Der Kanzlerkandidat der SPD, Olaf Scholz, im Gespräch
Das letzte Gespräch der Interviewreihe führten wir mit dem Kanzlerkandidaten der SPD, Olaf Scholz.
Herr Scholz, Sie leben bekanntlich erst seit Kurzem in Potsdam und sind auch in der Potsdamer Stadtpolitik – ebenso wie Frau Baerbock – nie in Erscheinung getreten. Viele Ihrer Mitbewerber hingegen sind den Bürgerinnen und Bürgern Potsdams durch ihre politische Arbeit persönlich bekannt. Ist das für Sie ein Nachteil oder gleichen Sie die fehlenden Potsdam-Kenntnisse durch den unbestrittenen Bekanntheitsgrad Ihrer Person wieder aus?
Es ist eine gute Tradition, da zu kandidieren, wo man wohnt. Ich habe das immer so gemacht. Potsdam ist mein Zuhause geworden, 2018 bin ich hierher gezogen, zu meiner Frau Britta Ernst, die hier als Ministerin arbeitet. Wir fühlen uns hier sehr wohl. Ich bin viel im Wahlkreis unterwegs, das ist mir sehr wichtig. In allen Gemeinden gibt es Bürgergespräche, ich besuche viele Einrichtungen vom Krankenhaus, über den Jugendclub bis hin zum Betrieb um die Ecke. Ich bin sehr berührt, wie viele Menschen mir das Amt des Bundeskanzlers zutrauen. Das ist nicht selbstverständlich. Das macht mich auch demütig.
Welche Themen sind aus Ihrer Sicht für Potsdam derzeit und für die nächsten Jahre die wichtigsten?
Bezahlbare Wohnungen, bessere Anbindung durch Bus und Bahn und gute Radwege treiben Potsdam und den ganzen Wahlkreis um. Viele der Themen sind typisch für Metropolräume in Deutschland, aber unser Wahlkreis ist mit seiner direkten Nähe zu einer anderen Hauptstadt doch auch sehr besonders. Wichtig ist außerdem die gute Weiterentwicklung von Schulen und Kitas.
Welche Aufgaben davon werden Sie nach Berlin mitnehmen und entsprechend mit beeinflussen?
Alle. Die Mietpreisbremse werden wir entfristen und verschärfen, mit einem Mietmoratorium auf Inflationshöhe Mieten stabilisieren. In Deutschland müssen 400.000 neue Wohnungen im Jahr, 100.000 davon Sozialwohnungen, gebaut werden. Kommunen werden Vorkaufsrechte zu fairen Preisen haben.
Die Investitionen vom Bund in die Infrastruktur des Öffentlichen Nahverkehrs wird von einer auf zwei Milliarden Euro erhöht. Wir haben erreicht, dass der Bund die Länder und Kommunen wieder bei der Bildung unterstützen kann. So entstehen viele Kita-Plätze im Wahlkreis mit Bundesmitteln. Auch bei der Qualität und kostenfreien Kita-Plätzen wird es mit der SPD weiter die Unterstützung des Bundes geben.
Ich nehme mich aber auch kleinerer Themen aus meinem Wahlkreis an. Mir ist das Gespräch vor Ort sehr wichtig. Darum bin ich so viel im Wahlkreis unterwegs und spreche mit den Leuten. Das werde ich auch nach der Wahl tun.
Sie haben in den vergangenen Wochen oft betont, dass Ihre Umweltpolitik umfangreicher und erfolgreicher gewesen wäre, wenn es die Unionsparteien als Koalitionspartner zugelassen hätten. Was hätten Sie ohne die CDU/CSU heute schon erreicht?
CDU/CSU haben sich trotz besseren Wissens geweigert zuzugeben, dass Deutschland künftig mehr Strom brauchen wird als heute. Die Ausbauziele konnten daher nicht ausreichend angehoben werden.
Erst im Sommer hat der Wirtschaftsminister neue Stromzahlen vorgelegt und das, was alle anderen schon wussten, bestätigt.
Allein die Chemieindustrie wird bis 2050 so viel Strom brauchen, wie Deutschland heute verbraucht. Das macht deutlich, was die Umstellung nach 250 Jahren mit Kohle, Öl und Gas bedeutet. In 25 Jahren wollen wir klimaneutral wirtschaften.
Kann es Ihrer Meinung nach eine erfolgreiche Umweltpolitik geben, wenn die Regierungsparteien wieder SPD und CDU heißen? Oder geht das nur mit der SPD und den Grünen?
