Zweierbob-Olympiasiegern Deborah Levi im Gespräch
Erst seit etwas über drei Jahren fuhr die 24-Jährige Lehramtsstudentin und Anschieberin Deborah Levi Bob, als sie gemeinsam mit ihrer Pilotin Laura Nolte bei den Olympischen Winterspielen 2022 in Peking im Zweierbob Gold gewann.
Was mit einem Schnuppertraining aus Neugier gewann, wurde zu einer einmaligen Erfolgsgeschichte.
Am 14. Mai 2022 erhielt Deborah Levi, genannt Debbie, vom SC Potsdam, für den sie startet, ihre eigene Olympia-Stele am Walk of Fame auf dem Gelände des Luftschiffhafens.
Aus diesem Anlass sprach der POTSDAMER mit ihr über ihre sportlichen Ziele, ihre Freundschaft zu Teamkollegin Sandra Nolte und die Herausforderungen, die ein Olympiasieg mit sich bringt.
Du trainierst abwechselnd in Frankfurt am Main, im Potsdamer Luftschiffhafen (LSH) und an anderen Trainingsstätten. Wofür braucht es zwei oder gar mehrere?
Ich komme aus Hessen und habe dort auch schon von Kind auf Leichtathletik betrieben. Nachdem ich 2018 zum Bobsport rekrutiert wurde, wollte ich jedoch gerne meinen Studiums- und Trainingsstandort in Frankfurt beibehalten. Mit der Anschließung an den SC Potsdam habe ich eine neue Sportheimat gefunden, in der ich ab und zu vor allem im Sommer gerne die optimalen Trainingsbedingungen mit der Anschubstrecke nutze.
Bei der U23-DM der Leichtathleten im Sommer 2018 wurdest du von dem Leichtathletiktrainer Thomas Prange angesprochen, ob Sie neben dem Sprint auch mal das Bobfahren ausprobieren möchten. Damals suchte man eine Anschieberin für die Nachwuchspilotin Laura Nolte. Schon zwei Wochen später standst du mit Laura neben Bob-Bundestrainer René Spies und absolviertest deine erste Bobeinheit. Ist der Funke damals schon zum Bobfahren übergesprungen oder hat das eine Weile gedauert?
Das Anschieben hat mir sofort Spaß bereitet, da es dem Sprinten sehr ähnelt und durch das Zusatzgewicht, was wir anschieben, einer kraftaffineren Athletin wie mir entgegenkommt. Zudem habe ich mich von Anfang an super mit Laura verstanden, so dass die Arbeit im Team sofort funktioniert hat. Die ersten Fahrten im Bob musste ich erstmal ein wenig verdauen, der Körper gewöhnt sich aber mit der Zeit auch daran.
Wolltest du dann nur noch im Bobfahren Wettkämpfe bestreiten?
Wenn es die Trainingsvorbereitung zulässt, laufe ich im Sommer auch auf Leichtathletikwettkämpfen, da ich dort auch noch den Nervenkitzel habe. Hinzu kommt, dass es für die Schnelligkeitsentwicklung, die ich beim Anschieben brauche, auch förderlich sein kann.
Wie viele Stunden trainieren Sie am Tag, und was trainierst du? Wie viel Zeit verbringst du davon tatsächlich im Bob bzw. im Eiskanal? Und wie viele Stunden trainiert Ihr nicht körperlich, sondern arbeitet am Bob selbst, um diesen zu optimieren?
Im Sommer trainiere ich sechs Mal die Woche am Leichtathletikstützpunkt in Frankfurt und bin teilweise an den Wochenenden noch an den Anschubstrecken in Winterberg oder Potsdam vor Ort.
Im Winter haben wir in einer Wettkampfwoche drei Bobtrainingstage sowie das Athletiktraining, bestehend aus Kraft- und Schnelligkeit- bzw. Sprinttraining. Es kommt deshalb auch häufiger vor, dass wir beispielsweise vormittags zwei Stunden im Kraftraum stehen, nach dem Mittagessen unsere Bobfahrten am Nachmittag absolvieren und anschließend nochmal eine Stunde in der Garage stehen, um Einstellungen am Bob anzupassen. Der Tag ist damit schon vollgepackt.
Welche körperlichen Fertigkeiten machen dich zu einer so erfolgreichen Anschieberin?
Ich habe hinter mir einen tollen Trainer stehen, der mich die letzten Jahre athletisch sehr vorangebracht hat. Als Anschieberin ist es denke ich nie verkehrt, unter anderem eine Grundschnelligkeit mitzubringen, aber auch eine gewisse Kraftaffinität vorzuweisen.
Ist die Freundschaft zwischen dir und Laura auch ein Teil Eures Erfolgs oder spielen persönliche Dinge aus sportlicher Sicht keine Rolle?
Uns beiden ist Freundschaft sehr wichtig. Umso besser ist es, dass wir uns als Freundinnen gefunden haben und auch außerhalb des Sports harmonieren. Dadurch ist es vor allem in den intensiven Wettkampfwochen im Winter von Vorteil, eine Freundin dabei zu haben, mit der man alle Probleme innerhalb und außerhalb des Sports besprechen kann. Gemeinsames Siegen macht mehr Freude, gemeinsames Leiden ist aushaltbarer. Wir sind ein eingespieltes Team.
