Vorsitzende des Potsdamer Naturschutzbeirates im Gespräch
„Für unsere Arbeit ist es wichtig, Anregungen und Hinweise der Potsdamerinnen und Potsdamer zu erhalten und über aktuelle Missstände informiert zu werden. Nur so können wir unsere Mittlerfunktion für Naturschutz und Landschaftspflege ausüben. Daher wünschen wir uns einen aktiven Informationsaustausch mit der Potsdamer Einwohnerschaft, die die Experten vor Ort sind und einen besonderen Blick für die natürliche Umgebung in der Nachbarschaft haben“, sagt Susan Fischer, Vorsitzende des Potsdamer Naturschutzbeirates in der Sitzung des Ausschusses für Klima, Umwelt und Mobilität am 01. Oktober 2020.
Der Naturschutzbeirat (NB) bringt neben der fachlichen und wissenschaftlichen Beratung der Unteren Naturschutzbehörde (UNB) auch Vorschläge und Zielvorstellungen ein, die Fehlentwicklungen in Natur und Landschaft entgegenwirken sollen. Dies gilt insbesondere für Ausnahmegenehmigungen und naturschutzrechtliche Befreiungen. Der Naturschutzbeirat bietet somit fachliche Unterstützung bei zahlreichen Bescheiden der Unteren Naturschutzbehörde zu beantragten Baumfällungen, Beseitigungen von Niststätten, Beeinträchtigungen von streng geschützten Arten oder Eingriffen in Naturschutzflächen und geschützte Biotope.
Gerade vor dem Hintergrund von Klimawandel und erhöhtem Nutzungsdruck auf Natur und Landschaft in der wachsenden Stadt ist die Zusammenarbeit zwischen dem Beirat und der Naturschutzbehörde von großer Bedeutung.
Auf der Grundlage von § 35 Brandenburgisches Ausführungsgesetz zum Bundesnaturschutzgesetz (Brandenburgisches Naturschutzausführungsgesetz – BbgNatSchAG) ist zur Vertretung der Belange von Naturschutz und Landschaftspflege und zur wissenschaftlichen und fachlichen Beratung bei der Unteren Naturschutzbehörde der Landeshauptstadt Potsdam ein Naturschutzbeirat zu bilden.
Der Naturschutzbeirat der Landeshauptstadt Potsdam steht auch im engen Austausch mit dem Naturschutzbeirat des Ministeriums für Landwirtschaft, Umwelt und Klimaschutz (MLUK) des Landes Brandenburg.
Besondere thematische Schwerpunkte für den Naturschutzbeirat waren und sind aktuell:
- der Umgang mit Alteichen, die vom Heldbock-Käfer besiedelt sind. Für den sehr seltenen Heldbock hat Potsdam eine hohe Verantwortung, da sich hier beachtliche Bestände der seltenen Käferart konzentrieren.
- der Erhalt von Altbaumbeständen, die eine besondere Rolle für Höhlenbrüter und Fledermäuse spielen.
- die Anforderungen an Kompensationsmaßnahmen hinsichtlich Quantität und Qualität für verschiedenste Tierarten und Lebensräume.
- der Altbaumbestand und die Biotopflächen der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten. Die historischen Gartenanlagen haben mit ihrem bemerkenswerten Artenreichtum eine herausragende Funktion für den Naturhaushalt der Stadt.
- die touristische Nutzung sowie die Freizeitnutzung in Schutzgebieten, insbesondere im Bereich der Gewässer; Mitentwicklung einer gesamtstädtischen naturschutzfachlichen Uferbewertung als Grundlage für Genehmigungsentscheidungen, z.B. zu Anträgen zur Errichtung von Bootsstegen.
Der POTSDAMER fragte Susan Fischer nach ihren Erfahrungen mit der UNB und den Naturschutzthemen im Potsdamer Norden.
Welche Erfahrungen haben Sie mit der Zusammenarbeit der UNB?
