Zu Beginn unseres Spaziergangs hatten wir uns dem Begriff der historischen Kulturlandschaft genähert. Wir wissen nun, dass er erst über die 4. Dimension, die der Zeit und dem Widerstand gegen die Vergänglichkeit, seine wahre Bedeutung bekommt. Nicht nur die UNESCO, auch die EU, die Bundesrepublik und die Bundesländer haben sich in unterschiedlicher Form und Wirkung zu diesem Thema positioniert.

In Brandenburg kann der Schutz der Historischen Kulturlandschaft über den Denkmalschutz eingefordert werden. So geschehen z.B. für die Bornimer Feldflur am 26. November 2015 durch die Stadtverordnetenversammlung. Grundlage sind fachliche Gutachten und Untersuchungen – dies auch ein Zukunftsauftrag, da zum Thema Kulturlandschaft außerhalb der Schlösser und Parks bisher nur wenig Material vorliegt. Umso dringender wird der sofortige Schutz dieser natürlichen, wenn auch durch Menschenhand entstandenen Denkmäler, denn es gibt den gierigen Zugriff auf landwirtschaftliche bzw. unbebaute Flächen durch unterschiedlichste Interessen.
Kulturlandschaften werden dabei zerstört und gehen für immer verloren. Obwohl am Rande der „Potsdamer Kulturlandschaft“ gelegen, ist Satzkorn ein Teil dieses „Paradieses“, das mit Kurfürst Friedrich Wilhelm im 17. Jahrhundert entstehen sollte und dessen Umsetzung bis in das 19. Jahrhundert fortdauerte. Ab 1840 führte Friedrich Wilhelm IV. mit den Plänen des genialen Gartenbauarchitekten Peter Joseph Lenné (1789-1866) diese Idee weiter. Parkanlagen sollten sanft über agrarisch genutzte und gestaltete Flächen in die Landschaft übergehen.

Hecken, Obst- und andere Bäume dienten auch dem Schutz gegen die Bodenerosion, und über derartig bepflanzte Alleen und Wege wurden Park und Landschaft miteinander vereint. Der Begriff der Lennéschen Feldflur wurde geprägt. Die Feldflur als landwirtschaftlich gestaltete Fläche wird zum Bindeglied der Parklandschaft mit dem bäuerlichen Landwirtschaftsraum im Anschluss. Dieser an die Potsdamer Kulturlandschaft sich anschließende Raum wird in etwa durch die im Jahr 2003 im Norden von Potsdam eingemeindeten Dörfer, also auch Satzkorn, gebildet und umfasst eine Fläche von zirka 3.500 Hektar. Hier findet sich eine andere Art der Kulturlandschaft: Dörfer, Gutshäuser mit kleinen Gutsparks und eine praktisch ausgerichtete, keinesfalls ästhetisch geplante Agrarwirtschaft und ihre über die Jahrhunderte währende Entwicklung. Die Historie der preußischen Landwirtschaft ist in der Satzkorner Kulturlandschaft sehr gut ablesbar. Unsere Land- und Dorfstruktur sowie die Geschichte des Dorfes geben darüber Auskunft. Die Aufwertung ihrer Bedeutung durch einen zugesagten Erhalt würde eine ähnliche Akzeptanz bei Einwohnern, Landwirten und Touristen zeigen, wie die der Bornimer Feldflur.