Wenn man so viel körperlich trainiert wie du, welche Rolle spielt dann die Psyche beim Wettkampf? Arbeitest du mit einem Mental-Coach? Sind Erfolge genauso schwer mental zu verarbeiten wie Niederlagen, weil mit dem Erfolg höhere Erwartungen an einen gesetzt werden?
Der Kopf und die mentale Stärke sind am Ende des Tages entscheidend über Sieg und Niederlage. Man kann noch so gut körperlich auf den Wettkampf vorbereitet sein, wenn der Kopf nicht mitspielt. Ich habe die letzten Jahre nicht mit einem Mental-Coach zusammen gearbeitet, möchte das ganze Thema aber angehen, da die Psyche meiner Meinung nach ebenso wie der Körper trainiert werden muss. Ich habe mir über die Jahre aber mentale Methoden angeeignet, die ich unbewusst anwende. Das kann eine Visualisierung des Wettkampfes sein oder der Umgang mit Niederlagen. Auch in diesem Zusammenhang kann man lernen, persönlich mit Erfolgen umzugehen, um sich nicht von den Erwartungen Außenstehender überrumpeln zu lassen. Niederlagen wirken auf den ersten Moment immer sehr undankbar, gehören aber zum Leistungssport dazu und formen die Persönlichkeit als Athletin. Man wird gefordert, eigene Routinen zu hinterfragen und an sich zu arbeiten.
Von den mittlerweile etwa vier Jahren, die du jetzt Bobfahrerin bist, waren mehr als zwei von Corona geprägt. Wie sah dein Training in dieser Zeit aus, und wie ist es dir gelungen, deine Motivation aufrechtzuerhalten?
Ich konnte dank eines strengen Hygienekonzeptes relativ schnell wieder in meinen normalen Trainingsalltag einsteigen. Besonders im ersten Jahr war er natürlich durch unter anderem Gruppenminimierung und viele Vorschriften angepasst, aber nicht stillgelegt, wofür ich sehr dankbar bin. Da der restliche Alltag sehr lange sehr eingeschränkt war, konnte ich mich somit voll auf das Training konzentrieren.
Neben all den Wettkämpfen und unzähligen Trainingseinheiten, bleibt da noch ausreichend Zeit für Freunde und Familie?
Im Winter stehen Familie und Freunde leider doch viel hinten an und auch im Sommer kommen sie durch Trainingslager etc. häufig zu kurz. Umso mehr genieße ich die gemeinsame Zeit.
Wie lange kann man im Bobsport im Hochleistungssport aktiv bleiben?
Das ist ganz unterschiedlich und hängt auch von der eigenen körperlichen Verfassung ab. Es gibt Männer, die den Sport bis Mitte dreißig betreiben.
Es gibt Sportarten, bei denen jedes Gramm Körpergewicht den Wettkampfverlauf in beide Richtungen mitentscheiden kann. Du bist jemand, der gerne ab und zu nascht. Verzeiht der Bobsport das eine Stückchen Schokolade eher als die Leichtathletik?
Das stimmt allerdings, ich nasche gern.
Wir dürfen im Zweierteam am Wettkampftag mit unserer Ausrüstung am Körper (ohne Bob einberechnet) ein Gesamtgewicht von 160 haben, also 80 Kilo pro Person. In meinem Fall liege ich unter dem Gewicht, so dass ich mir den ein oder anderen Nachtisch auch gönnen darf. Insgesamt ist es aber in jedem Leistungssport so, dass eine gesunde Ernährung die Basis für Trainings- und Wettkampferfolge darstellt.
Kannst du mittlerweile von deinem sportlichen Erfolgen leben? Und wie sehen deine zukünftigen beruflichen Pläne aus?
Momentan finanziere ich mich über den Sport, womit ich aber nicht für die Zeit nach der aktiven Karriere ausgesorgt habe. Um nach dem Leistungssport an den „normalen“ Berufsalltag anknüpfen zu können, studiere ich nebenbei Grundschullehramt.
Wenn man wie Sie viele Stunden am Tag Hochleistungssport treibt, hat man dann noch Lust, privat Sport zu machen?
Ich persönliche bin durch das Training schon sehr ausgelastet, so dass mir die Treppe in den dritten Stock meiner Wohnung als Sport nebenbei ausreicht.
Was steht sportlich für Dich als Nächstes an?
Wir haben jedes Jahr eine Weltmeisterschaft als Höhepunkt, im Jahre 2024 wird diese in Winterberg stattfinden. Laura hat dort Bobfahren gelernt und ich meine ersten Fahrten mit ihr gemacht, weshalb wir uns besonders auf die Heim-WM freuen.
Liebe Debbie, vielen Dank für das Gespräch. Wir wünschen Dir weiterhin viel Erfolg, und bleibe vor allem gesund.
Das Gespräch führte Steve Schulz