Kann naturnah auch schön sein? – Teil 1

Alle wollen eine gesunde, intakte Natur. Es soll ihr wieder besser gehen. Umweltschutz, Klimaschutz und Naturschutz werden wild zusammengeworfen und beschreiben doch dasselbe: den Wunsch nach einer gesunden Flora und Fauna durch einen bewussteren Umgang mit natürlichen Ressourcen unter – und das scheint wesentlich – Beibehaltung des allgemeinen und individuellen Wohlempfindens. Naturschutz gelingt eben nicht, wenn er zu anstrengend ist und mit zu viel Entbehrungen einhergeht. Dabei beschreibt der Begriff des Naturschutzes nur ein einziges Ziel: das Überleben des Menschen. Und dafür können wir alle doch auch mal etwas tun.

Gärten und Balkons können einheimischen Tieren wichtige Überlebensräume bieten. Fotos: pixabay

Mein Garten, meine Entscheidung

Naturschutz ist eine große Aufgabe, die man getrost der Politik überlassen kann, mag mancher glauben. Doch wie so oft, übernimmt die Politik nur das, was die Basis schon seit langem für sich entdeckt hat. Es ist also das individuelle Verhalten, das schließlich zu einem Verhalten der Bevölkerung wird, bevor es sich die Politik auf die Fahnen schreibt und als ihre Idee verkauft. Und weil der Schutz von Pflanzen und Tieren nicht erst politisch verordnet werden muss, gibt es immer mehr Menschen, die bei der Gestaltung ihrer Gärten darauf achten, einheimischen Pflanzen den buchstäblichen Nährboden zu bieten, damit diese nicht aussterben und den einheimischen Tieren eine bessere Lebensgrundlage bieten. Den eigenen Garten oder Balkon in eine ökologische Oase zu verwandeln, ist daher nicht nur ein Trend, sondern die Überzeugung, die Vielfalt der Insekten und Pflanzen nachhaltig zu schützen und so für eine gesunde Natur zu sorgen.

Alles ganz einfach

Möchten Sie nun Ihren Garten oder Balkon naturnah gestalten, brauchen Sie nur ein paar wesentliche Punkte beachten: Es sollte möglichst wenig Fläche versiegelt, auf das Setzen insektenfreundlicher Pflanzen wertgelegt sowie auf den Einsatz künstlicher (chemischer) „Hilfsmittel“ verzichtet werden. So, das war´s. Fast.

Ästhetisch oder ökologisch?

Vielen Hobbygärtnern geht es in erster Linie um einen schönen Garten. Prachtvolle Blüten, möglichst so aufeinander abgestimmt, dass das ganze Jahr der Garten farbenfroh das eigene Auge oder das des am Gartenzaun vorbeiflanierenden Betrachters erfreut. Dabei ist die biologische oder ökologische Wertigkeit des mühsam gepflanzten und mit Zusatzstoffen gepflegten Arrangements leider oft mangelhaft.
Beschäftigten wir uns mit der naturnahen Gartengestaltung, also einer Gestaltung des Gartens, die sich auf den Einsatz einheimischer Pflanzen und das Schaffen von Lebensräumen für einheimische Insekten und andere kleine Gartenbewohner konzentriert, stellen wir schnell fest, dass Ästhetik und Ökologie nicht im Widerspruch zueinander stehen. Naturnah kann also auch schön sein.

Der Schwalbenschwanz (rundes Bild unten) ist einer der größten tagaktiven Falter. Seine Flügel sind gelb und schwarz gemustert. Als wärmeliebende Art bevorzugt der Schwalbenschwanz sonniges und offenes Gelände. Man findet ihn unter anderem auf Trockenrasen oder auf mageren Wiesen.

