Sacrows Einwohner*innen wehren sich gegen Baupläne des Telefonanbieters
Seit November 2014 sucht Vodafone einen neuen Standort für einen zusätzlichen Sendemast, denen man kurz darauf in Sacrow ausmachte und 2015 die Gespräche mit dem zuständigen Fachbereich der Stadtverwaltung aufnahm – allerdings ohne die Sacrower*innen darüber zu informieren.
Herausgekommen ist dieses geplante Bauvorhaben nur durch einen Zufall, als die Sacrowerin Andrea Willson im Juni von dem geplanten Sendemast neben ihrem Grundstück erfuhr, weil sie sich erkundigte, was eine Vermessungsdrohne über ihrem Grundstück mache. Als Willson daraufhin Markus Peichl, den Sprecher und Vorsitzenden der Sacrower ‚Bürgerinitiative Rettet Potsdam e.V.‘ informierte, setzte der mit dem Umgang mit Medien erfahrene Unternehmer alle Hebel in Bewegung, um mehr Transparenz in die Sache zu bekommen.
Über 200 Plakate sorgen für Aufmerksamkeit
Wer durch Sacrow fährt, kommt seit Wochen nicht umhin, die vielen Banner und Plakate wahrzunehmen, die an Zäunen der Einwohner*innen und an Laternen angebracht sind. Fast 250 mal weisen diese auf den Unmut der Sacrower*innen hin: „Vodafone, Finger weg vom Welterbe”, „Vodafone: Standortmäßig komplett verwählt”, „Mike Schubert, warum lassen Sie das zu?“, „Mike Schubert: Warum stoppen Sie den Irrsinn nicht?“
Damit wird nicht nur auf das Problem des Sendemaststandortes hingewiesen. Die Transparente zeigen vielmehr auch den Ruf in Richtung Rathaus, mit der Bitte, sich in die Verhandlungen einzubringen und die Anforderungen der Sacrower*innen zu vertreten.
Nachdem Vodafone und die Stadtverwaltung die Planung des Sendemastes in Sacrow bestätigten, formierte sich die kampferprobte und hochkarätig besetzte Bürgerinitiative, die fast die Hälfte der Sacrower Einwohner*innen zu ihren Mitgliedern zählt. Ergebnis war eine Informationsveranstaltung am 24.09.20 im Schloss Sacrow, bei dem Helmut Zeitz für Vodafone und der Leiter des Fachbereichs Klima, Umwelt und Grünflächen, Lars Schmäh, den etwa 50 gekommenen Einwohner*innen von Sacrow Rede und Antwort standen sowie ihren Einwänden gegen den Bau des Sendemastes an dem geplanten Standort neben der Freiwilligen Feuerwehr begegnen konnten.
Unterschiedliche Wahrnehmung
Zu Beginn der Veranstaltung präsentierte Zeitz den Hintergrund für den geplanten Bau eines neuen Sendemastes in Sacrow. Da hier ein Sendeloch bestünde, das dringend geschlossen werden müsse, gebe es keinen anderen Standort als den bereits vermessenen neben der Feuerwehr. Wie geringfügig die visuelle Störung des etwa 45 Meter hohen Sendemastes sei, sollte eine Präsentation von Fotomontagen belegen, die einen kaum sichtbaren Turm aus weiter Entfernung zeigen, der sogar mit einem roten Pfeil kenntlich gemacht werden müsse.
Diese Mindesthöhe sei notwendig, weil Vodafone dazu verpflichtet sei, den Sendemast auch von Mitbewerbern nutzen zu lassen.
