Eine Gemeinde ist wieder zusammengewachsen
In wohl kaum einem Ortsteil Potsdams ist die ehemalige Teilung Deutschlands so markant und so allgegenwärtig wie in Groß Glienicke. Auch wenn anderenorts in Deutschland die Mauer am 09. November 1989 fiel, wurde sie hier erst am 24. Dezember geöffnet, und für einige Einwohner sollte sie gefühlt noch viel länger Bestand haben.
Für viele zu dieser Zeit in Groß Glienicke lebende Menschen änderte sich mit dem Mauerfall nicht nur die politische Lebenssituation, sondern begann eine Zeit, die von Unsicherheit geprägt war. Was in fast 30 Jahren zusammengewachsen ist, drohte nun plötzlich zu zerbrechen. Aber nicht, weil das Dorf in sich instabil gewesen wäre – ganz im Gegenteil. Hier herrschte ein aus der Not geborener und sich über die Jahre unzählige Male bewährter Zusammenhalt zwischen den Einwohnern. Dieser Zusammenhalt war es, der das Leben miteinander ausmachte, der das Leben in der Grenzregion und in einer Zeit der politischen Willkür lebenswert machte. Diese feste Gemeinschaft drohte nun plötzlich zu zerbrechen, weil Eigentumsverhältnisse neu geregelt werden mussten und Menschen ins Dorf kamen, die aus Sicht der Einwohner erst einmal nahmen statt zu geben.
Die Wiedervereinigung ging also zuerst einmal mit einer klaren Konfrontation und Trennung einher, die auch den Zusammenhalt der Einwohner untereinander erheblich ins Wanken brachte.
Man spürte gelegentlich noch den kalten Hauch der Vergangenheit, der einigen im Nacken saß und sie dazu verleitete, mürrisch ihrer ausgetrampelten Pfade zu gehen. Und doch spürte man auch eine enorme Kraft der Veränderung. Immer mehr Menschen kamen nach Groß Glienicke und immer deutlicher wurde, dass dies nicht geschah um zu nehmen, sondern um hier zu wohnen, hier zu leben. Unter den Ur-Groß Glienickern und den Zugezogenen entwickelte sich immer deutlicher eine Stimmung der Annäherung, des Miteinanders. Und wenn ich heute auf „mein“ Groß Glienicke schaue, sehe ich überall Menschen, die angekommen sind. Man kennt sich, man grüßt sich, man hilft sich. Vielleicht ist es ja heute so ähnlich, wie vor der Wiedervereinigung.
Wie sehr Groß Glienicke gewachsen und vor allem wieder zusammengewachsen ist, zeigt sich ganz besonders an einem Tag im Jahr. An dem Tag, an dem Groß Glienicke sich selbst feiert. Am Tag des Dorffestes.
Das Dorffest in Groß Glienicke hat große Tradition. Ende der 1990er Jahre begann es mit einem Straßenfest, bevor man entschied, es auf die Badewiese zu verlegen. Wurde es früher am ersten Septemberwochenende und somit meist zu Beginn des neuen Schuljahres gefeiert, begann man im letzten Jahr, dem Jubiläumsjahr „750 Jahre Groß Glienicke“, damit, das Fest in den Juni zu verlegen. Diese Terminänderung verknüpfte man nicht zuletzt mit der kleinen Hoffnung, dass der Juni wetterbedingt der günstigere Monat und somit mit etwas mehr Sonnenschein als Regen zu rechnen ist, schließlich hatte man in den vergangenen Jahren doch häufig mit zu viel Wasser von oben zu kämpfen.
Jedes Jahr präsentieren sich die Vereine aus Groß Glienicke den Einwohnern und Gästen aus der Umgebung mit einem vielseitigen, bunten und multikulturellen Bühnen- und Angebotsprogramm für Groß und Klein. Kein Wunder also, dass auch diesmal wieder etwa 2.500 Besucher kamen und das bunte Treiben sowie den Austausch untereinander genossen.
Neu war in diesem Jahr die riesige digitale Leinwand, die auf der großen Showbühne installiert wurde, um den Gästen das WM-Spiel Deutschland gegen Schweden präsentieren zu können, das ab 20 Uhr live übertragen wurde. Weil aber zur Halbzeit unsere Elf 0:1 hinten lag und der kurz zuvor eingesetzte Regen immer stärker wurde, entschieden sich die meisten, den weiteren Spielverlauf zuhause im Trockenen zu verfolgen. Dennoch gab es noch vereinzelte Grüppchen, die in ihren Zelten feierten und die sich die gute Stimmung vom schlechten Wetter nicht haben nehmen lassen.
„Das Fest und die Entwicklung in Groß Glienicke sind etwas ganz Besonderes“, bestätigte mir auch Mario März, 1. Vorsitzender der Gewerbegemeinschaft Groß Glienicke. Und er muss es wissen. Er ist in Groß Glienicke aufgewachsen und hat durch sein persönliches Engagement auch einen wesentlichen Anteil an dieser positiven Entwicklung.
sts