ausgleich: Sie sammeln überschüssige, qualitativ einwandfreie Lebensmittel und verteilen diese an sozial und wirtschaftlich Benachteiligte.

Seit 25 Jahren ist auch die Tafel Potsdam im Einsatz – übrigens die einzige in der Landeshauptstadt. Und so ist sehr viel zu tun an der Drewitzer Straße 22A. Die Einrichtung versorgt derzeit rund 2.000 Menschen mit dem Nötigsten. Stemmen tun das derzeit rund 200 ehrenamtliche Helferinnen und Helfer – von Schülerpraktikanten bis zum 79-jährigen Rentner – und vier Hauptamtliche in der Verwaltung sowie vier Hauptamtliche im Fahrerteam. Doch die Räume sind schon längst zu klein, das Büro befindet sich mittlerweile in einem angrenzenden Container auf dem Hinterhof. Rainer Fiedler parkt den Lieferwagen hinter dem Haus, und andere Freiwillige warten schon darauf, die eingesammelten Lebensmittel auszuladen. „Wie man sieht, ziehen alle Helfer an einem Strang und sind ein eingespieltes Team“, sagt Ausgabestellen-Leiter Robert Hedram. Und wirklich, alles läuft wie am Schnürchen. So stehen im Innern des Gebäudes schon Gisela Bohmeier und Annette Mährer bereit, um die Waren zu sortieren und für die Ausgabe bereitzulegen. „Die Kunden können kommen,“ sagt Bohmeier, die im sechsten Jahr bei der Tafel Potsdam ehrenamtlich tätig ist. „Alles ist soweit fertig“, fügt die seit 2019 helfende Annette Mäcker hinzu. Die beiden Helferinnen haben ihre gute Laune nicht verloren, obwohl die Situation nicht einfach ist. Imke Georgiew, seit zehn Jahren Geschäftsführerin der Tafel Potsdam, erklärt: „Wir haben schon die dritte Krise in Folge erlebt. Erst kam der Krieg in Syrien mit vielen Geflüchteten, dann Corona und nun der Ukrainekrieg.“ Zurzeit gäbe es eine ähnliche Situation wie in der Flüchtlingskrise 2014/15. Doch sei die Not viel größer und alles noch schlimmer geworden. Alle kommen an ihre Grenzen: „Wir sind nicht nur für die Stadt Potsdam, sondern auch für das gesamte Umland zuständig. Unser Einzugsgebiet reicht auf der einen Seite bis nach Kleinmachnow, Stahnsdorf und Teltow und auf der anderen Seite bis nach Werder“, sagt Georgiew.

In den Regionen, wo Lebensmittelspenden abgeholt werden, werden auch Lebensmittelspenden an die Bedürftigen ausgegeben: „Wir holen an sechs Tagen in der Woche mit mehr als 70 Supermarkt-Anfahrten pro Tag die Lebensmittel ab, darüber hinaus werden auch direkt verschiedene Produzenten und Lieferdienste angefahren – und so kommen wir pro Monat auf über 100 Tonnen Lebensmittel“, erklärt die 56-Jährige. Die Ausgabe der Lebensmittel erfolgt an sechs Tagen pro Woche in der Zentrale an der Drewitzer Straße, zweimal pro Woche in Werder, einmal pro Woche in Teltow und zusätzlich an den Dienstagen im Schlaatz in Potsdam und donnerstags bei der Volkssolidarität in der Seniorenbegegnungsstätte.