Die Gutsanlage Satzkorn (siehe Oktoberausgabe des POTSDAMER) steht mit dem Gutshaus, dem Verwalterhaus, zwei Wirtschaftsgebäuden und zwei Ställen seit 2002 unter Denkmalschutz. Im Bescheid der Unteren Denkmalschutzbehörde zum Eintrag in das Verzeichnis der Denkmale des Landkreises Potsdam-Mittelmark vom 14.03.2002 wird begründet: Das Gut ist neben der Kirche das „… wichtigste Geschichtszeugnis“ Satzkorns. Es „… nimmt den gesamten Südteil der alten Dorflage ein… und ist ein Spiegel der Ortsgeschichte. … Satzkorn zeigt, wie im Laufe der Zeit aus einem Dorf mit mehreren, kleinen Ritterhöfen, deren Besitzer wiederholt wechselten, schließlich ein von einem Gut dominierter Ort wurde.“ Gut und Gutshaus bekommen außerordentliche Bedeutung im Spiegel einer baugeschichtlichen, vergleichenden Betrachtung der Kulturlandschaft in ganz Brandenburg mit ihren zahlreichen Schlössern, Gutshäusern und Herrensitzen. Und hat damit „… eine über den einzelnen Ort hinausgehende landesgeschichtliche Bedeutung“. Übrigens stellte am 29.01.2002 die Gut Tierproduktion GmbH Satzkorn einen Abbruchantrag für das Gutshaus Satzkorn, der mit obigem Eintrag in das Denkmalverzeichnis zum Glück verhindert wurde.
Der Denkmalseintrag wirft einen ganz neuen Fokus auf die aktuelle Sanierung des Gutshauses: sie geht weit über den lokalen, dörflichen Raum Satzkorns hinaus und bekommt kulturelle und städtebauliche Bedeutung für Potsdam, das Havelland und ganz Brandenburg. Wir sind sehr zufrieden, dass sich die neuen Besitzer des Gutshauses für die Wiederherstellung der alten Bausubstanz entschieden und das Haus vor dem Abriss bewahrt haben. Wir haben täglich die zunehmende Verwahrlosung beobachten müssen, jedes Jahr mehr – es war ein Jammer! Verfolgt man die Bilder des stetigen Verfalls, scheint es nun wie ein Wunder, dass eines Tages dieses Kleinod mit seiner besonderen Geschichte wieder in seiner schlichten Schönheit zu erleben sein wird. Der zum Gutshaus gehörende Gutspark ist heute noch an einigen Strukturen zu erkennen: die vier alten Eichen – darunter die im Jahr 1871 von der Familie Brandhorst-Satzkorn gepflanzte Friedenseiche – die Form einer Insel durch umlaufende Kanäle und einige Wege.

Der denkmalwürdige Gutspark bildet im kleineren Maßstab den Übergang in die Feldflur, die landwirtschaftliche genutzte Fläche. Eine neuerliche Bedeutung könnte der Gutspark bekommen, wenn sich die These nachweisen ließe, dass die bekannte Potsdamer Gärtnerfamilie Sello über mehrere Generationen an der Gestaltung, Anlage und späteren Umgestaltung des Gutsparks beteiligt gewesen wäre. Im Jahr 1999 investierte das Land Brandenburg im Rahmen des Projekts „Erlebnishof Satzkorn“ erhebliche Fördergelder in die Parkerhaltung. 2008 bestätigte die Untere Denkmalschutzbehörde Potsdam: „Der Gutspark stellt neben der Gutsanlage für Satzkorn einen wesentlichen kultur- und sozialgeschichtlichen Bestandteil der Dorfanlage und der Kulturlandschaft um Potsdam dar. Sein noch überkommener Baumbestand wie die noch wahrnehmbare Struktur bildet eine fundierte Grundlage für seine Wiederherstellung.

