Wie stark wird die neue Partei dieBasis in Potsdam?
Seit der Nachkriegszeit gab es wohl keine Phase mehr, die die Menschen derart herausgefordert hat wie zu Zeiten der Corona-Pandemie in den letzten knapp anderthalb Jahren. Obwohl man schon zu Beginn der ersten Corona-Fälle in China von Regierungsseite zu hören bekam, dass man sehr gut auf alle Eventualitäten vorbereitet sei, zeigte sich in den darauf folgenden Monaten, dass die Selbsteinschätzung wohl eher eine Überschätzung war. Es folgte ein nicht immer logisches und von vielen Menschen nicht nachvollziehbares Maßnahmenkarussell, das anstatt für Sicherheit vielerorts für Verunsicherung sorgte und dabei viele Menschenleben kostete.
Während sich wenige regierungsnahe Experten einem Talkshow-Marathon unterzogen, wurden viele andere Experten gar nicht erst gehört. Manche von ihnen sogar diffamiert und mit dem Stempel Corona-Leugner, Querdenker, Wutbürger oder Schlimmerem versehen. In dieser Zeit entwickelten sich unterschiedliche Bewegungen und erstarkte die schon seit Jahren zu beobachtende Politikverdrossenheit.
Nicht aus Trotz, sondern aus Überzeugung gegründet
Aus einer dieser Bewegungen heraus entwickelte sich eine neue Partei, deren Zulauf in den letzten Monaten einer Epidemie gleicht – um im Corona-Bild zu bleiben. Die Partei wurde im Juli 2020 gegründet und nennt sich „Basisdemokratische Partei Deutschland“, kurz: dieBasis. Waren es zu Beginn nur wenige Hundert, die sich zögerlich der Partei anschlossen, strömen mittlerweile neue Mitglieder zu Tausenden in dieBasis, um diese mit ihrer Mitgliedschaft tatkräftig zu unterstützen.
In vielen Medien wird dieBasis als „Querdenker-Partei“ beschrieben, weil sich in ihr viele derjenigen wiederfinden, die laut und öffentlich eine Meinung vertreten, die sich von der der Regierung und des allgemeinen Medienbildes teilweise oder sehr deutlich unterscheidet. Unter ihnen finden sich renommierte Wissenschaftler, Ärzte, Juristen und viele andere.
Der POTSDAMER wollte es wissen was und wer hinter der Basis steckt und unterhielt sich mit Frank Roedel (58), dem Gründungsratsvorsitzenden der Basisdemokratischen Partei Deutschland, und Kay Behling (55), dem Vorsitzenden des Kreisverbands Potsdam.
Aus welchem Grund haben Sie dieBasis gegründet? Und wie hat es dieBasis geschafft, dass sie binnen weniger Monate eine deutschlandweite Präsenz erreichte?
„Grundlage für den Erfolg der Basis ist sicherlich die breite Unzufriedenheit in der Bevölkerung, die eine Reaktion auf die konzeptlosen, unlogischen und unwissenschaftlichen Maßnahmen der Regierung, die an den Erwartungen und Meinungen vieler Experten und der Menschen vorbeientschieden wurden.
Bei der Gründung stand der Gedanke im Vordergrund, mehr direkte Demokratie und letztendlich eine basisdemokratische Politik zu etablieren. Das Vorgehen der Regierung mit der beginnenden Coronakrise hat uns deutlich vor Augen geführt, wie Entscheidungen getroffen und das Grundgesetz in weiten Teilen außer Kraft gesetzt wurde. Statt Beschlüsse innerhalb des Parlamentes zu fassen, hat man Maßnahmen in der Runde der Ministerpräsidenten bestimmt, vorbei an allen bestehenden demokratischen Gepflogenheiten. Das ist ein Armutszeugnis für unsere parlamentarische Demokratie und entspricht in keiner Weise unserem Demokratieverständnis“, so Roedel. „Wenn im Grundgesetz steht ,alle Staatsgewalt geht vom Volke aus‘, warum wird es dann nicht viel mehr in die Entscheidungsprozesse eingebunden? Das betrifft allerdings nicht nur die Coronakrise, sondern dies ist ein Grundproblem in unserem Land.