Alle Kunden müssen sich zuerst anmelden, und ihre Bedürftigkeit wird geprüft, bevor sie Lebensmittel abholen dürfen. „Aktuell haben wir rund 2.000 Menschen pro Woche, denen wir helfen. Allerdings haben wir seit fast zwei Jahren einen Aufnahmestopp, den wir über kurze Zeit immer wieder lockern, um einen kleinen Stamm neuer Kunden aufzunehmen“, sagt sie. „Aber wir können nicht mehr jeden, der zu uns kommt, sofort aufnehmen. Das war vor Ausbruch des Ukrainekriegs noch anders.“ So ist die Situation schwierig – nicht nur aufgrund der Anzahl der bedürftigen Menschen, sondern auch aufgrund der Platznot auf dem Gelände. Und so ist der Wunsch groß, schnellstmöglich einen neuen Standort zu finden. Doch das gestaltet sich schwieriger als erwartet. Die Stadt plante an der Saarmunder Straße 46 – wo sich ein Geschäftshaus mit Apotheke befindet – in der Waldstadt II einen Sonderbau der Pro Potsdam mit vier Geschossen. Dabei sollte der Tafel das gesamte Erdgeschoss zur Verfügung stehen und könnte sich so von 250 auf 450 Quadratmeter Fläche vergrößern. Darüber sollten 21 kleine Sozialwohnungen für Mütter mit Kindern aus dem Frauenhaus und für Menschen mit psychischen Erkrankungen entstehen. Der Einzug war bereits für 2025 anvisiert. Doch diese Pläne stießen auf große Ablehnung in der Bevölkerung. „Bei einer Anwohner-Informationsveranstaltung mit den Nachbarn bemerkte man schon die negative Stimmung, und bei einer zweiten großen Veranstaltung, organisiert von der Stadtverwaltung und Pro Potsdam am 19. Oktober 2023 in der Jagenstein-Sporthalle, sagten die mehr als 400 anwesenden Bürgerinnen und Bürger ganz klar, dass man die Tafel dort nicht will“, erinnert sie sich. Die Vorurteile gegenüber den Bedürftigen seien groß. Ein extrem negatives Bild mit Statements wie „zur Tafel geht der Abschaum der Gesellschaft“ oder „die lungern da von morgens um 7 bis abends um 7 rum und vermüllen die Gegend“ bis hin zu „die packen die Lebensmittelspenden in ihre dicken Autos und fahren damit nach Hause“, wurde auf der Veranstaltung gezeichnet. „Ich wurde ausgelacht, als ich versucht habe, die Vorurteile zu entkräften – beispielsweise, dass es nicht die Autos der Kunden sind, die in der Einfahrt stehen, sondern die der freiwilligen Helfer“, erinnert sie sich.

Anwohner der Saarmunder Straße 50 bis 56 haben nun auch eine Bürgerinitiative gegründet. Ihre Kritik: Das Grundstück sei ihrer Ansicht nach zu eng und berge vor allem soziale Konflikte. Sie wollen bei den Plänen mitreden und beteiligt werden. Mittlerweile sind die Pläne verändert worden. So sieht das Sonderbauprogramm nach wie vor die Sozialwohnungen für Mütter mit Kindern aus dem Frauenhaus sowie für Menschen mit psychischen Erkrankungen vor – aber ohne die Tafel im Erdgeschoss. „Die Saarmunder Straße ist nun für uns vom Tisch“, sagt Geschäftsführerin Georgiew. „Wir hätten daran festgehalten, aber der Oberbürgermeister ist aufgrund des extremen Gegenwindes der Bürger eingeknickt.“

Doch nach wie vor habe die Stadt Interesse, die Tafel Potsdam unterzubringen. Eine Möglichkeit wäre, den Standort an der Drewitzer Straße auszubauen. „Doch das würde zwischen fünf und zehn Jahre dauern“, ist sich Georgiew sicher. Eine andere Option wäre ein leerstehendes Gewerbeobjekt in der Babelsberger Gartenstraße mit einer Fläche von rund 700 Quadratmetern. „Das wäre eine denkbare Alternative für uns. Allerdings müsste auch dort die Stadt entscheiden, die Kosten zu tragen“, fügt sie hinzu. Wichtig sei, dass etwas passiert, denn die Ehrenamtlichen, die Woche für Wiche ihre Zeit opfern, brauchen gute Rahmenbedingungen. „Ohne diese und eine besondere Wertschätzung sind sie irgendwann weg.“

www.potsdamer-tafel.de