Raststättenpläne bedrohen Fischadlerpaar
Kommt die Raststätte Havelseen, muss ein Fischadlerpaar weichen, das dort seit Jahren erfolgreich brütet. Mehr als 20 junge Fischadler aus diesem Horst haben europaweit dazu beigetragen, neue Populationen aufzubauen.
Seit fünfzehn Jahren wiederholt sich das Schauspiel in jedem Frühjahr: Unabhängig voneinander treffen die Fischadlereltern aus ihren Winterquartieren in Afrika an ihrem Horst nördlich von Potsdam ein. Sie brüten dort auf einem Hochspannungsmast, der auf einem Feld steht – weitgehend abgeschirmt von Wanderern, Autos und anderen Störquellen. Das Paar hat dort bisher 23 Junge aufgezogen. In diesem Jahr waren es zwei.
Die Planungsbehörde machte von Anfang an kein Geheimnis daraus, dass sie mit dem Bauprojekt der Raststätte „Havelseen“ keine Rücksicht auf die seltenen Greifvögel nehmen möchte. Das Nest soll umgesiedelt werden.
Experten bewerten diese Maßnahme kritisch. „Ich habe mehrfach beobachtet, dass die Elterntiere eine solche Umsiedlung nicht akzeptieren“, sagt Günter Lohmann, Adlerexperte aus Ketzin, der seit 1974 Greifvögel in der Umgebung beringt. „Fischadler kehren oft zum alten Niststandort zurück und versuchen dort, ein neues Nest zu bauen“, sagt Lohmann. „Ein Versuch, der zum Scheitern verurteilt ist.“ Es habe jedenfalls wenig Zweck, die Platte, auf der der Horst errichtet wurde, einfach auf einem anderen Strommasten anzubringen und zu erwarten, dass sich die Tiere dort ansiedeln. „Fischadler sind stur. Sie haben ihren eigenen Kopf bei der Auswahl des Niststandortes.“ Experten verwiesen außerdem darauf, dass andere Standorte bereits besetzt sein könnten. In der Regel versuchen sich die männlichen Nachkommen in der Nähe des elterlichen Horstes anzusiedeln. Die Population in Potsdam bleibt aber seit Jahren stabil, ohne weiter zu wachsen – ein Hinweis darauf, dass keine weiteren Niststandorte frei sind. Verliert das Paar in Paaren sein Revier, besteht die Gefahr, dass es keine weiteren Nachkommen erbrüten kann.
Brandenburg hat für die bedrohte Vogelart europaweite Bedeutung. Hier leben rund 380 Brutpaare, über 60 % der bundesweiten Fischadlerpopulation. In der näheren Umgebung der geplanten Raststätte „Havelseen“ brüten gleich mehrere Paare, im Stadtgebiet Potsdam insgesamt zwölf – eine ungewöhnlich hohe Konzentration. Das hieße aber nicht, dass man auf einzelne Brutpaare verzichten könne, sagt Lohmann. „Der Nachwuchs wird gebraucht, um anderswo Populationen aufzubauen.“ Dank der Kunststoffringe, die er und sein Team jedes Jahr an den Fängen der jungen Greife befestigen, ist bekannt, dass die in Paaren aufgezogenen Jungvögel in verschiedenen Regionen Deutschlands (Bayern, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Sachsen, und Sachsen-Anhalt) sowie in Frankreich neue Populationen mit aufgebaut haben. Auch in Polen wurden die Jungadler gesichtet.
Würde die Raststätte genehmigt, hieße das, dass die Paarener Adlereltern für ihren Nistplatz den „Räumungsbefehl“ bekämen. Wenn sie sich im Herbst nach Afrika aufmachen, würde der Horst hinuntergestoßen und die Platte weggenommen, auf der sie ihr Nest errichtet haben.
Die Bürgerinitiative Potsdamer Norden ist jedoch optimistisch, dass neben dem Fischadler auch die anderen bedrohten Arten wie Kiebitz, Flussregenpfeifer und Baumfalke dort weiterhin leben dürfen. „Es wäre wirklich unsinnig, einen so wertvollen Lebensraum zu vernichten, wenn es mit Wolfslake an anderer Stelle bereits eine Raststätte gibt, die erhalten werden könnte. Das ist kaum noch vermittelbar“, äußern sich die Mitglieder, zu denen viele aktive Ornithologen zählen.
Auch die Stadt Potsdam hat sich in ihrer offiziellen Stellungnahme im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens klar positioniert: „Das Vorhaben wird wegen der erheblichen Konflikte mit dem Flächennutzungsplan, der unzureichenden Betrachtung des Altstandorts Wolfslake sowie aus boden-, natur- und umweltschutzrechtlicher Sicht grundsätzlich abgelehnt.“
Der Versuch des Potsdamer Oberbürgermeisters Mike Schubert und des Bürgermeisters von Schönwalde-Glien, Bodo Oehme, mit dem Brandenburger Infrastrukturministerium und dem Umweltministerium darüber ins Gespräch zu kommen, scheint gescheitert. Das Land Brandenburg wäre nicht mehr zuständig und hätte auch keine Eingriffsrechte. Deshalb wäre ein Gespräch nicht zielführend, hieß es aus dem Infrastrukturministerium. Welche Position das Umweltministerium dazu hat, ist der BI Potsdamer Norden nicht bekannt. Folgen die Bürgermeister der Empfehlung, müssten sie sich im nächsten Schritt an die zuständige Autobahn GmbH wenden. Oder sie erwirken eine politische Entscheidung auf Bundesebene. Mit der neuen Ampelkoalition könnte das gelingen.
BI Potsdamer Norden