Einblick hinter die Kulissen

Im Rahmen unserer Reihe „Handwerk hat goldenen Boden“ stellt der POSTDAMER unterschiedliche Handwerksberufe vor. Mal welche mit langer Tradition, andere, die sich neu entwickeln. Um die Berufe besser kennenzulernen, besucht der POTSDAMER die vorgestellten Betriebe. Der erste Beruf, den wir vorstellen, ist wohl einer der traditionsreichsten: das Bäckerhandwerk.
Laut Handwerkskammer Potsdam werden in deutschen Bäckereien etwa 400 Brotsorten und 1.200 Arten Feingebäck Tag für Tag hergestellt. Die Vielzahl von frischen Leckereien wird mit handwerklichem Geschick, moderner Technik sowie ausgesuchten Rohstoffen hergestellt.
Trotz einer zukunftssicheren Branche, einem internationalen und sehr vielseitigen Einsatzgebiet, hat das Bäcker- und Konditorhandwerk Schwierigkeiten, den Nachwuchs für sich zu begeistern. Wir wollten herausfinden, woran das liegt und besuchten die Backstube eines erfolgreichen und vielfach ausgezeichneten Bäckereibetriebs, die Bäckerei Zimmermann. Mit ihrer Spandauer Backstube und den vier Verkaufsstellen in Berlin und Potsdams Groß Glienicke gehört sie zu den mittelgroßen Backbetrieben.

Manfred Sommer vor verschiedenen und frischen Vollkornbrotlaiben. Fotos: sts

Eine echte Herausforderung

Der Wecker klingelt in der Nacht von Freitag zu Samstag. 23:30 Uhr. Zeit zum Aufstehen. Um 01:00 Uhr früh beginnt meine Schicht in der Backstube der Bäckerei Zimmermann.
Die bereits seit zwei Stunden arbeitenden vier Bäcker und eine Konditorin begrüßen mich freundlich, als ich in der schon von draußen gut duftender Bäckerei um Punkt 00:50 Uhr erscheine und übergeben mir die passende Arbeitskleidung, denn hier herrschen klare Hygienevorschriften. Während sich draußen der Herbst auf den Winter vorbereitet, arbeitet man drinnen bei Temperaturen, die an den Hochsommer erinnern. Kein Wunder, denn inmitten der Backstube steht ein über zwei Meter breiter, fast drei Meter tiefer und über sieben Ebenen verfügender Backofen, der die frischen und rohen Teigen bei über 200 bis 290 Grad Celsius zu herzhaft leckeren Broten, Brötchen und Kuchen verzaubert.


Das frühe Aufstehen scheint die größte Herausforderung, wenn man einen anderen Tagesrhythmus hat. „Daran gewöhnt man sich schnell“, erzählt Bäckermeister Manfred Sommer, während er immer wieder auf die vielen Uhren am Ofen schaut, Brote von einer Ebene auf die andere schiebt, fertig gebackene Brote herausnimmt, in die Regale zum Auskühlen legt und gemeinsam mit seinem Kollegen die freien Ofenbleche mit den frischen Brotteigen bestückt. Arbeitsschritte, die so perfekt und fast schon automatisch ablaufen, dass Sommer sich viel Zeit nimmt, um meine Fragen zu beantworten und dabei auch noch Zeit hat, für das ein oder andere Foto kurz still zu stehen. Schon als Fünfjähriger habe er gerne gebacken, verrät er mir.

Wolfgang Zimmermann und Ronny Koßwig packen die Kisten für die einzelnen Filialen

Hand in Hand

Mind. 900 kg unterschiedliche Brot-, Brötchen- und Kuchenteige warten an einem durchschnittlichen Tag darauf, gebacken zu werden. Dabei sind die Räumlichkeiten der Backstube optimal auf den Backprozess ausgerichtet und der gesamte Platz perfekt genutzt – anders wäre eine so schnelle und fließende Arbeit wohl auch nicht möglich.
Sommer erklärt mir, worauf es beim Backvorgang ankommt. Um zum Beispiel die Kruste des Bauernlaibs schön knusprig zu bekommen, muss die Dosierung des Wasserdampfs, mit dem die Brote im Ofen bedampft werden, genau stimmen. Bedampft man zu wenig, wird die Kruste nicht kross genug, bedampft man zu viel, könnte das Brot zu trocken und hart werden. Sommer hat das genau im Gefühl. 1988 hat er in dem Betrieb, der vor etwa 15 Jahren von Wolfgang Zimmermann übernommen wurde, als Lehrling angefangen. Auch die anderen Mitarbeiter der Bäckerei Zimmermann sind seit mehreren Jahrzehnten dort. Ein Zeichen für das kollegiale Miteinander und die gute Arbeitsatmosphäre im Betrieb.