Im April 2020 wurde von Dr. Bodo Schiffmann die Partei ,Widerstand2020′ ins Leben gerufen. Grund dieser Parteigründung war die allgemeine Unzufriedenheit vieler, wie mit dem Thema Corona umgegangen wurde. Man erlebte ein katastrophales Pandemiemanagement, bei dem nicht nur durch die Aneinanderreihung von Fehlentscheidungen der Regierung viele Menschen starben, sondern die Langzeitfolgen noch lange nicht abzusehen sind. Ein wesentlicher Kritikpunkt dabei ist, dass die Regierung sich nur auf Aussagen von einzelnen Wissenschaftlern und Ärzten beruft, die aus regierungsnahen Institutionen wie dem Robert-Koch-Institut oder der Leopoldina kommen. Viele andere hervorragende Ärzte sowie Epidemiologen und Virologen, deren Fachkompetenz international anerkannt ist, wurden bewusst ignoriert und teilweise sogar medial diffamiert.
Die Gründer der Partei ,Widerstand2020′ separierten sich innerhalb kürzester Zeit. Bodo Schiffmann gründete bald danach die Partei ,wir2020′, die sich aber seit ihrer Gründung mit internen Streitereien beschäftigt und sich daher nicht gut entwickeln konnte.
Die Idee und Notwendigkeit einer neuen Parteigründung blieb aber bestehen und so entwarfen insgesamt 45 Personen binnen weniger Wochen eine neue Satzung und gründeten am 04. Juli 2020 die Basisdemokratische Partei Deutschland. Diese 45 Menschen waren die Sprecher von Aktionsgruppen aus zehn Bundesländern. Dieser Umstand erklärt, warum die Basis so gut starten konnte, denn wir waren von Beginn an überregional aufgestellt“, erklärt der Münchner Unternehmer Roedel den schnellen deutschlandweiten Erfolg der Partei.
Mehr Frauen als in anderen Parteien
Aktuell hat dieBasis laut Angaben von Roedel knapp 20.000 Mitglieder – und die Zahlen steigen rasant. Dabei stellen die Mitglieder einen Querschnitt der Bevölkerung dar. Sogar der Anteil der weiblichen Mitglieder ist mit ca. 50 Prozent der höchste aller politischen Parteien. Unter den Mitgliedern finden sich viele Juristen, Professoren, Mediziner, Wissenschaftler aus unterschiedlichsten Disziplinen, Handwerker, Angestellte, Arbeiter, Pflegekräfte und auch Hausfrauen und Hausmänner sowie viele andere wieder. Die bunte Zusammensetzung der Partei zeigt sich auch darin, dass enttäuschte Mitglieder anderer Parteien glauben, in der Basis ein neues politisches Zuhause zu finden. „Wir haben in den letzten Monaten viele Mitglieder aufgenommen, die von den Grünen, den Linken, den Unionsparteien sowie der AfD und der SPD zu uns gekommen sind“, sagt Roedel und ergänzt: „Es sind immer Phasen des gesellschaftlichen Umbruchs oder der Krisen, die neue Ideen und Parteien entstehen lassen. So ist auch die AfD damals im Rahmen der Einführung des Euros entstanden.“
Nach eigenen Aussagen hat dieBasis in allen Wahlkreisen Deutschlands Bundestagskandidaten aufstellen können. Außer in der Prignitz seien auch flächendeckend Kreisverbände gegründet worden. „In und um Potsdam besteht sogar die Absicht, Ortsvereine oder Ortsgruppen zu gründen, weil der Mitgliederzuwachs so hoch ist“, sagt Behling stolz.
Man nimmt in Bezug auf das Corona-Thema deutlich wahr, dass Deutschland nicht in zwei Klassen, sondern in zwei Meinungen geteilt ist. Diejenigen, die die Regierungspolitik befürworten und sich auf die Impfung freuen und die anderen. Ist dieBasis ein Sammelbecken für Corona-Leugner, Querdenker sowie für Rechts- und Linksextremisten?
„Nein. Ganz im Gegenteil. Wir leugnen Corona als Atemwegserkrankung und möglicherweise auch als Gefäßerkrankung nicht, deren Verlauf unterschiedlich stark sein und je nach Vorerkrankung sogar zum Tode führen kann. Wir kritisieren lediglich die Maßnahmen der Regierung, die – und ich wiederhole mich hier noch einmal – konzeptlos, unlogisch, unwissenschaftlich und undemokratisch waren und sind sowie die Würde des Menschen missachten.