Wir empfinden die Zusammenarbeit als konstruktiv. Uns wird von Seiten der Verwaltung bei konkreten Fragestellungen jederzeit die Möglichkeit geboten, Vertreter anderer Fachbereiche der Verwaltung oder von extern, z.B. der SPSG oder dem Entwicklungsträger Potsdam, zu den Sitzungen einzuladen und ins Gespräch zu kommen. Natürlich gibt es im Rahmen des fachlichen Austausches hin und wieder auch unterschiedliche Ansichten, aber das gehört dazu. Manchmal ist es für uns als NB unbefriedigend, dass gute Ideen oder zwingend erforderliche Maßnahmen nicht umgesetzt oder ergriffen werden können, weil schlichtweg die Mittel, also Geld und Personal, fehlen. Hier ein aktuelles Beispiel aus der letzten Sitzung im Oktober. Der Anteil von Baumfällungen hat sich nach Auskunft der Verwaltung in den letzten 3 Jahren allein auf öffentlich gewidmetem Straßenland mehr als verdoppelt. Neben Fällungen aufgrund von Bauvorhaben machen Fällungen, die bedingt durch einen Vitalitätsverlust aufgrund der Trockenheit der letzten Jahre erforderlich sind, einen enormen Anteil aus. Hier müsste mit einem Mix aus Maßnahmen gegengesteuert werden, es stehen jedoch keine Sobdermittel zur Verfügung. Das muss sich kurzfristig unbedingt ändern!
Wie lange sind Sie bereits im Naturschutzbeirat insgesamt tätig?
Ich wurde vor fast sechs Jahren in den NB berufen und bin seit Januar 2020 Vorsitzende des NB.
Wie bewerten Sie die Lage im Naturschutzgebiet Sacrower See – Königswald in puncto Wasserqualität und Badetourismus?
Der zunehmende Nutzungsdruck durch Freizeit- und Erholungsaktivitäten in den letzten Jahren macht auch vor Schutzgebieten nicht halt und beschäftigt uns regelmäßig in unseren Sitzungen. Das betrifft nicht nur den Badetourismus und auch nicht nur den Sacrower See. Die daraus resultierende Veränderung der Landschaft, die Beeinträchtigung wertvoller und oft auch gesetzlich geschützter Biotope oder auch der Rückgang von Tierarten ist eine Folge, die ganz deutlich wahrnehmbar ist. In Bezug auf den Badetourismus sind wir mit der Naturschutzbehörde im Austausch und darüber informiert, dass von Seiten der Verwaltung Steuerungsmaßnahmen erarbeitet werden, die den Wildwuchs an Badestellen eindämmen sollen. Zudem ist der NB beteiligt an der naturschutzfachlichen Uferbewertung für Potsdams Gewässer, die durch die Universität Potsdam erarbeitet wird und schon weit gediehen ist. Damit liegt dann der Verwaltung eine Entscheidungshilfe vor, mit der unter anderem Prioritäten in Bezug auf die naturnahe Rückentwicklung von bisher geschädigten Uferbereichen gesetzt werden können.
Wie beurteilen Sie das Engagement der Ortsbeiräte Fahrland und Neu Fahrland beim Umgang mit dem Fahrländer See und dem dort stattfindenden Wassersport?
An Beispiel des Fahrländer Sees kann man im Luftbildvergleich deutlich die negativen Auswirkungen der Freizeitnutzung sowohl auf die unmittelbaren Uferbereiche als auch auf angrenzende Flächen erkennen. Aus naturschutzfachlicher Sicht sehen wir die Entwicklung der letzten Jahre dort sehr kritisch. Die Menschen haben den Anspruch, sich in der Natur zu erholen, nehmen aber zu wenig Rücksicht auf deren Belange. Nach Ansicht des NB ist eine Reduzierung des Nutzungsdruckes, der von Wassersportlern oder Wildcampern ausgeht, unumgänglich. Die in der LSG-Verordnung als Schutzzweck angeführte naturnahe Erholungsnutzung muss eben auch naturverträglich sein und darf nicht Dimensionen annehmen, durch die ein anderer wesentlicher Schutzzweck, der Schutz von Brut- und Rastvögeln, konterkariert wird.
