Die Auftaktveranstaltung zur Weiterentwicklung des Integrierten Stadtentwicklungskonzepts macht Hoffnung
Konzepte für die Entwicklung Potsdams hat die Verwaltung viele. Aktuell sind es an die 50 verschiedene. Ideen und Wünsche für die Zukunft der Stadt gibt es sicher unzählige – bei den Bürgern, in den Stadt- und Ortsteilen, unter den Stadtverordneten und in der Verwaltung selbst.
Die Konzepte, Ideen und Wünsche der verschiedenen Akteure in der Stadt zusammen zu bringen und daraus eine Vision für ein schönes, lebenswertes und lebendiges Potsdam im Jahre 2035 zu entwerfen, hat sich die Stadt Potsdam jetzt vorgenommen. Die Fortschreibung des „Integrierten Stadtententwicklungskonzepts – INSEK“ startete am 16. September 2019 im Potsdam Museum mit einer Auftaktveranstaltung.
Aus der Praxis
Gleich zu Beginn kamen Vertreter Potsdamer Initiativen zu Wort, stellten ihr Projekt vor und durften auf dem Podium sagen, was sie sich konkret für die Zukunft Potsdams wünschen. Jörn Michael Westphal von der ProPotsdam zeigte anhand der Neugestaltung von Drewitz zur Gartenstadt, wie gute Quartiersentwicklung gelingen kann. Nämlich mit viel Grün, einem ausgefeilten Energiekonzept und intensiver Bürgerbeteiligung. Die Anwohner haben beispielsweise selbst bestimmt, wo Parkplätze wegfallen konnten, um mehr Aufenthaltsqualität zu gewinnen. Die stadteigene Immobiliengesellschaft ProPotsdam soll verantwortungsvoll planen und bauen. Für freie Investoren gilt diese Regel noch lange nicht. Hier müsste nach Westphal die Stadt den Investoren ihre Ziele diktieren und das mit Verträgen absichern.
Jan Gabbert von der Scholle 51 schilderte den jahrelangen mühseligen Kampf um den Erhalt des Künstlerhauses in Potsdam West. Er plädierte für die Vergabe von Häusern der Stadt in Erbbaupacht. Nur so wäre es vielen Initiativen der Kreativwirtschaft möglich, wohnortnah und langfristig ihre Projekte in die Tat umzusetzen. Gabbert: „Wir haben jetzt den Klimanotstand ausgerufen. Gleich danach kommt in Potsdam der Raumnotstand!“ Für die Verkehrswende hatte Gabbert ein einfaches Rezept: „Wohnen und Arbeiten an einem Ort.“
Agnes von Matuschka vom Wissenschaftspark empfahl, den „Maßnahmeplan Golm“, der 2015 sogar von der Stadtverordnetenversammlung verabschiedet wurde (ohne jemals finanziell unterlegt worden zu sein) in das Stadtentwicklungskonzept aufzunehmen. Viele Golmer hätten damals an diesem Plan mitgearbeitet, mit der Idee, aus dem zersiedelten Ort ein lebenswertes Golm mit einer lebendigen Ortsmitte zu machen.
Ingo Baumstark vom Projekt „StadtTeilAuto“ möchte das in Potsdam West erfolgreich laufende Teilen von eigenen Autos auch in anderen Stadtteilen etablieren. Für die Zukunft wünscht er sich ganz klar eine autofreie Innenstadt und von der Stadt eine Plattform, die es möglich macht, auch mal ungewöhnliche Projekte anzustoßen, um sie auszuprobieren.
Was alle Beiträge des Podiums eint, war die Idee, den Menschen in den Mittelpunkt der Planung zu stellen. Offenbar eine Grundgedanke, der heutzutage nicht selbstverständlich ist. Großen Applaus erntete ein Teilnehmer, der sich mit Blick auf die vielen historischen Bauten und den strengen Denkmalschutz in Potsdam so äußerte: „Der Mensch ist wichtiger als die Fassade.“
Die Theorie
Das Integrierte Stadtentwicklungskonzept soll Handlungsschwerpunkte festlegen und eine nachhaltige Strategie zum Umgang mit den Herausforderungen einer weiterhin wachsenden Stadt aufzeigen. Es legt die Leitlinien bis zum Jahr 2035 fest und bringt sie miteinander in Einklang. Dabei gilt es, Themenfelder wie Wohnen, Mobilität und Verkehr, soziale und technische Infrastruktur, Arbeit und Versorgung sowie Umwelt und Natur gleichermaßen zu betrachten und strategische Ziele für die Stadtentwicklung zu erarbeiten. Sowohl Vertreter aus Politik, Verwaltung und lokalen Unternehmen als auch aus der Region und aus der Bevölkerung werden in den Prozess intensiv einbezogen.