Viele Experten weisen darauf hin, dass die vielen Todesfälle nicht allein auf eine Corona-Erkrankung zurückzuführen sind, sondern mehrere Gründe haben. Daher ist es verwunderlich, dass die Politik schon zu Beginn der Pandemie dafür sorgte, dass Corona-Tote obduzieren wurden und so ein eindeutiger Nachweis der Todesursache nicht festgestellt werden konnte. Auf diese Weise wurden zig Tausende Tote, die innerhalb eines Corona-Themenfeldes verstorben sind, als ,an oder mit Corona Verstorbene‘ bezeichnet. Diese ungenaue Zusammenführung lies die Relation, der tatsächlich an Corona Verstorbenen nicht erkennen. Ebenso werden Sachverhalte von der Politik und der Politik nahestehenden Medien nicht ausreichend transparent oder gar falsch dargestellt. Ein weiterer Punkt, den wir kritisieren, sind die mit der Bekämpfung der Pandemie einhergehenden Maßnahmen.
Die aktuelle Situation zeigt deutlich, wie unvorbereitet und schlecht beraten die Landesregierungen und die Bundesregierung sind, um das gesellschaftliche Leben am Laufen zu halten. Waren es erst die Älteren, die geschützt werden sollten und nicht geschützt wurden, die vielen Unternehmen und Arbeitsplätze, die gerettet werden sollten und doch nicht gerettet wurden oder die Hunderttausende Schülerinnen und Schüler, die ein Recht auf Schule haben und seit über einem Jahr keinen ordentlichen Unterricht erhalten, nichts ist so gelaufen, wie man es versprochen hatte, – von einer völlig unorganisierten und dilettantisch durchgeführten Impfstrategie einmal abgesehen“, macht Roedel deutlich. „Dabei steht die Partei dieBasis für die freie Impfentscheidung. Jedem sollte freigestellt sein, ob er den Schutz einer Impfung, welche lediglich eine Notfallzulassung erhalten hat, höher einschätzt, als das Risiko, ernsthaft an Corona zu erkranken.“ Gerade bei jungen Menschen und Menschen mittleren Alters sei laut Roedel diese Risikoanalyse besonders wichtig.
Wofür steht dieBasis? Inwiefern unterscheidet sich dieBasis in ihrer Programmatik von anderen Parteien?
„Ziel unserer Partei ist es, den Bürgerinnen und Bürgern Gehör zu verschaffen, sie zu ermuntern in die politische Eigenverantwortung zu gehen und die Freiheits- und Grundrechte zu sichern“ sagt Roedel.
Ein wesentlicher Unterschied zwischen der dieBasis und anderen Parteien ist das Verständnis von innerparteilicher und nach außen gelebter Demokratie. Während andere Parteien innerhalb ihrer eigenen vier Wände bzw. innerhalb ihrer Fraktionen Entscheidungen treffen, ist es für dieBasis wichtig, nicht nur allen Mitgliedern die Mitsprache zu ermöglichen, sondern darüber hinaus allen Menschen die Möglichkeit anzubieten, sich zu den verschiedenen Themen zu äußern. „Für uns ist es wichtig, dass alle Bürgerinnen und Bürger gehört werden. Deshalb bieten wir ihnen an, ihrer Stimme wieder Gewicht zu geben, ihre Meinung laut sagen zu dürfen und Teil einer Politik zu sein, die sie mitbestimmen, statt von ihr bestimmt zu werden. Das verstehen wir unter echter und gelebter Basisdemokratie“, ergänzt Behling.
„In sehr vielen Bereichen haben wir uns weiterentwickelt. In der Technologie, den Wissenschaften, nur in der Politik ist alles noch so, wie es vor 70 Jahren war. Auch unser Bildungssystem muss neu aufgestellt werden. Es geht darum die Schüler nach ihren Fähigkeiten zu fördern und nicht einen Frontalunterricht von „der Stange“ anzubieten. Für bessere Bildungsangebote gibt es schon gute Beispiele und die wissenschaftliche Erkenntnis ist hier schon viel weiter als die Praxis“, so Roedel.