Finden Ihrer Meinung nach alle zu berücksichtigen Naturschutzaspekte, die die Naturschutzverbände in Bezug auf das Bauvorhaben in Krampnitz formuliert und gefordert haben, ausreichend Berücksichtigung?
In Bezug auf Krampnitz wurden wir in den letzten Jahren regelmäßig durch die Naturschutzbehörde einbezogen, wenn es um konkrete naturschutzrechtliche Fragestellungen im Rahmen der Baumaßnahme beziehungsweise der Vorbereitung der Baufelder ging. So birgt der Abriss oder die Sanierung von Gebäuden oder auch die Flächeninanspruchnahme von Offenflächen oder Gehölzen für verschiedenste Tierarten Konfliktpotenzial, mit dem umgegangen werden muss. Hier hat der NB beispielsweise eine beratende Funktion und berücksichtigt dabei auch Intensionen und Anregungen der Naturschutzverbände.
Welche sind Ihres Erachtens die wichtigsten Aufgaben der Stadt Potsdam in Bezug auf den Naturschutz?
Wir als NB maßen uns nicht an, einen umfassenden Überblick zu allen Naturschutzthemen oder -problematiken zu haben. Es gibt einzelnen Themen, mit denen wir uns intensiver befassen, unter anderem auch, weil sie in der Zusammenarbeit mit der UNB immer wieder auf der Tagesordnung stehen. Ein nachhaltiger Umgang mit Natur und Landschaft, die in Potsdam so vielfältig ausgeprägt sind, steht für uns immer ganz oben auf der Liste. Ganz klassisch sind das z.B. Fragen, ob sich bestimmte Eingriffe in den Naturhaushalt durch Bauvorhaben vermeiden oder minimieren lassen und falls nicht, ob die vorgesehenen Kompensationsmaßnahmen schlüssig sind und, ganz wichtig, werden sie auch in der geplanten Form umgesetzt und gepflegt.
Kernaufgaben sehen wir ohne Zweifel auch in der Verfolgung der Klimaschutzziele, die sich die Stadt Potsdam mit dem „Masterplan 100 % Klimaschutz“ gestellt hat. Neben dort formulierten übergeordneten Ansatzpunkten sind hier auch die kleinen Schritte zur Verbesserung des Stadtklimas ein ganz wichtiger Ansatz, Stichwort Fassaden- und Dachbegrünungen oder Beschattung des Bodens durch Stauden- oder Gehölzpflanzungen. In Fällen wie jüngst am Platz der Einheit, wo eine Befestigung und Verdichtung der Baumscheiben, erfolgte, muss ein Umdenken stattfinden. Auf großflächig versiegelten Flächen wie Supermarktparkplätzen oder neu angelegten Plätzen wie dem Johann-Boumann-Platz in Bornstedt gibt es in den Sommermonaten unglaubliche Hitzeentwicklungen. Zudem wird kostbares Regenwasser aufgefangen und abgeleitet. Ziel muss doch aber sein, dass der Boden so viel Wasser wie möglich aufnehmen und speichern kann.
Welche Themen stehen für Sie persönlich ganz oben auf der Agenda?
Der NB funktioniert nur in Teamarbeit. In erster Linie unterstützen wir fachlich die Naturschutzbehörde der Stadt Potsdam durch Vorschläge und Anregungen. Der NB wird sich auch an der demnächst anstehenden Novelle der Naturdenkmalverordnung beteiligen. Wir wollen verstärkt aber auch Vorschläge und Zielvorstellungen einbringen, um Fehlentwicklungen von Natur und Landschaft entgegenzuwirken. Das müssen nicht immer die großen und auch aus der Presse bekannten Naturschutzthemen sein. Man kann man auch im Kleinen in Zusammenarbeit mit engagierten EinwohnerInnen viel bewirken. Um den Informationsaustausch zu verbessern, ist der NB über folgende E-Mail-Adresse erreichbar: naturschutzbeirat@rathaus.potsdam.de
Weitere Informationen zum NB gibt es unter: www.potsdam.de/naturschutzbeirat