Personalnotstand bringt die Verwaltung zum Erliegen

Am 31. März dieses Jahres gab der Oberbürgermeister, Mike Schubert, die Ergebnisse einer unter seiner Leitung stehenden Arbeitsgruppe bekannt, deren Ziel es sei, „den Bürgerservice zu stärken“: Mehr Personal, mehr Räume, eine bessere technische Ausstattung, eine längerfristige Terminbuchung und Termine ohne vorherige Terminbuchung
„Wir werden unsere Anstrengungen daher noch einmal erhöhen und kurzfristig weitere technische, personelle und prozessuale Veränderungen vornehmen, um eine zügigere Abarbeitung der Bürgeranliegen zu gewährleisten. Diese werden dann die bereits zu Beginn des Jahres eingeleiteten Maßnahmen zur Verbesserung der aktuellen Situation ergänzen…“, sagte Oberbürgermeister Mike Schubert zuversichtlich und versprach konkrete Maßnahmen:
„Bereits ab dem 11. April werden spezielle Counter im Untergeschoss geöffnet, an denen es wie früher möglich sein wird, spontan eine Nummer am Automaten zu ziehen und dann zu warten, bis man aufgerufen wird.“ Dieses Verfahren hätten sich zuletzt immer wieder Potsdamerinnen und Potsdamer gewünscht, die keinen Termin bekommen haben. Diesem Wunsch aus der Bevölkerung wolle Schubert jetzt nachkommen.
„Weitere Maßnahmen sind zusätzliche Räume zur Beantragung und Abholung von Dokumenten, die mittelfristige Einführung einer Buchungs-App, mit der die voraussichtliche Wartezeit eingesehen werden kann, sowie die Ausweitung der im Voraus buchbaren Termine. Zusätzlich sollen Automaten angeschafft werden, um Serviceleistungen zu digitalisieren und zu automatisieren. Dazu gehört die Inbetriebnahme von Selbstbedienungsterminals zur automatisierten Erfassung biometrischer Daten für Pässe und Ausweise sowie Automaten, an denen u.a. Pässe und Ausweise ohne Terminvereinbarung abgeholt werden können“, heißt es aus dem Büro des Oberbürgermeisters.

Das Potsdamer Rathaus kann aufgrund zu weniger Mitarbeiter viele Aufgaben nicht mehr erfüllen.
Foto: Anastasia Hermann/Christian Schlicht

Gute Vorsätze

Am 04. April schaute Schubert noch positiv in die Zukunft und wollte „mit strategischen Zielen die notwendige Modernisierung vorantreiben“. Nach der Festlegung gesamtstädtischer und strategischer Ziele sei die Verständigung auf wichtige strategische Projekte erfolgt. „Aus abstrakt wird konkret. Wir wollen mit den strategischen Zielen und der Umsetzung der konkreten Projekte in den kommenden Jahren die notwendige Modernisierung vorantreiben“, kündigte Schubert an. „Die strategischen Ziele sagen, was uns für die Entwicklung der Stadt am wichtigsten ist“, so Schubert weiter. Dazu gehören eine moderne Verwaltung, gute Bildung, umweltgerechter Verkehr, bezahlbares Wohnen, solide Finanzplanung und ein attraktiver Wirtschaftsstandort. Es seien zwar nicht alle aber die wichtigsten Ziele, die für die Entwicklung der Stadt wichtig seien, so Schubert.

Oberbürgermeister Mike Schubert hat viel vor, nur leider fehlen in der Verwaltung zu viele Mitarbeiter – und aufgrund der geschilderten Arbeitsbedingungen werden es vermutlich noch weniger.

Am 08. April trat der Digitalisierungsrat der Landeshauptstadt Potsdam zu seiner ersten, konstituierenden Sitzung zusammen. Der Digitalisierungsrat setzt sich aus renommierten Wissenschaftlern, Praktikern und Netzwerkern aus der Region zusammen. Übergeordnetes Ziel des Digitalisierungsrates sei es unter anderem, die Verwaltung bei der Digitalisierung und Modernisierung zu beraten. Oberbürgermeister Mike Schubert sagte dazu: „Potsdam ist eine moderne, innovative und lebenswerte Stadt. Damit das so bleibt, ist eines klar: Unsere Zukunft ist digital.“
Ebenfalls am 08. April wurden erste konkrete Maßnahmen angekündigt: Fünf neue Mitarbeiter werden nun im Bürgerservice eingearbeitet. Zudem wurden auf der digitalen Terminbuchungsplattform weitere Termine freigeschaltet. Noch nicht der ganz große Wurf, aber immerhin ein Anfang – wenn da nicht die Nachricht aus dem Büro des Oberbürgermeisters ganze elf Tage später gewesen wäre:

„Auf Grund eines außergewöhnlich hohen Personalausfalls kann das Bürgerservicecenter leider vorübergehend keine Vorsprachen ohne Termin anbieten. Für bereits vereinbarte Termine versucht das Bürgerservicecenter die Abarbeitung der Anliegen soweit möglich aufrecht zu erhalten. Die Landeshauptstadt Potsdam bedauert die Unannehmlichkeiten.“
Das verkündete das Rathaus am 19. April dieses Jahres. Nachdem fast vier Wochen lang aus dem Büro des Oberbürgermeisters Schubert versucht wurde, ein positives Bild über die Modernisierung der Verwaltung und die verbesserten Serviceangebote für die Potsdamerinnen und Potsdamer aufzubauen, kam bereits in der zweiten Runde der Tiefschlag und das technische K.O.
Dabei überrascht vor allem die Begründung des eingestandenen Debakels, hat man doch im Vorfeld andere Signale gesendet: Der „außergewöhnlich hohe Personalausfall“ soll Grund für den Zusammenbruch des Bürgerservicecenters sein.

Der POTSDAMER sprach mit einigen Mitarbeitern der Stadtverwaltung über den Grund der plötzlichen und scheinbar nicht vorherzusehenden Personalausfälle. Dabei wurde eines deutlich: So plötzlich kamen die Ausfälle nicht, und das Problem scheint hausgemacht zu sein.

Ausgelaugt und nicht geschätzt

Die Mitarbeiter, deren Namen an dieser Stelle aus Gründen des Schutzes vor negativen Folgen nicht genannt werden, schilderten die Arbeitssituation innerhalb der Verwaltung als „kaum noch auszuhalten“ und „unzumutbar“. Sich selbst beschrieben sie als „völlig ausgelaugt“, „kurz vor dem Burn-out stehend“, „absolut überfordert“ und als „viel zu wenig geschätzt für die Leistung, die man täglich bringen muss“.
Aufgrund der chronischen Unterbesetzung vieler Bereiche müssen Mitarbeiter die Arbeit ihrer nicht vorhandenen Kollegen mitbewerkstelligen, hinzu komme ein hoher Krankenstand wegen der überdurchschnittlich hohen körperlichen und psychischen Belastung am Arbeitsplatz. Durch den im Februar dieses Jahres eingerichteten Verwaltungsstab zur Hilfe für Menschen aus der Ukraine seien weitere Mitarbeiter abgezogen worden, was die Situation am Arbeitsplatz vieler noch mehr belaste und wodurch viele Anträge und Projekte für viele Wochen und Monate liegen bleiben, erklärten Verwaltungsmitarbeiter die immer schlechter werdenden Arbeitsbedingungen. Hinzu komme, dass es Kündigungen von Mitarbeitern der Verwaltung gab, nachdem man Ihnen neben der ohnehin schon „unerträglichen Arbeitssituation“ eine Rufbereitschaft auferlegte, die sie dazu verpflichten sollte, auch abends sowie an Feiertagen und Wochenenden arbeiten zu müssen. Weil eine nicht geringe Anzahl an Mitarbeitern diese Zusatzbelastung durch ärztliche Atteste und Befreiungsanträge haben erfolgreich umgehen können, müsse auch hier wieder die anfallende Arbeit auf die übriggebliebenen Schultern verteilt werden. Eine sich immer mehr verengende Spirale, an deren Ende der Zusammenbruch der Verwaltung stehe, befürchten einige.

Die Frage, wann die Verwaltung wieder ausreichend Mitarbeiter haben wird, um die anfallenden Aufgaben in einem für die Potsdamerinnen und Potsdamer zumutbaren Zeitrahmen bearbeiten zu können, wird wohl noch lange nicht verbindlich beantwortet werden können.
sts