Im Gegenzug dazu präsentierte Peichl für die Bürgerinitiative (BI) eine ganz andere, viel nähere Perspektive und kommentierte diese: „Die Grafik zeigt die visuelle Verschandelung des Ortes. Der Sendemast wird zur visuellen Dominanz in einem historischen Ensemble, so wird ein Weltkulturerbe zerstört.“
Doch der Bau des Sendemastes sei laut der Einwohner*innen nicht nur aus ästhetischen und denkmalschutzrechtlichen Gründen abzulehnen. Vor allem aus naturschutzrechtlicher Sicht sei der Bau an dem geplanten Standort abzulehnen, weil dort eine hohe Populationsdichte der zu schützenden Mopsfledermaus existiert. Das Grundstück, auf dem die Mopsfledermaus ihren Lebensraum hat, befindet sich jedoch in einem Landschaftsschutzgebiet (LSG), für das die Hürden einer Baugenehmigung wesentlich geringer sind als für ein Bauvorhaben in einem Naturschutzgebiet (NSG). Dennoch spricht sich die BI für einen anderen Standort aus, den auf dem wenige Hundert Meter entfernt liegenden Luisenberg, der sich in einem NSG befindet. „Das ist jedoch kein Widerspruch, denn auf und um den Luisenberg ist die Population der Mopsfledermaus sehr viel geringer, auf dessen Spitze liegen noch dicke Betonplatten im Boden aus DDR-Zeiten, es müssten viel weniger alte Bäume gefällt werden und es besteht bereits eine uneingeschränkte Zuwegung, die für die Bau- und spätere Wartungsmaßnahmen genutzt werden könnte“, begründet Peichl die Vorteile des Alternativstandortes. Somit sei der Eingriff laut BI wesentlich geringer als bei dem Standort neben der Freiwilligen Feuerwehr.
Vodafone sieht in dem Luisenberg keinen alternativen Standort. Erstens seien die zu nehmenden Hürden für einen erfolgversprechenden Bauantrag viel zu hoch und zweitens würde der Sendemast aufgrund seiner Höhe zu Überschneidungen und Störungen mit anderen Sendemasten in entsprechender Höhe führen. Auch liege er zu nah dem Kladower Sendemast.
Man sucht nun weitere Unterstützung. Der in Sacrow wohnende Europaabgeordnete Christian Ehler sagte, er sei im Gespräch mit Brandenburgs Umweltminister Axel Vogel (Grüne), der die Bereitschaft gezeigt habe, über einen anderen Standort nochmals zu sprechen.
Auf Nachfrage des POTSDAMER, wie die Landesbetriebsforst Brandenburg (LFB) die beiden möglichen Standorte im Vergleich zueinander aus naturschutzrelevanter Perspektive einschätzt, antwortet diese überraschend neutral: „Die Einschätzung wo der Mast gebaut wird obliegt nicht dem LFB, sondern dem Vorhabensträger (Stadt Potsdam) und dem Betreiber Vodafone. Nur so viel: Ein NSG hat einen höheren Schutzstatus als ein LSG. Der LFB stellt diese Fläche dann nur bereit, wenn alle planungsrelevanten Genehmigungen vorliegen.“ Es ist also doch denkbar, den Mast in einem Naturschutzgebiet (NSG) und nicht nur in einem Landschaftsschutzgebiet (LSG) zu bauen, sofern die Verwaltung dies für genehmigungsfähig erachtet.
Wir sind keine Wutbürger
BI-Sprecher Peichl betonte bei der Veranstaltung im Schloss Sacrow immer wieder die Befürwortung des Baues eines Sendemastes. „Wir wollen den digitalen Ausbau nicht verhindern. Aber es muss ein Standort für den Sendemast gefunden werden, an dem er den geringsten Schaden anrichtet. Wir sind nicht gegen den Sendemast, sondern gegen den Standort. Der Standort ist nicht irgendwo, er ist der falscheste überhaupt“, er sei auch aus Sicht des Naturschutzes sowie aus historischer und städtebaulicher Sicht moralisch und ethisch nicht zulässig. Sacrow sei geprägt von einer einzigartigen Symbiose aus Menschen, Architektur, Geschichte und Natur, geprägt vom respektvollen Umgang mit der Natur. In so einem Ort hätte ein so großer Funkmast nichts verloren, so Pechl.
