Warum die Landeshauptstadt so attraktiv für Unternehmen ist
Potsdam ist eine – wie man so schön sagt – prosperierende Stadt. Was heißt, dass sie sich wirtschaftlich gut entwickelt. Doch diese auf den ersten Blick komfortable Situation birgt auch Risiken und bringt vor allem große Probleme mit sich.
Immer mehr Menschen zieht es in die wohl schönste Hauptstadt Deutschlands vor den Toren einer internationalen Metropole. Immer mehr Unternehmen siedeln sich in Potsdam an. Immer mehr Verkehr kommt auf die Straße. Immer mehr Touristen kommen täglich zu Besuch. Eine Entwicklung, die vielerorts in Brandenburg anders aussieht. Was macht Potsdam so attraktiv? Warum wächst Potsdam, während andere Städte und Gemeinden gegen den Verfall kämpfen?
Der POTSDAMER sprach mit Stefan Frerichs, dem Leiter der Wirtschaftsförderung der Landeshauptstadt, über die komplexen Aufgaben seiner Abteilung und die alltäglichen Herausforderungen, die Projektverläufe oft erschweren und verzögern.
Vor dem Aufbau war der Verfall
„Es gab eine Zeit, in der es Potsdam nicht so gut ging“, erinnert sich Stefan Frerichs, der seit 25 Jahren in Potsdam lebt und seit 15 Jahren für die Wirtschaftsförderung der Stadt tätig ist. Nach der Wiedervereinigung war das mehr als 1000 Jahre alte Potsdam bis in die späten 1990er Jahre hinein von der Teilung Deutschlands stark gezeichnet.
Die Einwohnerzahl reduzierte sich rasant. Waren es 1989 noch 141.000, zählte Potsdam zehn Jahre später nur noch 127.000 Einwohner. Mit der Eingemeindung der heutigen Ortsteile Fahrland, Golm, Groß Glienicke, Marquardt, Neu Fahrland, Satzkorn und Uetz-Paaren im Zuge der Verwaltungsgebietsreform 2003 konnte dieser Verlust fast wieder aufgefangen werden. Von einem Tag auf den anderen erhielt Potsdam aber nicht nur 11.000 Einwohner, sondern vor allem eine fast 80 Quadratkilometer große Fläche. Eine Fläche, die für Potsdam heute unentbehrlich und Grundlage für das Wachstum der Stadt ist.
Wirtschaft plant man in DekadenDie einst prunkvolle Stadt mit weltweiter Reputation war nach der Wende ein Schatten ihrer selbst. Das sollte sich ändern, als im Mai 1990 die demokratisch gewählte Stadtverordnetenversammlung eine „behutsame Wiederannäherung an das charakteristische, gewachsene historische Stadtbild“ beschloss. Zu den ersten Sanierungsprojekten gehörte das „Holländische Viertel“ sowie Teile von Babelsberg und der historischen Innenstadt.
„Zu dieser Zeit gab es nur ein geringes Angebot von Gewerbeflächen. Und selbst diese zeichneten sich nicht unbedingt durch ihre Attraktivität in puncto Lage, Ausstattung oder Baustruktur aus“, erinnert sich Frerichs. Die Aufgaben waren damals nicht unbedingt komplexer als heute, die Frage war nur, wo man anfangen sollte. „Wirtschaftsförderung geht nicht von heute auf morgen, und es reicht nicht aus, nur für Gewerbeflächen zu sorgen. Wenn wir von Wirtschaftsförderung reden, dann meinen wir genau das. Wir wollen die Wirtschaft fördern. Heute, morgen und in den nächsten Jahren. Die Attraktivität einer Stadt zeichnet sich nicht nur darin aus, dass sie viele Einwohner hat. Möchte sich eine Stadt vollumfänglich entwickeln, muss sie auch als Wirtschaftsstandort attraktiv sein und funktionieren“, so Frerichs. Aus diesem Grund sei es wichtig, die Komplexität und Rahmenbedingungen einer Stadt objektiv zu beurteilen und sich dabei auf ihre Stärken zu konzentrieren. „In der Wirtschaftsförderung folgen wir dem Prinzip ‚Stärken stärken‘ und meinen damit, dass wir uns auf die Besonderheiten Potsdams fokussieren und diese weiter ausbauen. Dadurch entwickeln wir Potsdams Alleinstellungsmerkmale und machen es in bestimmten Bereichen – wir reden hier von Markenkernen – für Unternehmen besonders attraktiv.
