Über eine neue Dimension der kommunalen Ressourcenverschwendung

Allein das Eilverfahren gegen den Bau des hochumstrittenen „Heimes für Geflüchtete“ an der Nedlitzer Straße hat ein Jahr gedauert. Trotzdem treibt die Landeshauptstadt Potsdam die Umsetzung des Projektes voran.
Die Liste der Argumente, die gegen den Standort sprechen, ist kaum überschaubar. Das Gelände ist ein hochrangiges Bodendenkmal als Bestandteil der Potsdamer Kulturlandschaft und gehört zur Pufferzone des Welterbes. Es ist Kern des wichtigsten stadtnahen Natur- und Erholungsraumes am nördlichen Rand des Potsdamer Stadtgebietes.
Und nicht zuletzt werden mit dem Betrieb des Heimes weitere 500 Menschen im Wasserschutzgebiet Nedlitz angesiedelt. Ein Bereich, der zum Gesundheitsschutz gerade von zu hoher Verdichtung und Versiegelung freigehalten werden soll. Vor dem Hintergrund der Krampnitz-Bebauung und des Tramplanung ergeben sich weitere ungelöste logistische Probleme. Das Vorhaben erscheint umso fragwürdiger als 12 (!) weitere Standorte zur Auswahl standen und mit einem Punktesystem bewertet wurden.
Dem POTSDAMER liegt dieses Bewertungstableau vor, und wir haben uns die Analyse im Detail angeschaut.
Die wichtigen Bewertungskriterien Wasserschutz, Natur- und Denkmalschutz sowie der Erholungswert für die Potsdamer selbst werden komplett aus der Bewertung ausgeblendet. Die Valuierung macht einen vollkommen willkürlichen Eindruck und zielt eindeutig darauf, das Nedlitzer Holz als Standort zu rechtfertigen und umgekehrt offensichtlich geeignete Standorte wie das Krampnitz-Gelände als Standorte auszuschließen. Beispielweise wird das Erweiterungspotenzial des Projektes im Nedlitzer Holz direkt am Stadtrand zwischen engmaschiger Bebauung und nichtbebaubarem Waldgebiet als positiv eingeschätzt. Demgegenüber soll Krampnitz kaum Erweiterungspotential besitzen. Ausgerechnet der dortige Standort soll besondere finanzielle Nachteile haben.

Warum so viel Augenwischerei und Druck?

Die Stadt Potsdam hat sogar schon vor der Bestandskraft der Baugenehmigung Millionen in Container und standortvorbereitende Maßnahmen gesteckt. Die Container sollen seit über einem Jahr angeschafft sein. Trotz einer eindeutigen Aufforderung des Verwaltungsgerichts Potsdam wollte die Stadtverwaltung vollendete Tatsachen schaffen. Am frühen Morgen des 11. Oktober 2023 tauchte ein Tiefbautrupp in Nedlitz auf, um das Bodendenkmal zu planieren. Nur durch das entschlossene Eingreifen von Anwohnern konnte die Schaffung vollendeter Tatsachen verhindert werden,
Die Gründe für diese brachiale Durchsetzung der eigenen Interessen liegen auf der Hand: Die besondere Lage des Grundstücks lässt kaum Klagemöglichkeiten der Anlieger zu. Die benachbarte B2 schließt die Anlieger in Nedlitz weitgehend von einem Zugang zum Verwaltungsrechtsweg aus. Letztlich können nur anerkannte Naturschutzverbände klagen.
Doch auch ein anderer Verdacht drängt sich auf. Potsdam bemüht sich seit Jahren darum, den wertvollen Naturraum im Norden als Auffangfläche für Großprojekte zu nutzen.

Ohne Rücksicht auf Verluste!

Als ob Krampnitz und Trambau allein nicht reichen würden, sollen in kurzer Zeit die Nedlitzer Insel und ein Gymnasium ins Wasserschutzgebiet gebaut werden. Da ist ein temporäres Asylantenheim eine gute Vorbereitung, um auch noch das Kulturerbe am Nedlitzer Holz zu entweihen. Potsdam hat im Gegensatz zu anderen europäischen Großstädten nicht nur eine schöne Innenstadt, sondern eben auch eine wunderbare Einbindung in die Havellandschaft. Dieser Bezug, der so viel Lebensqualität bedeutet, wird von den Potsdamer Bürokraten verdrängt. Will man den Großinvestor in Krampnitz weiter schützen und dessen Interessen optimieren? Dann muss eben der Bürger seinen Erholungsraum und letztlich seine Heimat für ein Geflüchtetenheim opfern!

Eine andere Seite des Skandals tritt in diesen Tagen in den Vordergrund

Die Baukosten für die Anlage wurden bereits Mitte 2023 auf 20 Millionen Euro geschätzt, die Betriebskosten für vier Jahre auf weitere 34,5 Millionen. Allein diese Zahlen lassen den Normalverdiener sprachlos zurück. Die Aufschichtung von Wohncontainern kostet also 40.000 Euro pro Person (!), die Unterkunftskosten für vier Jahre insgesamt 25.000 pro Jahr und Person. 8.000 Euro für eine vierköpfige Familie pro Monat! Nach vier Jahren ist ohnehin alles abbruchreif. Und dies unter Berücksichtigung der offiziellen Angaben aus 2023. Legt man Erfahrungswerte kommunaler Bauprojekte zugrunde, kann eine Kostensteigerung von 50 Prozent als realistisch betrachtet werden.
Der Mangel an Kostenbewusstsein in der Potsdamer Verwaltung ist sprichwörtlich. Aber nun werden diese Planungen auch noch von zwei Seiten in Frage gestellt, quasi in die Zange genommen.
Dem „Potsdamer“ liegt die Baugenehmigung für das Heim vor. Danach ist die Nutzung bis zum 30. Dezember 2025 befristet. Die Denkmalbehörden hatten nach interner Diskussion durchgesetzt, dass das Asylantenheim nach diesem Datum wieder geräumt werden muss. Auf der anderen Seite hat der Landschaftsschutzverein Berlin-Brandenburg e. V. mit seiner umweltrechtlichen Klage die Stadt unter maximalen Zeitdruck gebracht. Denn erst nach der Rechtskraft des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses kann mit den Arbeiten begonnen werden. Selbst wenn man einen sofortigen Baubeginn zugrunde legt, kann die Nutzung realistisch erst in 2025 starten.

Uuuups! Sie haben richtig gerechnet
Die Restnutzungsdauer beträgt ein Jahr! Die Fixkosten aber bleiben unverändert. Das Ganze führt zu einer Belastung der Öffentlichen Hand, die schlicht nicht vermittelbar ist. Außerdem sinkt derzeit die Zahl der Asylanträge. Es kann sein, dass die Bauverwaltung auf eine Verlängerung der Nutzungsdauer spekuliert. Aber dies wäre leichtfertig. Die Auflage des Denkmalschutzes klingt sehr bestimmt. Außerdem können neue Mehrheiten im Brandenburger Landtag auch neue politische Präferenzen bedeuten. Eine Verlängerung der Baugenehmigung scheint insoweit ungewiss, da auch Landesbehörden ihr Einvernehmen erklären müssen.
Wieder einmal muss Potsdam zusehen, wie gewaltige Geldbeträge verpulvert werden. Geld, das an anderer Stelle fehlt oder von zukünftigen Generationen bezahlt werden muss. Die werden dann auf eine abgeräumte Containerbrache schauen und sich in einem amerikanischen „History-Channel“ ansehen, wie schön es hier einmal war.  kk