„dieBasis tritt für einen umfassenden Umweltschutz ein, sie sieht das Gesundheitssystem als dringend veränderungswürdig an und steht für eine breiter aufgestellte soziale Gerechtigkeit. Es geht darum, die Gesellschaft als Ganzes für den bevorstehenden Wandel politisch zu begleiten und der Bevölkerung die Möglichkeit zu geben, diesen selbst zu gestalten. Nicht „Great Reset“ ist unser Motto, sondern „The Great We Set“, beschreibt Roedel die Position der Partei.
Mehr Basisdemokratie und soziale Gerechtigkeit, wollen das nicht auch die anderen Parteien?
„Diese Frage sollte an die übrigen Parteien gestellt werden, warum sie nicht entsprechend handeln? Regelmäßig werden in den Parlamenten der Bundes-, Landes- und Kommunalpolitik Entscheidungen an den Bürgern vorbei beschlossen. Warum werden diese nicht im Vorfeld gefragt? Warum werden die vielen Stimmen aus der Bevölkerung nicht entsprechend berücksichtigt? Nach jeder Wahl hört man von den Politikern, dass die eigenen Ergebnisse nicht wie erwartet erreicht wurden, weil es schon wieder mehr „Protestwähler“ gab. Man habe nun verstanden und würde den Weg der Erneuerung gehen. Doch schon wenige Tage nach der Wahl geht man zum alten Handeln über und vergisst diejenigen, für die man eigentlich Politik machen sollte“, kritisiert Roedel das Vorgehen vieler Parteien. „Die Bürgerinnen und Bürger sind für die meisten Parteien nur am Tag der Wahl wirklich wichtig. Danach konzentrieren sich die Politiker wieder ganz auf sich selbst“, beschreibt Behling das Grundgefühl derer, die in den Politikern keine wirklichen Volksvertreter sehen.
Mehr Eigenverantwortung zulassen
Laut Roedel setzt sich dieBasis „auch dafür ein, den Bürgerinnen und Bürgern wieder mehr Eigenverantwortung zuzusprechen“, was sich unter anderem im Umgang mit der aktuell diskutierten Impfpflicht zeigt. „Jeder Mensch hat das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit und darauf, über diese eigenverantwortlich zu entscheiden. Wenn sich jemand nicht impfen lassen möchte, darf das keine Restriktionen, wie Einschränkungen am sozialen und kulturellen Leben, der Teilhabe an Bildung sowie in der Reisefreiheit oder der Wahl der Verkehrsmittel zur Folge haben. Ein Grundrecht bedeutet eben gerade nicht, dass es durch konditioniertes Wohlverhalten „erkauft“ werden muss, sondern ein Grundrecht hat gerade deswegen diese Bezeichnung erhalten, weil es ein unveräußerliches Recht darstellt“, so Roedel. „Wir schaffen eine Situation, in denen sich Menschen impfen lassen, weil sie nicht Angst vor dem Virus haben, sondern davor, nicht mehr am sozialen Leben teilhaben zu können“, nimmt Behling die aktuelle Situation wahr.
Frieden schaffen, ohne Waffen
Ebenso versteht sich dieBasis als konsequente Friedenspartei. „Wir lehnen grundsätzlich militärische Einsätze zur Konfliktlösung ab, ebenso wie deutsche Rüstungsexporte in besonders gefährdete Krisengebiete“, sagt Roedel bestimmt. „Die Erfahrungen aus 20 Jahren Bundeswehr am Hindukusch haben gezeigt, dass mit militärischen Mitteln keine Befriedung der Konflikte erreicht, sondern diese am Leben erhalten wurden.“
Behling ist der Meinung, dass ein pazifistisches Vorleben mehr Nachahmer finden würde als eine militärische Einmischung in ausländische Konflikte. „Wenn andere Länder sehen, wie erfolgreich man Friedenspolitik machen kann, ohne Kampftruppen zu entsenden und Menschenleben aufs Spiel zu setzen, wäre das ein Beispiel, dem andere Länder folgen würden. Zudem wäre eine vermittelnde Rolle Deutschlands in Krisengebieten so wesentlich glaubhafter“, ist Behling überzeugt.
