„Die Geschichte unter unseren Füßen“ – Titel eines Buches von Prof. Dr. Adriaan Marius Cornelius von Müller.
Der Journalist Hans Groschupp besuchte aus Anlass des Bauvorhabens auf dem Campus Krampnitz die Untere Denkmalschutzbehörde in Potsdam.
Das Brandenburgische Landesamt für Denkmalpflege und Archäologisches Landesmuseum in Wünsdorf weist für das Kasernenareal Krampnitz zwölf Bodendenkmale aus.
Ein Archäologe nutzt bei seinen Grabungen die Kenntnisse der Ur- und Frühgeschichte und der Geologie, ist somit auch ein prähistorischer Archäologe. Von der Mittelsteinzeit bis zur vorrömischen Eisenzeit veränderten sich Boden und Landschaft unter unseren Füßen.
Vor 50.000 Jahren bedeckten Gletscher in einer Mächtigkeit von etwa 400 Metern, von Skandinavien, über Ostsee, Norddeutschland bis an die Mittelgebirge unsere Gegend, was alles Leben verhinderte. Dann erwärmte sich das Klima vor 25.000 Jahren und ließ das Eis schmelzen. Riesige Urströme entwickelten sich. Sie flossen in umgekehrter Reihenfolge, wie das Eis gekommen war, von Süd nach Nord ab, in die Nordsee und hinterließen viel Sand und Geröll, das das Eis einst vor sich her geschoben hatte, die Moränen. Der eiszeitliche Nuthestrom ging quer über das heutige Stadtgebiet Potsdams hinweg, beginnend an der Heiliggeistkirche, vorbei an Sanssouci und den Niederungen um Eiche und Golm. Durch den Wegfall des riesigen Drucks, den die Gletscher auf die Erdoberfläche ausgeübt hatten, entstanden nun tektonische Verwerfungen und Brüche, unter anderem ein tiefer Grabenbruch im rechten Winkel zum Nuthestrom, die Havel. Jener Bruch sammelte das Nuthewasser und leitete es nun in einem Linksschwung weiter nach Brandenburg bis Hamburg. Dadurch lagerte die Nuthe den Gletschersand im Gebiet des heutigen Potsdams ab. Mehrere Inseln und Plateaus entstanden. Die Vegetation hatte den Charakter des eisfreien Grönlands.
„Welches Menschenauge hat nun die ursprüngliche Naturlandschaft zum ersten Male geschaut?“, fragte 1938 Magistratsrat Friedrich Bestehorn, ,Direktor des Potsdammuseums im Palast Barberini und passionierter Archäologe. Die ersten Bewohner kamen um 10.000 – 4.000 v. Chr. und waren indogermanischen Ursprungs. Slawische Stämme kamen erst später hinzu. Die so genannte „Römer Schanze“ entstand um 1.500 vor Chr. Als das bedeutendste Vorgeschichtsdenkmal sah Bestehorn die Semnonensiedlung am Krampnitzsee an, bei der die Anlage einer Eisenschmelze nachgewiesen werden konnte, schon Anfang des 20. Jahrhunderts. Seine eigenen Grabungsberichte sind zum Kriegsende verloren gegangen.
Pressesprecher Markus Klier hatte mir einen Termin im Fachbereich Bauaufsicht, Denkmalpflege, Umwelt und Natur organisiert, bei Gundula Christl.
Das gesamte Kramnitzareal ist längst georeverenziert, mit der Airborn-Laserscan- Methode erfasst und kartographisiert, erzählt Gundula Christl und zeigt mir entsprechende Karten. Diese Karten bilden im Ergebnis die Voraussetzung für alle Erlaubnisse, im Bereich der Bodendenkmale zu bauen. Linienprofile, ähnlich der Isobarenlinien der Wetterberichter zeigen alte und neue Profile der Landschaft, gemessen mit neuesten wissenschaftlichen Methoden. Sie ergeben, dass das Profil um den Kellerberg bei Krampnitz mehrfach verändert wurde. Fast alle Bodendenkmale sind bereits seit Anfang des 20. Jahrhunderts bekannt. Der Archäologe gräbt, dokumentiert den Fund und leitet ihn der Archivierung zu, erklärt mir Gundula Christ. Die heutigen wissenschaftlichen Messmethoden erlauben eine exakte Bestimmung der Fundorte. So ist es möglich, das historische geologische Bodenrelief zu bestimmen. Im Laufe der letzten 1.000 Jahre ergaben sich durch Klima, Wetter und Planierungen für die verschieden Kasernenbauten Abtragungen des Geländes bzw. Aufschüttungen.
Bei jeder Begehung mit den Bauherren ist die Untere Denkmalschutzbehörde dabei. Ohne ihre Erlaubnis kein Baubeginn. Es sei naiv anzunehmen, sagt Frau Christl, dass jedes Bodendenkmal erhalten werden kann. Der Primärschutz erfolgt an Ort und Stelle. Der Sekundärschutz besteht in der Dokumentation und der Archivierung, so geschehen auch im Bereich des Campus Jungfernsee. Grabung und Dokumentation bekäme man vergütet. Für ausreichende wissenschaftliche Arbeit fehlen Zeit und Geld.
Ich hatte 2010 durch den Neu Fahrländer Erich Neumann, Adriaan von Müller kennengelernt. Beide machten seinerzeit in Potsdam ihr Abitur. Von Müller ging nach Westberlin und wurde ein anerkannter Prähistoriker. Gundula Christl traf ihn einmal auf der „Römerschanze“ hinter Krampnitz. Die Westler hatten ja freien Zugang. So war wenigstens in der Archäologie der Klassenkampf ausgeblieben.
hg