Potsdams letztes Stadtentwicklungskonzept wurde 2006/2007 erarbeitet. Seitdem hat sich die Stadt deutlich verändert. Vor allem deshalb und weil ein aktuelles Dokument für die Beantragung von Fördermitteln wichtig ist, soll es jetzt fortgeschrieben werden.
Oberbürgermeister Mike Schubert sagte: „Unsere Stadt verändert sich stetig. Ich lade alle Potsdamerinnen und Potsdamer ein, sich bei der Entwicklung des Konzeptes einzubringen. Ich möchte, dass wir uns über gemeinsame Grundsätze der Stadtentwicklung verständigen und das Wachstum unserer Stadt behutsam gestalten.“ Gelegenheit bieten die Planungswerkstätten, die im Frühling 2020 in den Stadt- und Ortsteilen stattfinden werden. Ziel ist, das INSEK 2035 im 1./2. Quartal 2021 fertigzustellen und durch die Stadtverordnetenversammlung beschließen zu lassen.
Fragen stellen – Antworten finden
Das Bremer Stadtplanungsbüro „BPW Baumgart + Partner“ hat im Auftrag der Stadt begonnen, sich mit den Problemen Potsdams auseinanderzusetzen und zeigte schon viel Verständnis für den Organismus der Stadt. Ein erster Schritt war die Bennung der Themenfelder wie oben erwähnt. Auf etliche recht komplexe Fragen gilt es Antworten zu finden, zum Beispiel: Entspricht die Menge und Fläche der Wohnungen in Potsdam dem Bedarf, wenn die Hälfte der Haushalte in Potsdam Ein-Personen-Haushalte sind? Wie kann Neubau mit hohen energetischen Standards gelingen, ohne die Mieten für viele Bevölkerungsschichten unbezahlbar zu machen? Was kann man tun, um einzelne Wohngebiete besser räumlich miteinander zu verbinden? Ergibt es Sinn, die Niedermoore – die in Potsdam zehn Prozent der Fläche ausmachen – zu renaturieren, um CO2 zu binden? Sollte das Recht auf Zugang zum Wasser nicht für alle gelten statt nur für einzelne Grundstücksbesitzer? Wie schafft man Zusammenhalt zwischen den Menschen, wenn die Mehrheit der Potsdamer in den letzten Jahrzehnten aus allen Teilen Deutschlands neu in die Stadt zugezogen ist?
Die Fragen aus dem Publikum gingen an die Substanz: „Wieso müssen Schutzgebiete als Reserveflächen für städtisches Wachstum herhalten? Einige Redner plädierten dafür, das Thema Mobilität ganz nach oben zu stellen. Markus Schneider aus Bornim ergänzte: „Wir ersticken im Verkehr. Solange das Thema Mobilität nicht gelöst ist, stagnieren alle anderen Prozesse.“
Eine heiße Diskussion entfachte sich um das Thema Kultur. In der Wahrnehmung des Planungsbüros scheint es hier gut zu laufen. Das sahen Vertreter der Kulturszene anders. Auch Noosha Aubel, die Beigeordnete für Bildung, Kultur, Jugend und Sport, unterstützte deren Ansinnen, Kunst und Kultur ein eigenes Themenfeld zuzuweisen.
Aufgaben im Norden
Für den Potsdamer Norden besonders interessant: Der Oberbürgermeister und seine Beigeordneten benannten – neben dem Schwerpunkt Mobilität im Allgemeinen – konkret den neuen Stadtteil Krampnitz, die Entwicklung Golms, den Bau einer Feuerwache für die Berufsfeuerwehr, das Bürgerhaus Satzkorn, das Gewerbezentrum Friedrichspark sowie den Ausbau des Bahnhofs Marquardt zu einer Mobilitätsdrehscheibe als Schwerpunkte, die in ihrem Fokus liegen. Mike Schubert: „Wenn Krampnitz funktionieren soll, muss Marquardt ausgebaut werden.“ sk