Säulen und Säulenbeauftragte
DieBasis stützt ihr Selbstverständnis und ihre Arbeit nach Außen und Innen auf vier Säulen: Freiheit, Machtbegrenzung, Achtsamkeit und Schwarmintelligenz. „Diese vier Säulen sind unser tägliches Werkzeug, an denen sich unsere Arbeit ausrichtet. Ich erkläre das gerne am Beispiel der Corona-Politik. Die Säule der Freiheit weist auf unser wichtigstes Grundrecht hin, die Freiheit des Menschen. Aus diesem Grund müssen alle Maßnahmen diese Grundrechte in entsprechender und notwendiger Weise berücksichtigen. Freiheit heißt aber nicht nur sich frei entfalten zu dürfen, sondern auch andere in ihrer Freiheit nicht zu beschneiden. Und dazu zählen auch die Meinungsfreiheit, die Reisefreiheit und die Freiheit, Entscheidungen für sich selbst treffen zu dürfen“, erklärt Roedel die Bedeutung der Säulen.
„Die Machtbegrenzung ist auch sehr wichtig. Dies beginnt bereits bei uns innerhalb der Partei. Wir wollen nicht, dass Mandatsträger auch gleichzeitig Vorstandspositionen innerhalb der Partei inne haben. Nach Außen ist diese fragwürdige Ministerpräsidentenrunde ein gutes Beispiel fehlender Machtbegrenzung. Auf dünnster gesetzlicher Grundlage haben sie Verordnungen am Fließband erlassen. dieBasis setzt sich zudem für eine Begrenzung der Amtsdauer von führenden Politikern ein. 16 Jahre Frau Merkel zeigen deutlich, dass ein früherer Wechsel dem Land gut getan hätte.
Die Säule der Achtsamkeit beschreibt den respektvollen Umgang auf allen erdenklichen Ebenen. Wir müssen dafür sorgen, dass wir wieder eine Gesellschaft werden, die einen achtsamen Umgang miteinander pflegt. Wie gehen wir mit uns und anderen um? Vor allem in der Kommunikation und der Argumentation ist der respektvolle Umgang ein wesentliches Merkmal unseres Verständnisses. Der respektvolle und bewusste Umgang mit der Natur und ihren Ressourcen gehört ebenso dazu.
Die Schwarmintelligenz ist ein Mittel, das wir in unserer politischen Arbeit nutzen. Dahinter steht die Absicht, die existierenden Erkenntnisse vieler in einen Entscheidungsprozess einfließen zu lassen. Wir wissen, dass Entscheidungen, die von wenigen getroffen werden immer schlechter sind als Entscheidungen, die von vielen getroffen werden. Je mehr Aspekte, Expertisen und Erfahrungen in eine Entscheidung einfließen, desto nachhaltiger ist sie, weil sie von vielen verstanden und getragen wird.
Wir dürfen Entscheidungen nicht nur aus einer Perspektive heraus fällen, sondern müssen die komplexen Auswirkungen in viele andere Bereiche der Gesellschaft und sogar in andere Länder berücksichtigen.
Um stets im Auge zu behalten, dass wir jederzeit unsere Arbeit und unser Selbstverständnis an diesen vier Säulen ausrichten, haben wir sogenannte Säulenbeauftragte berufen. Sie überprüfen, ob unsere Inhalte und Maßstäbe nach innen und außen eingehalten werden.
Da wir überzeugt sind, dass es eine Art Neustart geben wird, wollen wir uns diesen Neustart nicht überstülpen lassen, sondern aktiv von unten mitgestalten. Hier wirkt dann wieder die Schwarmintelligenz. Nicht einige wenige sollen den Veränderungsprozess in der Gesellschaft bestimmen, sondern viele. Das ist es, was Basisdemokratie ausmacht“, meint Roedel.
„Wir empfinden die gesamte Gesellschaft als Basis“, sagt Behling und meint, dass Expertengremien Sachverhalte so aufbereiten sollten, dass es für die Bürger verständlich wird und sie sich dazu eine Meinung bilden können. So könne man die Bevölkerung sowohl an umweltpolitischen Fragen beteiligen als auch an der Frage, ob wir in Zukunft nicht doch weiterhin Bargeld verwenden wollen, nennt Roedel Anwendungsbeispiele.
Systemisches Konsensieren – Quatsch oder Chance?