CDU/CSU müssen sich in der Opposition erholen.
Die SPD versteht sich als Partei des „Kleinen Mannes“. Wie sieht es mit dem Engagement der SPD für die noch Kleineren aus? In Ihrem Wahlprogramm und auf Ihren Plakaten vermisst man Themen, die unsere Kinder berücksichtigen. Sind Ihnen Kinder und Jugendliche nicht wichtig, weil sie nicht wählen können?
Im Wahlprogramm der SPD steht sehr viel Wichtiges für Kinder- und Jugendliche. Wir haben unser Wahlprogramm auch in einfacher Sprache veröffentlicht, so dass es auch für Kinder verständlich ist.
Wir werden dafür sorgen, dass alle Kinder und Jugendlichen – unabhängig von ihrer Herkunft – die gleichen Chancen haben, das Bestmögliche aus ihrem Leben zu machen. Jedes Kind soll gut und geborgen aufwachsen und alle jungen Menschen sollen gut ins Erwachsenenleben starten. Wir werden dafür sorgen, dass die unterschiedlichen Familienförderungen nicht dort am meisten entlasten, wo die höchsten Einkommen sind, sondern umgekehrt. Das werden wir mit der Kindergrundsicherung, dem neuen besseren Kindergeld, umsetzen. Dazu gehören gute und beitragsfreie Kitas, ein Ganztagsangebot für Schulkinder, eine gute soziale Infrastruktur für Kinder und Jugendliche und freie Fahrt in Bus und Bahn im Nahverkehr sowie ein Recht auf Mobilität vor allem für den ländlichen Raum. Im Wahlprogramm findet sich noch vieles mehr.
Als Kanzlerkandidat müssen Sie überall in Deutschland präsent sein – bleibt da noch Zeit für den Wahlkampf und Kontakt zu den Bürgerinnen und Bürgern hier im Wahlkreis?
Ich bin viel hier vor Ort unterwegs, aber als Kanzlerkandidat auch in ganz Deutschland. Als Corona das noch nicht in Präsenz zuließ, habe ich mit digitalen Bürgergesprächen begonnen. Hier im Wahlkreis gab es drei davon. Jetzt bin ich vor Ort unterwegs. Überall mache ich öffentliche Bürgergespräche. Hier im Wahlkreis konnte ich so schon mit 1.000 Bürgerinnen und Bürgern sprechen. Aber ich besuche auch Betriebe, soziale Einrichtungen und Initiativen. Vom Fußballverein über Kliniken und Jugendclubs bis zum Briefzentrum war da schon alles dabei.
Ihre Frau, Britta Ernst, ist Brandenburgs Ministerin für Bildung, Jugend und Sport. Können Sie aus den Erfahrungen Ihrer Frau aus den letzten anderthalb Jahre etwas für die bundespolitische Ausrichtung z.B. in Sachen Sicherung von Präsenzunterricht und Öffnung von Kitas ableiten oder hält sich die Bundespolitik da lieber raus, weil Bildung und Jugend Ländersache sind?
Bildung wird Ländersache bleiben, da die Länder diese Aufgabe behalten wollen. Ich wüsste auch nicht, ob es so gut wäre, eine zentrale Schulverwaltung zu haben, die entscheidet, ob in der Ferne eine Schule saniert werden muss. Der Bund muss und kann aber – auch dank der SPD – die Länder bei der Bildung wieder finanziell unterstützen. So können wir dabei helfen, dass die Bildungschancen nicht von der Finanzkraft des Bundeslands abhängen, in dem man lebt. Corona hat uns deutlich gezeigt, wie wichtig der Präsenzunterricht ist. Einen weiteren Lockdown darf es daher nicht geben. Dennoch müssen wir die sichtbar gewordenen Defizite im Bereich der Digitalisierung schnell beheben.
Was macht Olaf Scholz in seiner Freizeit?
Laufen, rudern, radfahren, gerne auch kochen und vor allem viel lesen.
Warum sind gerade Sie die beste Wahl für die Potsdamerinnen und Potsdamer?
Ich habe mich als Abgeordneter immer für meinen Wahlkreis engagiert und will das auch für die Potsdamerinnen und Potsdamer und anderen Bürgerinnen und Bürger im Wahlkreis tun.
Für mich gehört dabei dazu, auch nach der Wahl vor Ort zu sein und Rede und Antwort zu stehen. So habe ich das früher schon gehandhabt, und so werde ich das auch jetzt tun. Auch als Bundeskanzler, der in Potsdam wohnt.
Das Interview führte Steve Schulz