Mit viel Training sitzt jeder Handgriff

Fast ohne Absprachen scheinen die vier Produktionsstufen abzulaufen. Gerd Kangowski bereitet die unterschiedlichsten Teige in der Knetmaschine vor. Anschließend wird der Teig per Hand gewirkt. Unter dem Wirken versteht man das Formen des Teigs. Je nachdem, welches Brot gebacken werden soll, wird rund- oder langgewirkt. Und da man zwei Hände hat, werden auch zwei Brote gleichzeitig gewirkt. Selbstverständlich versuche ich es, den erfahrenen Bäckern nachzumachen – ohne Erfolg. Ich habe noch nicht einmal mit zwei Händen ein Brot so hinbekommen, wie die Bäcker mit einer. Von der kurzen Zeit, die sie dafür brauchen, ganz zu schweigen.

Je nachdem, woraus der Teig besteht, dauert der Backprozess unterschiedlich lange. Hat der Ofen seine Arbeit getan, kommen die noch heißen Laibe ins Regal oder gleich in die Kästen, um direkt in die Filialen gefahren zu werden, die bereits zum Teil um 05 Uhr in der Früh öffnen. Einige Brote und Brötchen werden nur vorgebacken, um dann in den Verkaufsstellen fertiggebacken und noch warm verkauft werden zu können.

Autor Steve Schulz packt mit an

Weniger Maschinen, höhere Qualität

Hier ist Handwerk noch wirkliches Handwerk. Außer den großen Teigrührmaschinen kommen kaum andere Maschinen zum Einsatz. Selbst das Abwiegen und Portionieren des Teigs wird per Hand und Waage gemacht. Jedes einzelne Brötchen ist mit der Hand geformt, und auch ich darf mich an dem Produktionsprozess beteiligen, indem ich die Vollkornbrötchen mit Körnern bedecke. Eine Aufgabe, die für mich als Ungelernten genau richtig zu sein scheint. Doch auch hier zeigt sich wieder der Vorteil der Erfahrung. In der Zeit, in der ich zwei Brötchen fertig mache, macht mein „Kollege“ sechs.
Kangowski erklärt mir, warum die Maschinen in Großbetrieben seine Teige gar nicht verarbeiten könnten: „Damit die großen Maschinen die Teige überhaupt verarbeiten können, muss den Teigen mehr Chemie zugesetzt werden. Wir verzichten hier auf zusätzliche Chemie und verwenden nur naturbelassene Produkte für unsere Teige. Das schmeckt man auch.“

Die Goldene Brezel und andere Auszeichnungen

Nicht jeder Bäcker hat sie, die Goldene Brezel. Sie ist eine Auszeichnung für Bäckereien, die regelmäßig an Qualitätsprüfungen teilnehmen. Seit mehreren Jahren erhält die Bäckerei Zimmermann diese hohe Auszeichnung. Doch nicht nur diese. „Unsere Auszubildenden schließen ihre Prüfungen häufig mit Auszeichnung ab, weil wir uns für sie sehr viel Zeit nehmen und nicht nur beim Backen, sondern auch während der gesamten Ausbildung auf Qualität achten“, erzählt mir Wolfgang Zimmermann stolz.


Am Ende eines arbeitsreichen Tages liegen über 100 verschiedene Produkte in den Verkaufsregalen und warten auf die Brot- und Kuchenliebhaber mit Anspruch auf Qualität.

Hier steckt viel Liebe drin. Handwerk und naturbelassene Zutaten sind die beiden Qualitätsgaranten bei Zimmermann

Einsatzgebiete des Bäckers

Ob in der Backstube, der Großküche, im Hotel oder auf dem Kreuzfahrtschiff, wer die Kunst des Backens beherrscht, ist auf der ganzen Welt sehr gefragt. Vor allem deutsche Bäcker genießen international einen sehr guten Ruf. Wegen des sich stetig ändernden Konsumverhaltens und neuen Trends muss auch der Bäcker kreativ sein, neue Rezepte entwickeln und verfeinern. Und auch außerhalb der Backstube kann der Bäcker nach der dreijährigen dualen Ausbildung Karriere machen. Ob als Berufsschullehrer, Lebensmitteltechnicker oder mit dem Meisterbrief direkt zum Studium, als Bäcker stehen einem viele Wege offen.

sts