In Potsdam sind das die Markenkerne Historie – als UNESCO Weltkultur- und Naturerbe –, Wissenschaft, Film und allgemein die hohe Lebensqualität. Diesen zugeordnet sind die drei Wirtschaftszweige Gesundheit, Tourismus sowie die Medien- und Kreativ-Wirtschaft. Dabei nimmt die Kreativ-Wirtschaft eine ganz besondere Stellung ein: Als einziger deutscher ‚Digital Hub für MediaTech‘ hat sich Potsdam heute zu dem Anziehungspunkt für internationale Medien- und Technologie-Unternehmen und innovative Startups entwickelt.
Diese Fokussierung auf Potsdams Stärken ist es, die wir nachhaltig verfolgen. Wollen wir noch in zwanzig oder fünfzig Jahren erfolgreich sein, müssen wir heute die Grundlagen dafür schaffen. Wirtschaftsförderung kann man nicht in Monaten denken, sondern in Dekaden“, ist die Devise Frerichs‘. Das sieht auch der Vorsitzende des Potsdamer Wirtschaftsrates so: „Die Landeshauptstadt Potsdam ist nach wie vor gut beraten, alles dafür zu tun, um bestmögliche Rahmenbedingungen für die wirtschaftliche Entwicklung in der Stadt zu schaffen“, sagt Götz Friederich dem POTSDAMER.
Potsdams Gründer-Kultur
Potsdam ist aufgrund seiner Lage und Topografie eine Stadt, die im Zentrum eher für Dienstleistungen, Einzelhandel und das Gast- und Beherbergungsgewerbe interessant ist. Durch die eingemeindeten Flächen konnte der Bereich der Wissenschaft im Ortsteil Golm so weit gefördert und ausgebaut werden, dass der ‚Science Park‘ heute internationalen Ruf genießt.
Für den Leiter der Wirtschaftsförderung zählen aber nicht nur Filmproduktionen, Forschungseinrichtungen und andere große Unternehmen, die sich in Potsdam mit ihren Filialen niederlassen. „Wir verfolgen in Potsdam eine ganz besondere Gründer-Kultur“, sagt Frerichs mit nachvollziehbarem Stolz. Ein wichtiger Baustein bei der Förderung junger Unternehmen ist die Bereitstellung geeigneter räume. Allerdings weiß Frerichs um die sehr begrenzte Verfügbarkeit von Flächen in Potsdam. „Wir sind zwar immer auf der Suche nach geeigneten Gewerberäumen und -flächenflächen, stehen aber auch mit anderen Bereichen und deren Bedarfen in direkter Konkurrenz. Potsdam braucht eben auch Flächen für Schulen, Kitas, Sportplätze und den Wohnungsbau“, beschreibt Frerichs die Situation.
Aus diesem Grund begann die Stadt schon frühzeitig, sich um den Kauf von Flächen zu bemühen, um diese eigenverantwortlich zu entwickeln. Auf diesen Flächen stehen heute sogenannte Gründerhäuser. Diese wurden von der Technologie- und Gewerbezentren Potsdam GmbH (TGZP), einer Tochtergesellschaft der Landeshauptstadt Potsdam, gebaut und werden von dieser betrieben. „Die Gründerhäuser sind für die Unterstützung von Startups und Kleinstunternehmen in Potsdam essenziell. Weil sie nicht renditeorientiert sind, können wir Gründerinnen und Gründern hier kleinteilige Gewerbeflächen anbieten, die sehr günstig, gut ausgestattet und gut gelegen sind. Vor allem die Unterstützung der Gründerszene aus den Universitäten heraus ist eine wichtige Aufgabe, um innovative Ideen erfolgreich vermarkten zu können“, ist Frerichs überzeugt.
