Gerhard Neumanns Buch über sein Leben als
musikliebender Gärtner im Wandel der Zeit

Gerhard Neumann ist einer der wenigen Gärtner, der die Obstbautradition im Potsdamer Norden in die neue Zeit gerettet und daraus sein ganz eigenes Lebensprojekt erschaffen hat. „Das ist ja hier wie im Paradies“, bemerkte eine Kundin mit einem vollen Korb Erdbeeren im Arm nach ihrem Spaziergang durch die Obstplantage in Bornim. Das war vor 20 Jahren. Heute steht diese Frau, Gerhard Neumanns Frau Martina, lächelnd hinter dem Tresen des Hofladens von „Neumanns Erntegarten“ und freut sich mit ihm über ihren gemeinsam gelebten Traum.
Martina Neumann war es auch, die ihren Mann dazu inspirierte, seine Lebensgeschichte aufzuschreiben und ein Buch daraus zu machen. Jetzt ist „Mein Weg zum Paradies“ im Nora Verlag erschienen und wurde auf der Buchmesse in Leipzig Ende März vorgestellt.
Es ist ein Stück deutsche und Potsdamer Zeitgeschichte aus Neumanns persönlichem Blickwinkel heraus betrachtet. Gerade diese Spannung zwischen der Schilderung oft widriger gesellschaftlicher Umstände und dem, was Neumann in seinem persönlichen Leben daraus gemacht hat, machen das Besondere dieses Buches aus. Von sich selbst sagt er: „Ich bin kein Schriftsteller. Ich schreibe, wie ich denke.“ Das drückt sich auch in der ganz einfachen, flüssigen Sprache aus, in der die Texte verfasst sind.

Gerhard Neumann im Bistro seines Hofladens. Foto: sk

Neumanns Verleger, Dr. Philipp Dyck vom Nora Verlag, sagt über ihn: „Er ist ein Mensch, der nie aufgegeben hat, immer konsequent seinem Ziel gefolgt ist, egal in welchem System er gerade gelebt hat. Neumann ist Gärtner mit Leib und Seele.“
Gerhard Neumann gehört zu den Menschen, die bewegende, skurrile, aberwitzige, ja manchmal haarsträubende Geschichten nicht erst erfinden müssen, um sie aufzuschreiben. Neumann hat sie alle erlebt. Geprägt haben den jungen Neumann die Bombenhagel des zweiten Weltkriegs, glückliche Sommertage auf dem Bauernhof der Oma, die Arbeit auf dem Feld und mit den Tieren und die Liebe der Mutter zur Musik. Der Vater kam nicht aus dem Krieg zurück. Bei Stromsperre abends im Dunkeln sang die Mutter den Kindern Volkslieder vor. „Ich bin ein heißer Kriegsgegner geworden. Und war schon Kommunist, als ich noch gar nicht wusste, was das ist.“ Die Stalin-Kantate kann der Chorknabe Neumann noch heute auf deutsch, aber mit russischer Inbrunst vortragen. Mit der dick aufgetragenen Propaganda um den russischen Führer und dem System des Sozialismus konnte Neumann aber wenig anfangen.

Eingang zum Hofladen von Neumanns Erntegarten.

Von den widrigen Arbeitsbedingungen in der gärtnerischen Produktionsgenossenschaft (GPG) weiß Neumann aus erster Hand zu berichten. Und mit welch großer Kreativität auch er (notgedrungen) damit umging. Wegen starker Rückenprobleme musste der Pflanzenschutzagronom die jahrelangen täglichen Kontrollfahrten mit dem Motorrad über die buckligen Plantagen aufgeben. Das erfolgreiche Studium in Berlin verschaffte ihm Respekt. Weil ihn die GPG unbedingt behalten wollte, durfte er als erster Pflanzenschutzagronom in der jungen DDR in einem bequemen Trabbi über die Felder düsen. Damit hatte er sein Ziel erreicht: seine Gesundheit nicht völlig zu zerstören.
Nicht minder verrückt schildert Gerhard Neumann die Umbruchphase in der Landwirtschaft zu Wendezeiten. Zum Beispiel, wie er die Erdbeerernte der GPG rettete und mit Erntekörben voll mit 12.800 Mark in bar aus der Stadt heimkehrte.
Manfred Kleinert vom benachbarten Obstgut Marquardt und alter Kollege aus der GPG lobt das Buch und bestätigt: „Gerhard Neumann schildert die Zeit ganz sachlich. Man sollte es als Schulbuchliteratur empfehlen.“
Schonungslos beschreibt Neumann sein Verhältnis zu den Frauen seines Lebens. Offensichtlich eine harte Schule. Gehört er doch zu der Generation, die als Kind wirklich geglaubt haben, der Storch brächte die Kinder. Sexualität galt als etwas Schmutziges, vor dem man sich ekelte. Die Hemmungen waren groß. Die Befreiung aus diesen alten, belastenden Denkmustern beschäftigt Neumann ganz besonders. So sehr, dass er auch durch viele intensive Gespräche mit anderen Menschen und ihren Erfahrungen beschlossen hat, zwei weitere Bücher zu schreiben. Eines ist kürzlich erschienen: „Ist sie das, die Liebe? – Sieben Geschichten über die Liebe und ihre Spielarten.“ Ein zweites Buch zum Thema, mit dem Titel „Hunger nach Liebe“, hat Neumann schon fast fertig.
Wer denkt, Neumann würde sich nun mit dem Schreiben seiner Bücher zurückziehen und seinen Lebensabend vom Sofa aus genießen – weit gefehlt. Den Erntegarten mit dem Hofladen will er trotz des extrem trockenen Sommers im letzten Jahr und dem Ernteausfall von 80% durch den Spätfrost 2017 weiter führen. „Achtzig ist ja auch kein Alter.“ meint Gerhard Neumann.

 

sk

Blick nach Bornim über die Obstplantage Fotos: SCHWEIGER DESIGN

Das Buch…

… „Mein Weg zum Paradies“ ist Mitte März 2019 in einer leicht überarbeiteten Fassung erschienen und kostet 17,50 EUR. Zu beziehen über den Buchhandel (ISBN-10: 3865574572) oder direkt in Neumanns Erntegarten an der B273 in Bornim. www.hofladen-potsdam.de

Demnächst wird Gerhard Neumann sein Buch auch auf Lesungen vorstellen. Sobald die Termine feststehen, werden sie auf www.der-potsdamer.de veröffentlicht. Mit etwas Glück wird auf diesen Lesungen auch die Stalin-Kantate zu hören sein.