Die besten Vorschläge aus dem Bürgerhaushalt werden ab jetzt politisch diskutiert

Am 29. Januar 2020 übergab die Verwaltung die „TOP 20 – Liste der Bürgerinnen und Bürger“ des aktuellen Bürgerhaushalts an die Stadtverordnetenversammlung. Die Liste mit den 20 wichtigsten Vorschlägen wird nun in die politische Diskussion zum nächsten Stadthaushalt einbezogen und über jede Projektidee in den Kategorien „Annahme“, „Prüfauftrag“ und „Ablehnung“ entschieden. Die Potsdamer, die sich beteiligt haben, wünschen sich vor allem mehr Klimaschutz, Lösungen bei sozialen Fragen und im Verkehrsbereich.

Neuer Beteiligungsrekord

Bei der Vorschlagssammlung und in den Abstimmungsphasen für den Bürgerhaushalt 2020/21 haben erstmals mehr als 17.500 Menschen mitgemacht. Oberbürgermeister Mike Schubert sagt „Die Rekordbeteiligung ist ein toller Erfolg. Mein Dank gilt vor allem den Potsdamerinnen und Potsdamern. Sie machen unseren Bürgerhaushalt zu dem, was er sein soll: Ein Beitrag zur gemeinsamen Gestaltung unserer Stadt.“ Bürgermeister und Finanzbeigeordneter Burkhard Exner ergänzt „Mit dem Bürgerhaushalt … haben wir eine klare Vorreiterrolle inne. Mittlerweile gilt in Potsdam: Kein Haushalt ohne Bürgerhaushalt und das ist deutschlandweit einmalig.“

Großer Wunsch für den Potsdamer Norden: ein Hallenbad.

Großer Wunsch für den Potsdamer Norden: ein Hallenbad. Foto: pixabay

Spannende Ideen

Deutlicher Spitzenreiter des Bürgerhaushalts 2020/21 ist die Forderung, kein städtisches Geld für den Wiederaufbau der Garnisonkirche zu verwenden. Ebenfalls viele Unterstützer zählen Vorschläge zur Verkehrsentwicklung. Hier wird gefordert, Fahrradwege auszubauen und sicherer zu gestalten, den öffentlichen Nahverkehr in der Stadt für alle kostenfrei zu machen sowie für eine autofreie Innenstadt.
In der Kategorie „Investitionen“ erhalten zudem der Wunsch nach mehr grünen Dächern und Fassaden und die Einführung eines Pfandbechersystems die meisten Stimmen. Beim Thema „Haushaltssicherung“ sollen eine Anhebung der Hundesteuer beschlossen, in der Verwaltung „Open-Source-Software“ genutzt, Einsparungen durch weniger Beleuchtung erzielt und für die historischen Schlossparks Eintritt, anstatt einer Förderung der Stadt, gezahlt werden. Als Maßnahmen des laufenden Haushalts stehen u.a. die Forderungen nach einer tarifgebundenen Bezahlung im Ernst-von-Bergmann-Klinikum, einer Beschleunigung des Klimaschutzes sowie zur Einschränkung von Feuerwerken ganz oben auf der Liste.