Um die ansässigen Unternehmen aber nicht nur mit Gewerbeflächen zu versorgen, sondern auch bei deren Expansionsabsichten und der Schaffung von Ausbildungs- und Arbeitsplätzen zu unterstützen, besteht die Wirtschaftsförderung aus unterschiedlichen Abteilungen. Diese sind unterteilt in die Bereiche der Neuansiedlung und Bestandspflege, der Begleitung von Existenzgründungen und der Fördermittelberatung sowie der strategischen Standortentwicklung. Dabei liegt es in der Natur der Sache, dass alle drei Bereiche eng zusammenarbeiten und mit anderen Fachbereichen gut vernetzt sind, um den vielschichtigen Anforderungen der Unternehmen gerecht zu werden. „Es ist auch unsere Aufgabe, die jungen Unternehmen in allen Phasen bestmöglich zu begleiten und für die Orchestrierung der Angebote zu sorgen. Aus diesem Grund sind wir unentwegt mit vielen anderen Fachbereichen, Institutionen und Partnern im Austausch und bieten zusätzlich viele Veranstaltungen zum Thema ‚Gründen in Potsdam‘ an“, so Frerichs, der großen Wert auf eine unternehmerische Vielfalt in Potsdam legt.
Coronas Spuren
„Corona kam für uns alle unerwartet und traf viele Unternehmen – vor allem in der Hotel- und Gaststättenbranche – besonders hart. Wir haben von Seiten der Wirtschaftsförderung alles in unserer Macht Stehende versucht, die Unternehmen in der sehr schwierigen und oft auch unübersichtlichen Zeit, was geltende Maßnahmen und Regelungen betrifft, zu unterstützen. Trotzdem standen wir leider auch manchen Einzelschicksalen hilflos gegenüber, was mich persönlich sehr betroffen gemacht hat.
Auf der anderen Seite war ich sehr beeindruckt von der Flexibilität vieler betroffener Betriebe, die durch ihr schnelles Handeln und gute Ideen größere Einnahmeausfälle haben kompensieren können“, sagt Frerichs. Ebenso erfreut zeigt sich Potsdams Beigeordneter für Stadtentwicklung, Bauen, Wirtschaft und Umwelt, Bernd Rubelt, über die Widerstandskraft vieler Potsdamer Unternehmen. „Die Potsdamer Wirtschaft hat sich in den letzten zwei schweren Jahren als krisenfest und sehr kreativ erwiesen. Vielen Dank für das Durchhaltevermögen an die Potsdamer Unternehmerschaft! Mit der Wirtschaftsförderung werde ich unsere Unternehmen auch weiterhin nach Kräften unterstützen. Schließlich stehen mit dem Blick auf die Energiepreise und den Klimawandel sehr große, strukturelle Herausforderungen an, denen wir in Potsdam mit einem klaren Fokus auf dem Klimaschutz begegnen wollen – hier liegt meiner Meinung nach auch die ökonomische Zukunft!“Auch wenn eine finale Auswertung der wirtschaftlichen Entwicklung der letzten Jahre laut Frerichs frühestens 2024 vorliegen wird, so scheint die Potsdamer Wirtschaft sehr gesund zu sein. „Viele leerstehende Laden- und Gewerbeflächen sind bereits wieder in Vermietung, und Potsdam hat nach Corona einen Leerstand, den andere Städte vor Corona hatten. Ebenso ist die Nachfrage nach Gewerbeflächen weiterhin steigend. Wir sind daher immer noch in einer sehr komfortablen Situation. Nun liegt es an uns, diese Entwicklung weiterhin aufrechtzuerhalten, so dass Potsdam auch noch in den kommenden Jahrzehnten ein attraktiver Wirtschafts- und Wissenschaftsstandort bleibt“, so Frerichs.
sts