Die Basisdemokratische Partei Deutschland möchte sich als eine Partei verstanden wissen, die die Bürger aktiv an Entscheidungsprozessen beteiligt. Trotzdem gibt es in der Parteienarbeit und den politischen Strukturen vorgegebene Prozesse, die eine parallel stattfindende „Volksabstimmung“ nicht möglich machen. So sind zum Beispiel Wahlen nicht über das Konsensieren möglich, weil der Gesetzgeber den Entscheid nach dem Mehrheitsprinzip verlangt. Auch parlamentarische Beschlüsse werden nachdem Mehrheitsprinzip gefasst.
DieBasis ist allerdings der Meinung, dass bereits im Vorfeld von politischen Entscheidungsfindungen Stimmungsbilder in der Bevölkerung eingeholt werden sollten, um im Moment der Beschlussfassung diese Stimmung zu berücksichtigen.
dieBasis verwendet innerparteilich das systemische Konsensieren für die Findung von Entscheidungen. Es wird also der höchsterreichbare Konsens zu einem bestimmten Thema gesucht und gefunden.
Kritiker sehen in dieser basisdemokratischen Idee der Konsenserarbeitung einen enormen administrativen Aufwand, zu lange Entscheidungsprozesse, nie endende Diskussionen und zu hohe Kosten. Wie ist Ihre Erfahrung damit?
„Wir praktizieren schon von Beginn an das Prinzip des systemischen Konsensierens. Mit diesem haben alle Mitglieder die Möglichkeit, mittels eines online verfügbaren Tools, sich zu bestimmten Themen zu äußern und ihre Position mittels eines Zustimmungswertes abzubilden, der von Null bis Zehn geht. Die Zustimmung zu einem Thema zeigen die Werte von Null bis Vier, ab dem Wert Fünf beginnt die Ablehnung zu einer von einer Arbeitsgruppe vorgestellten Lösung bis hin zu einer völligen Ablehnung mit dem Wert Zehn.
dieBasis wird darüber hinaus die Entwicklung einer App fördern, mit der wir Stimmungsbilder zunächst innerhalb der Partei, aber bald auch deutschlandweit innerhalb der Bevölkerung abbilden können. So kann man basisdemokratische Arbeit im 21. Jahrhundert machen, die schnell und kostengünstig funktioniert und nicht an der Bevölkerung vorbei entscheidet“, erklären Roedel und Behling ihr Verständnis von basisdemokratischer Arbeit. Diese funktioniere vor allem in Krisenzeiten hervorragend und würde auch die Lobbyarbeit vieler Politiker verhindern, so Behling.
„Die Basisdemokratie ist keine utopische Idee, sondern eine aus der Geschichte herausgewachsene Notwendigkeit, die unsere Gesellschaft weiterbringen wird“, ist Roedel überzeugt.
Nicht meckern, sondern machen
Kay Behling (55) ist Informatiker und Vorstandsvorsitzender des im März dieses Jahres gegründeten Potsdamer Kreisverbands. Er sieht sich jedoch selbst nicht als Entscheidungsträger, sondern mehr als Bindeglied zwischen Mitgliedern und den weiteren Ebenen der Partei, „wobei die eigentliche Arbeit an der Basis stattfindet“, betont er.
Der politisch interessierte Behling begann schon im Frühjahr 2020 zu den kommunizierten Corona-Nachrichten zu recherchieren und stieß in diesem Zusammenhang auf viele Widersprüche und traf auf ebenso viele aus seiner Sicht unbegründete Vorurteile. „Es gab ganz schnell nur noch Schwarz und Weiß. Wer nicht dafür ist, ist dagegen. Durch dieses Schubladendenken und -handeln wurden viele fragende, kritisierende aber auch lösungsorientierte Stimmen nicht gehört“, beschreibt er seine Wahrnehmung. „Die Corona-Krise zeigte überdeutlich, wie wir verlernt hatten, Demokratie zu leben“. Aus dieser Ohnmacht heraus beschloss Behling sich aktiv für mehr basisdemokratisches Handeln einzusetzen. DieBasis bot ihm hier die Rahmenbedingungen, in denen er seine Ansichten am stärksten berücksichtigt sieht.