Vorschläge für den Potsdamer Norden

Zwei konkrete Projektideen für den Potsdamer Norden haben es in die Endauswahl geschafft. Zum einen die Idee einer „Zweiten Nord-Süd-Verbindung der Straßenbahn zur Entlastung des Potsdamer Nordens“.Im Vorschlag heißt es: „Durch eine neue 2. Nord-Süd-Verbindung würde nicht nur die besagte Strecke entlastet werden, sondern auch die komplette westliche Nauener Vorstadt sowie das Schloss Sanssouci, der Ruinenberg und die Friedenskirche an ein leistungsfähiges und durchgehendes Netz der Straßenbahn angebunden. Zusätzlich bestünden neue Direktverbindungen, etwa von Krampnitz zum Schloss Sanssouci. Diese Strecke könnte zwischen Luisenplatz und Campus Fachhochschule geplant werden und würde auch eine Umleitung im Fall von besagten Störungen bieten.“
Die Stadtverwaltung lehnt diesen Vorschlag in einer ersten Einschätzung ab. Mit folgender Begründung: „Für die Vorbereitung einer solchen Maßnahme ist zunächst eine Nachfrageanalyse und Machbarkeitsstudie durchzuführen. Gemäß einer im Jahr 2016 durchgeführten Leistungsfähigkeitsbetrachtung für das Potsdamer ÖPNV-Netz werden folgende Streckennetzerweiterungen der Straßenbahn als dringlicher eingeschätzt: Verlängerung der Straßenbahn von Campus Jungfernsee über Krampnitz nach Fahrland, Erweiterung Straßenbahn-Streckennetz in Babelsberg / Am Stern, Erweiterung des Straßenbahn-Streckennetzes nach Golm und Verlängerung der Straßenbahn von Bornstedt nach Bornim. Die drei letztgenannten Streckenerweiterungen können auf Grund der personalintensiven Planungen und der hohen Kosten nur nacheinander abgearbeitet und realisiert werden. Dementsprechend ist die vorgeschlagene 2. Nord-Süd-Trasse bis 2035 nicht realisierbar.“
Der zweite Vorschlag, der es geschafft hat, heißt „Biosphäre zur Kiez-Schwimmhalle umbauen als Herzbad im Volkspark“. Die Idee des Wasserbauingenieurs Hans-Joachim Dauber wird schon lange diskutiert. Auch hier erteilt die Verwaltung erneut eine klare Ablehnung. „Wesentliches Ergebnis (eines ʹKreativ-Prozesses‘ aus dem Sommer 2018) ist ein Bekenntnis aller Akteure zur ganzheitlichen Entwicklung mit der Neuausrichtung der Biosphäre zu einer Erlebnis- und Wissenswelt. Dabei soll die Tropenhalle erhalten und um neue Landschaftsräume ergänzt werden. Das erarbeitete Konzept „Biosphäre 2.0“ ist im Februar 2019 von der Stadtverordnetenversammlung bestätigt worden… Nach den Beschlüssen der Stadtverordnetenversammlung … kommt der zusätzliche Teilumbau der Biosphäre zum Kiezschwimmbad nicht in Betracht.“

Aber es gibt Hoffnung auf ein Schwimmbad im Potsdamer Norden. Am 29.1. stimmte eine deutliche Mehrheit für den Antrag der Linken (Stadtverordnete Lange, Krämer und Wollenberg): „Der Oberbürgermeister wird beauftragt, für ein Schwimmbad im Potsdamer Norden eine geeignete Fläche im Entwicklungsgebiet Krampnitz zu identifizieren und zu sichern. Die Fläche soll über einen direkten Zugang zum Krampnitzsee verfügen, um perspektivisch verschiedene Varianten eines Schwimmbadbaus gewährleisten zu können.“
Jetzt ist es Aufgabe der Stadtverordneten, die Ideen neu zu diskutieren und gute Lösungen zu finden. Auch wenn den Vorschlägen im Detail viele schwerwiegenden Argumente entgegen stehen, wird doch klar: der Potsdamer Norden braucht deutlich bessere Nahverkehrsangebote und ein Schwimmbad. Auch das Thema „Havelspange“ und Umgehungsstraße bewegt die Gemüter weiter. Obwohl schon tausendfach diskutiert und abgelehnt, findet die Idee weiterhin zahlreiche Anhänger. Auch darin drückt sich die Unzufriedenheit der Potsdamer mit der aktuellen Verkehrsituation aus.

Der Stau auf den Zufahrtsstraßen nach Potsdam nervt viele.

Der Stau auf den Zufahrtsstraßen nach Potsdam nervt viele. Foto: pixabay

Kleine Ideen aus den Ortsteilen ohne Chance

Einige spannende Projekte wie das Gemeindehaus in Satzkorn, der integrierte Entwicklungsplan für Golm und die Neugestaltung des Bürgersteigs im Ortskern Fahrland haben es in den Vorausscheid geschafft. Sie konnten aber nicht genug Punkte sammeln, um unter die ersten fünf bzw. zehn Plätzen in ihrer Kategorie zu landen (TOP-20-Liste). Hier liegt der Fehler im System. Denn klar, für diese lokalen Themen votieren nur die Menschen, die in den Ortsteilen selbst etwas davon haben. Das sind in absoluten Zahlen logischerweise viel weniger, als bei Themen, die potsdamweit relevant sind.
Bleibt zu hoffen, dass im nächsten Bürgerhaushalt das neue System der dezentralen Bürger-Budgets mehr Gerechtigkeit schafft. Erstmalig sollen insgesamt 120.000 Euro zur Durchführung von bis zu sechs Bürger-Budgets in den sechs Sozialräumen Potsdams für ein Jahr zur Verfügung stehen. Pro Bürger-Budget sind demnach maximal 20.000 Euro vorgesehen. Davon sind 18.000 Euro zur Realisierung der Bürger-Vorschläge und bis zu 2.000 EUR für die Prozessorganisation und Öffentlichkeitsarbeit zu verwenden. Mit 18.000 EUR sind größere Projekte nicht finanzierbar.

sk