Gut geplant ist halb gestaltet

Wer bereits Erfahrung mit der Gartenarbeit hat, weiß, dass das eine nie endende Aufgabe ist. Von März bis November verbringt man unzählige Stunden im Garten. Eine Arbeit, die nicht nur der Natur, sondern auch der eigenen Psyche sehr gut tut, weil man bei ihr so herrlich abschalten kann und trotzdem produktiv ist. Und weil Gartenarbeit vielleicht einen Anfang, aber nie ein Ende hat, ist es fast egal, wann und wo Sie im Garten anfangen. Wichtig ist, Sie fangen an.
Um bei der Arbeit das Gesamtergebnis nicht aus den Augen zu verlieren, sollten Sie dennoch auf ein paar Dinge achten: Teilen Sie den zu gestaltenden Raum in einzelne Bereiche auf. Integrieren Sie Sichtachsen und Blickfänge. Wünschen Sie Flächen für einen Wildwuchs, binden sie alles in ein harmonisches Gesamtbild ein. Dabei ist der Einsatz von geraden Linien und eckigen Elementen eher zu vermeiden. Eine amorphe Struktur mit fließenden Linien wirkt natürlicher, weicher und schafft trotzdem klare Übergänge. Die Integration von Sitzplätzen, einer Feuerstelle oder einem Gemüsebeet ist auch im naturnahen Garten möglich. Achten Sie nur darauf, den Sitzplatz nicht zu großflächig zu versiegeln – hier wäre ein Kiesbett empfehlenswert –, Gemüsebeete naturnah zu bearbeiten und die Feuerstelle so zu platzieren, dass Pflanzen und Tiere von der Hitze nicht gestört werden.

Einheimische Bienen brauchen einheimsche Pflanzen und umgekehrt, so wird Nachhaltigkeit buchstäblich gelebt.

Abwechslung ist angesagt

Unser Garten ist nicht nur für Tiere da. Vor allem wir wollen uns darin wohlfühlen und ihn als Lebensraum nutzen, wenn es das Wetter zulässt. Bei schönem Wetter im Garten sitzen, feiern oder entspannen. Der Garten ist für uns ein Ort der Begegnung und des Rückzugs gleichermaßen. Und weil er für so viele Momente herhalten muss, sollte sich diese Vielfalt auch in seiner Gestaltung wiederfinden.
Im Sommer sind die ungefüllten Blüten von Wild-Rosen bei Bienen gefragt. Im Herbst freuen sich Vögel über reife Hagebutten. Wer den Wechsel der Jahreszeiten im eigenen Garten erleben möchte, sollte neben anderen Pflanzen, die zu unterschiedlichen Jahreszeiten blühen, auch Obst, Gemüse und Kräuter pflanzen. Für diese Nutzpflanzen können, dürfen oder sollten Sie immer einen festen Platz einplanen – sofern ausreichend davon vorhanden ist. Manche Obstsorten und Kräuter wie Brombeere, Minze und andere haben die Eigenschaft, sich unter oder dicht über der Erde durch die Bildung sogenannter Rhizome über den ursprünglich für sie vorgesehenen Platz auszubreiten. Aus diesem Grund muss in diesem Fall das wilde Wachstum regelmäßig kontrolliert und begrenzt werden. Die schmackhaften Pflanzen werden allerdings nicht nur in der eigenen Küche Liebhaber finden. Viele Insekten und andere Gartenbewohner erfreuen sich auch an den Leckereien.

Die Zauneidechse ist „Reptil des Jahres 2020“. Anpassungsfähig und dennoch bedroht. Ihre Männchen sind zur Paarungszeit leuchtend smaragdgrün und attraktive Werbeträger für die oft kritisch beäugten heimischen Reptilien.

Der hohe Anteil heimischer Pflanzenarten sowie unterschiedliche Pflanz- und Nutzungsbereiche, die durch klare und fließende Gestaltungselemente gegliedert sind, wie zum Beispiel durch stufige Trockenmauern oder Totholzhecken, bieten Insekten, Vögeln, kleinen Säugetieren sowie Amphibien und Reptilien den benötigten Lebensraum. Wann haben Sie zuletzt eine Eidechse gesehen, die sich auf einem warmen Stein sonnt?
Nicht nur als Lebensraum sind Mauern und Hecken nützlich. Sie helfen den Garten einzuteilen und Höhenunterschiede auszugleichen, und sie sehen schön aus. Die Fugen können mit Kräutern wie Thymian oder mit Polsterstauden wie Grasnelke und Schleifenblume bepflanzt werden. Eine solche Mauer lässt sich auch gut mit einem Kiesbett kombinieren, in dem Pflanzen für trockene Böden und Halbsträucher gedeihen. Königskerze, Blauraute, Nachtkerze und Schafgarbe fühlen sich an solchen Standorten wohl. Wer das Kiesbett mit einem Sitzplatz versieht, kann von hier aus den Blick auf den Gartenteich genießen, sofern einer vorhanden ist.

sts

Teil 2 dieser Serie lesen Sie in der Juli/Augustausgabe