Trotz der wechselvollen Zeiten … gibt es unser altes Dorf unverändert in der Form, wie es auf der Karte von 1683 zu sehen ist, also seit über 300 Jahren, wahrscheinlich viel länger. Es ist geprägt durch die historische Dorfanlage als Anger- und Sackgassendorf: im Zentrum mit dem Dorfanger und der denkmalgeschützten Kirche, mit dem im südlichen Teil gelegenen Gut mit Gutspark, durch die Dorfstraße mit ihrer meist eingeschossigen Bebauung, in der wechselnden Anordnung von giebelseitigen Stallgebäuden und traufseitigen Wohnhäusern, deren Hausgärten rückseitig in die freie Landschaft übergehen sowie die unser Dorf umgebende Feldflur mit den Upstallwiesen, den Obstplantagen, dem Kreuzbruch und den dazugehörigen Wegen. Seit 1995 gibt es das „Neue Dorf“. Abgegrenzt vom alten Dorf, wurde es auf dem ehemaligen „Lange Stücken Feld“ gebaut, das ebenfalls auf der Karte von 1776 verzeichnet ist. Der Straßenplan von 1776 zeigt bereits die heutige Satzkorner Bergstraße als „Weg nach Marquard“ und auch den „Weg nach Pahren“, der zum Teil mitdem Bau des Satzkorner Bahnhofs für die Straße zum Bahnhof aufgegeben wurde. Auch die heutige Eichenallee gab es als „Weg nach Eutz (Uetz)“. Bis auf den „Weg nach Pahren“ ist die Führung der „Haupt“straßen seit 1776 unverändert. Bestimmt wurden sie durch die Form des Dorfes und die Begrenzungen des Ackerlandes. Der Verlauf von Pappelweg, Kreuzweg und Parkweg ergab sich damals wie heute durch die vorhandenen Feldgrenzen und Gräben. Und wer ist nicht alles über unsere Dorfstraße gelaufen oder geritten! Mehrere Generationen der von Hünickes, der von Bardelebens. Der Pfarrer. Schmied, Bauern und Kossäten mit ihren Frauen und Kindern, die anderen Ritter und ihre Angehörigen. Und natürlich Familie Brandhorst, später Brandhorst-Satzkorn … Die Kutsche des Königs rollte mehrmals über unsere Dorfstraße, als dieser sich vom Baufortschritt des Gutshauses überzeugen wollte. Nach Osten war Satzkorn an die damaligen wichtigsten Verbindungen angeschlossen: drei große Handelswege gingen durch das Havelland. Sie liefen von Hamburg, von der Altmark und von Magdeburg über Nauen und Spandau durch Fahrland und führten nach Berlin bzw. Potsdam. Legt man auf die Karte von 1776 die von 1844 und darauf die aktuelle Flurkarte von Satzkorn, stellt man fest, dass sich am Verlauf der „Haupt“straßen an den Flächen und Grenzen des Ackerlandes wenig geändert hat. Nicht nur dadurch steht unsere Gemarkung für eine besondere Persistenz der Landschaft seit dem 14., besonders aber nach dem 19. Jahrhundert in Brandenburg. Im Kompendium „Der Boden und die landwirtschaftlichen Verhältnisse des Preussischen Staates“, Band 6, von 1868, wird Satzkorn beispielhaft als Gegenstand der Kulturlandschaftsforschung behandelt.

Aussagen von Dr. Ramona Dornbusch … die sich intensiv mit dem Thema Kulturlandschaft in Brandenburg befasst hat und Andreas Kalesse – von 1991 bis 2018 Stadtkonservator der Landeshauptstadt Potsdam – bekräftigen den unbedingten Erhalt dieser die Jahrhunderte überdauernden Satzkorner Kulturlandschaft. Ihre Arbeit „Der Wandel der agrarstrukturellen Verhältnisse in Satzkorn vom 18. Jahrhundert bis zum 19. Jahrhundert“ nimmt zum Ausgangspunkt ihrer Untersuchungen die von 1844 bis 1858 erfolgte Separation in Satzkorn. Grundlage für diesen Prozess war eine exakte Vermessung der Feldmark und ihrer Eigentumsverhältnisse sowohl vor als auch nach der Separation, die in diversen Karten ihren Niederschlag fand. Etwas mehr als 2.300 Morgen wurden neu aufgeteilt. Am Ende besaßen die Gutsbesitzer mehr als 61 Prozent des Bodens. Nach der Separation mussten Wege als Zugänge zu den Äckern angelegt werden, neue Kanäle entstanden und durch die Aufpflanzung von bestehenden Alleen entstand eine markante Gliederung der Landschaft. Die detaillierten, schriftlichen Separationsunterlagen, das Kartenwerk und die Zustandsforschung der Landschaft vor Ort wurden und werden in Bezug gesetzt, um belastbare Aussagen in naturwissenschaftlicher und archäologischer Sicht zu bekommen. Dafür ist der Erhalt unserer Landschaft unabdingbar. Renate Mohr

Den 4. und letzten Teil der Serie lesen Sie in unserer nächsten Ausgabe.