„Ich hoffe, dass die Menschen am Wahltag daran denken, wie sie in der Pandemie behandelt wurden und wer die wirtschaftlichen Folgen zu tragen hat.“ Damit möchte Behling darauf hinweisen, dass die Bürger unzureichend über die wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Corona-Maßnahmen im Vorfeld aufgeklärt wurden. In der Basis sieht Behling die erste wirkliche Volkspartei, in der sich liberale, linke, grüne, soziale, konservative und viele andere Gedanken wiederfinden. „Wir dulden nur keine rechtswidrigen und das Grundgesetz verletzende Äußerungen“, betont Behling.
Er suche lieber nach dem Miteinander und den Schnittstellen und weniger nach den Unterschieden und Konflikten. Auch verfolge er den Ansatz, nicht nach Schuldigen, sondern nach Lösungen zu suchen. Man sollte mit allen Menschen reden dürfen, so Behling, der es ebenso vermeidet, nach politischen Feindbildern Ausschau zu halten. „Nur meckern hilft nicht, sondern machen!“, appelliert Behling an alle. „Wir müssen die Demokratie wieder zu dem machen, was sie in ihrer Grundidee ist: die den Bürgern gegebene Macht, mitzubestimmen. Es muss ein Ende haben, dass wenige über alle bestimmen!“
Auch in Potsdam könne man die Bürger mehr in Entscheidungsprozesse einbinden, findet Behling. Das Projekt der „Bürgerbeteiligung via Bürgerhaushalt“ sei „ja ganz schön“, aber zu sehr eingeschränkt und vorgegeben. Behling sieht auch deutliche Defizite in der Entwicklung der Verkehrspolitik und ist Befürworter einer autofreien Innenstadt. Großen Handlungsbedarf sieht er bei der Verödung der Innenstädte, weil er befürchtet, dass „viele kleinere Einzelhändler die Corona-Zeit nicht überleben werden“. Es gäbe viele Bereiche, in denen die Politik gut daran täte, die Bürger mehr mit einzubeziehen, meint Behling.
An eine alleinige Regierung ist auch für dieBasis nicht zu denken. Mit wem würde sie derzeit am ehesten koalieren?
„Eine Koalition ist grundsätzlich mit allen Parteien möglich, die bereit sind, nicht mehr in dem Schubladendenken zu agieren, sondern sich an Sachfragen zu orientieren. Wir finden, dass interessante Ideen aus allen Lagern aufgenommen werden sollten und nicht per se abgelehnt werden, weil sie von einer unbeliebten Partei kommen“, fast Roedel die Koalitionsbereitschaft der Basis zusammen. Etwas konkreter wird Behling: „Wir wissen um die Existenz vieler gemeinsamer Vorstellungen. Eine Koalition kann sowohl mit den Linken, der SPD und den Grünen aufgrund vorhandener Schnittmengen denkbar sein. Aber auch mit der FDP, der AfD und der CDU kann man sicherlich in vielen Fragen konstruktiv zusammenarbeiten. Wir beobachten heute viel zu sehr das Blockieren vieler guter Ideen, nur weil sie aus einem anderen politischen Lager kommen. So ein Verhalten geht am Volk vorbei. So kann man auf lange Sicht nicht erfolgreich Politik machen“, ist Behling der Meinung.
Woher glauben Sie, kommt der große Zuspruch, den dieBasis aktuell erfährt?
„Der große Zuspruch basiert auf der breiten Unzufriedenheit innerhalb der Bevölkerung“, meint Roedel. „Die meisten Menschen fühlen sich nicht verstanden, nicht berücksichtigt, nicht informiert, nicht mitgenommen. Wen verwundert es da, dass man sich den Verantwortlichen gegenüber abwendet?“
Auch die Zwei-Meinungsgesellschaft sei nach Ansicht Behlings aktuell ein Problem. „Wir müssen wieder Meinungsfreiheit und somit Meinungsvielfalt zulassen. Linke, liberale und konservative Ideen gehören miteinander verglichen und ideologiefrei bewertet. Sie müssen sich nicht per se widersprechen.“
Wenn dieBasis weiterhin auf so einer Welle des Zuspruchs reitet, wird es in Zukunft für alle anderen Parteien immer schwieriger, an der neuen Partei vorbeizukommen. Von nun an müssen wohl alle Parteien mehr ihr basisdemokratisches Handeln hinterfragen.
Bis dieBasis allerdings zu einem wirklich potentiellen Koalitionspartner herangewachsen ist, wird vermutlich noch etwas Zeit vergehen.
Steve Schulz