Kein aktives Handeln von der Verwaltung
Einwohner*innen Sacrows äußerten immer wieder verärgert, dass sie nicht das Gefühl hätten, dass der Blick der Rathausspitze bis nach Sacrow reiche und man mit den hiesigen Problemen alleingelassen werde. Seit Jahren würden die Probleme in Sacrow erfolgreich von der Stadtverwaltung ignoriert, hieß es aus Kreisen der Einwohner*innen.
Ebenso beklagten sie die mangelnde Kommunikationsbereitschaft der Verwaltung. „Ohne Initiative hätte es keine Gespräche oder eine Informationsveranstaltung gegeben. Wenn Vodafone und die Verwaltung schon vor zwei Jahren auf die Sacrower*innen zugekommen wären, hätte man mittlerweile sicherlich eine Entscheidung gefunden“, hieß aus Reihen der BI.
Schmäh betonte daraufhin, dass für ihn und die Verwaltung das Wohl aller Potsdamer*innen im Fokus stünde und dass Transparenz sowie ein respektvoller Umgang miteinander wichtig seien. Diese Karte habe er allerdings nach Ansicht der Sacrower*innen bereits verspielt, da die Verwaltung seit fünf Jahren an dem Projekt arbeite, ohne dabei ein einziges Mal die Sacower*innen informiert zu haben. Vor allem vor dem Hintergrund der Aussage Vodafones „Mit Sacrow wollten wir eigentlich schon Ende 2019 durch sein“, wirkt der Hinweis auf Transparenz und Rücksichtnahme von Schmäh doch etwas verwirrend.
Ehler wies auf die rechtliche Möglichkeit Vodafones hin, sich noch einen anderen Standort zu suchen und bat auch die Verwaltung darum, diese Suche unterstützend zu begleiten. Während sich Vodafone-Vertreter Zeitz offen für die weitere Standortsuche zeigte, reduzierte Fachbereichsleiter Schmäh die Aufgabe seiner Abteilung indes auf die Prüfung und Beratung. „Wir helfen dem Antragsteller dabei zu einem genehmigungsfähigen Bauantrag kommen“, so Schmäh. Eine aktive Unterstützung bei der Standortsuche sei für seine Abteilung nicht vorgesehen. Da es aber noch keinen offiziellen Bauantrag gebe, könne er diesen weder genehmigen noch ablehnen.
Fast unbemerkt fällt die Bemerkung von Zeitz, dass Vodafone das städtische Gelände nur pachten wolle. Aus unternehmerischer Sicht wegen der schnellen Entwicklung neuer Technologien nachvollziehbar, doch das Habitat der Fledermäuse ist dann wohl für immer zerstört, wenn Vodafone das Gelände nicht mehr braucht.
Am Schluss der Veranstaltung fordert Peichl vehement einen Runden Tisch für weiterführende Gespräche zwischen allen Beteiligten und plädiert nochmals an Vodafone: „Nehmen Sie unsere Einwände in Ihre Planungen mit auf, seien Sie kreativ, nutzen Sie die rechtlichen Möglichkeiten, den Mast woanders hinzustellen.“
Auf Nachfrage des POTSDAMER, ob Vodafone bereit sei, von dem geplanten Standort aufgrund der vorgebrachten Argumente Abstand zu nehmen, sagt Zeitz: „Nein – nicht so lange nicht ein anderer Standort gefunden wird. Wir sind zur Versorgung verpflichtet und die Bundesnetzagentur prüft die Einhaltung der Lizenzauflagen zum jeweiligen Fälligkeitsdatum penibel.“ Dennoch sei er zu weiteren Gesprächen bereit. „Das erfordert jedoch ein Entgegenkommen sämtlicher Beteiligter“, fügt Zeitz hinzu.
sts