Auf den Spuren der Rosenkreuzer und Freimaurer
von Giovanni Grippo

Rosenkreuzer, Alchemisten, Tempelritter und Freimaurer. Viele Mythen und „Geheimnisse“ haften an diesen Begriffen und vor allem an denjeniegen, die dazugehörten – oder gehören. Auch Hollywood hat sich diesem sagenumwobenen Kreis geheimnissvoller Mächte, Personen und vor allem Schätze angenommen und in aktionreiche Drehbücher gepackt.
Was steckt aber wirklich hinter diesen Sagen, und wo finden wir heute noch Belege für deren Existenz?
Diesen Fragen widmet sich die im Jahre 2020 wiedergegründete Wolfstieg-Gesellschaft, nachdem sie seit ihrer Gründung 1913 im Jahr 1935 vom Nazi-Regime verboten wurde. Die unabhängige freimaurerische Förder- und Forschungsgesellschaft veröffentlicht mehrere Druckschriften im Jahr. Die Mitglieder haben es sich dabei zur Aufgabe gemacht, die außergewöhnlichsten Werke aus der unglaublichen Menge an freimaurerischer Literatur der letzten 300 Jahre zu extrahieren und als Neuauflagen einem breiten Publikum wieder zur Verfügung zu stellen.
Die Gesellschaft versteht die freimaurerische Forschung jedoch nicht ausschließlich als historische Forschung. Die Gegenwarts- und Zukunftsforschung haben einen vergleichbaren Stellenwert.
In regelmäßigen Abständen finden bundesweit sowie in der Schweiz und in Österreich Kolloquien statt, das letzte 2021 in Potsdam. Im Rahmen der Recherchen zu diesem Kolloquium wurde der nachfolgende Beitrag von Giovanni Grippo veröffentlicht.

Der Blick auf die geheimnisvolle Pyramide im Neuen Garten

Der Blick auf die geheimnisvolle Pyramide im Neuen Garten
Fotos: Vito Allinger

Eiskeller oder Tempel

Zum kulturellen Erbe der Alchemie und der Rosenkreuzer gehört sicherlich der Neue Garten in Potsdam; besonders die Pyramide zählt zu den Rätseln des 18. und 19. Jahrhunderts. Die Gestaltung des Gartens geht auf König Friedrich Wilhelm II. (1730 – 1813) zurück. Der Rosenkreuzer und Freimaurer schuf u.a. einen alchemistischen Initiationspark ganz nach dem Vorbild des Schwetzinger Schlossgartens. Es gibt zwischen dem Mannheimer Hof und dem Hof des Preußenkönigs einen geschichtlich nachweisbaren Austausch.

Noch gibt die Hieroglyphenreihe am Pyramidensockel Rätsel auf, Forscher sind aber kurz davor, deren Bedeutung zu entschlüsseln.

Als fiktive Gründerfigur der Rosenkreuzer des 17. Jahrhunderts wird Christian Rosencreutz genannt, der seine Kenntnisse auf Reisen durch den Nahen Osten und besonders in Ägypten erlangte. Daher die allgemeine Annahme, dass ägyptische Pyramiden Grabmäler mit Einweihungs-charakter seien. In den Rosenkreuzer-Manifesten finden sich die vier Elemente in Form von Dreiecken wieder: Feuer, Erde, Wasser, Luft.
Neben den noch nicht entschlüsselten Hieroglyphenbildern am Sockel der vier Wände der Potsdamer Pyramide hatte sie an jeder Seite ein Eingangsportal, von denen aber drei von Anfang an Attrappen waren. Anfang des 19. Jahrhunderts blieb nur noch ein Portal übrig, an welchem sich sieben Symbolzeichen auf dem Türsturz befinden.
Die Pyramide wurde ursprünglich als Eiskeller gebaut und genutzt. Dennoch hat sie an der Innenseite der Ostwand – an einer eher unerreichbaren Stelle – eine meterhohe Nische, die für einen Eiskeller keinen Nutzen oder Sinn hat. Aus ritueller Sicht kann es sich wohl um den Meisterplatz handeln, also jenen Ort, den ein Vorsitzender Meister in einem Freimaurertempel während der Rituale einnimmt. In den Ritualen des 18. Jahrhunderts hatte auch nur der Meister einen Stuhl und einen Tisch – daher auch der Titel „Meister vom Stuhl“ (engl. „chairman“).

Die sieben Symbolzeichen am Eingangsportal bestätigen diese Annahme, denn sie stehen u.a. für die sieben Planeten der Antike. In der alchemistisch-rosenkreuzerischen Tradition werden den sieben Planeten sieben Metalle zugeordnet.

Die sieben Symbolzeichen am Eingangsportal bestätigen diese Annahme, denn sie stehen u.a. für die sieben Planeten der Antike. In der alchemistisch-rosenkreuzerischen Tradition werden den sieben Planeten sieben Metalle zugeordnet.
Während der Aufnahme muss ein Kandidat sich all seiner Metalle entledigen, um einen Freimaurertempel unter Führung eines Psychopompus (d.h. Seelenführer) betreten zu dürfen. Dieser Brauch geht auf älteste Freimaurersitten zurück. Dabei geht es darum, dass kein Geld oder Gold das Ansehen in der Freimaurerei steigern kann als der Mensch selbst und seine edle Gesinnung, die er als Mitglied zeigt.
Bereits die Kunsthistorikerin Dr. Berit Ruge stellte in ihrer 2013 publizierten Dissertation fest, dass die sieben Symbolzeichen eine gewisse Ähnlichkeit mit der »Monas Hieroglyphica« von Dr. John Dee haben. Dee stand in Kontakt mit dem Alchemisten Rudolph II. (1552 – 1612), dessen verlorengeglaubte spagirische Laboratorien in Prag in diesem Jahrhundert wiedergefunden wurden. Die Vermutung liegt also nahe, dass es sich bei der Pyramide um einen Freimaurertempel handelt. Wer ihn das erste Mal betreten möchte, muss alle Metalle ablegen und sich unter Anleitung eines Seelenführers vor die Nische des Vorsitzenden Meisters begeben. Dort wird er erfahren, »was die Welt im Innersten zusammenhält«, befreit von allen äußeren und planetaren Einflüssen, ganz auf sich gestellt – als Mensch von gutem Ruf.