Ein modernes Märchen

Ähnlichkeiten mit tatsächlichen Begebenheiten sind beabsichtigt

1. Kapitel: Wie alles begann

Eines Tages musste ein demokratisch gesinnter Bürger aus beruflichen Gründen nach Potsdam ziehen. Er schnürte sein Ränzlein und begab sich auf den Weg. Leider war es ihm nicht möglich, in angemessener Frist eine Behausung zu finden, für die seine Taler, die er monatlich von seinem Dienstherren bekam, reichten. Deshalb pendelte er erst einmal täglich 400 km. Aber dann die Erlösung! Es fand sich ein Häuschen am Stadtrand, bezahlbar, und es gab sogar eine Kutsche (Bus 609), die regelmäßig fuhr. Der Bürger war überglücklich.

2. Kapitel: Angekommen

Nachdem er sich eingelebt hatte, dachte der Bürger, jetzt sei es an der Zeit, das Auto stehen zu lassen und mit den öffentlichen Kutschen nach Berlin zur Arbeit zu fahren. Doch dann passierte es: Die Kutsche am Morgen von Fahrland nach Potsdam war übervoll. Nach einem langen Arbeitstag, der länger dauerte als der eines Bediensteten der Stadt, kam der Bürger abends völlig geschafft aus Berlin zurück und musste dann Am Schragen eine Stunde auf die Kutsche nach Fahrland warten. Es war kalt und es regnete.
Erschöpft kam der Bürger zu Hause an. Trotzdem interessierte er sich noch für regionale Nachrichten, das gehört ja für einen demokratischen Bürger dazu. So erfuhr er, dass die Stadt bundesweit mit die höchsten Wasser- und Abwassergebühren hat und dass sein Belieferer für Warmwasser ebenfalls sehr teuer ist. Beides muss der Bürger hinnehmen. Komisch kommt ihm vor, dass der Bürgermeister, das Wohnungsunternehmen und der Fernwärmeversorger aus derselben Stadt weit weg von Potsdam kommen.

3. Kapitel: Wegelagerer fallen in Fahrland ein

Noch in Gedanken über diesen Zufall liest der Bürger, dass die Stadt ganz verwundert ist, wo auf einmal die vielen kleinen Erdenbürger herkommen, die einen Platz in der Kita brauchen oder die Schule besuchen müssen. Er denkt sich, die arme Stadt wird von Wegelagerern in Beschlag genommen, die plötzlich in Fahrland eingefallen sind. Er schlief ein und im Schlaf sagte ihm eine Stimme: „Du Depp, es sind keine Wegelagerer, die in Fahrland eingefallen sind. Das sind Bürger wie Du. Und lange, bevor sie ihre Behausungen bauten, mussten sie einen Antrag stellen. Die Stadt wusste seit Jahren, wie viele Menschen nach Fahrland ziehen werden und konnte berechnen, wie viele Kinder das bedeutet.“

4. Kapitel: Der Verdacht

Am nächsten Morgen wachte der Bürger auf und lies sich von seinem Traum und den vielen komischen Informationen über seine neue Heimat nicht verunsichern. Er dachte sich, ich werde mich mit dafür einsetzen, dass sich alle Bewohner und Bewohnerinnen in Fahrland wohl fühlen und freute sich schon auf die gute Zusammenarbeit mit der Stadt. Leider blieb das mit der guten Zusammenarbeit Wunschdenken. Die Stadt hat sich nicht für die Anliegen der Bürger interessiert, nimmt sie nicht ernst und verhält sich arrogant und ignorant. Langsam schleicht sich bei dem demokratisch gesinnten Bürger der Verdacht ein, dass in der Stadt die falschen Herrscher an der Macht sind.

5. Kapitel: Die Stadt will die Taler des Bürgers

Seine wenige Freizeit nutzte er, um sich zu bilden. Dafür besuchte der Bürger Kurse in der Schule, die fürs Volk gebaut wurde (VHS). Aber auch dafür möchte die Stadt Taler von ihm haben. Eines Tages bekam er eine Rechnung, die nicht korrekt war. Da die Verwaltung der Schule abends nicht besetzt ist und er am Tage nicht hinfahren oder anrufen konnte, denn er musste ja arbeiten, schrieb der Bürger eine Mail. Aber er bekam keine Antwort. Dafür bekam er eine Mahnung. Dann schrieb er noch eine Mail und schickte sie diesmal an zwei Adressen der Stadt, doch auch darauf erhielt er keine Antwort. Diesmal kam ein Mahnbescheid.
Wieder, wie schon öfter, wunderte sich der Bürger, nahm einen halben Tag Urlaub und ging mit den Unterlagen in die Schule des Volkes. Dort erklärte man ihm, dass die Mailadresse, die auf der Rechnung stand, nicht mehr existiert und man sich nicht erklären kann, warum er von der anderen Adresse keine Antwort erhalten hat. Nach langem Hin und Her wurde die Angelegenheit geregelt.

6. Kapitel: Gute Neuigkeiten? – Die Strafe folgt auf dem Fuß

Dann das Wunder. Die Stadt baute eine Straßenbahn Richtung Norden. Die Freude war groß. Doch inzwischen ist sie wieder verflogen, denn jetzt steht der Bürger abends eine Stunde am Campus Jungfernsee. Und spät abends fährt gar keine Kutsche mehr. Also muss der Bürger weiter mit dem Auto fahren. Damit die Autos einen Platz haben, hat das Wohnungsunternehmen im Wohngebiet Parkplätze gebaut. Der Bürger dachte, das gehört dazu zu einem so großen Wohngebiet.
Doch dann hat die Stadt gemerkt, dass die Straßen, die das Wohnungsunternehmen gebaut hat, viel zu eng sind und hat auf die Parkplätze kurzerhand Parkverbotsschilder gestellt. Eines Tages kam der Bürger nachts 01.00 Uhr mit seinem Auto von der Arbeit (eine Kutsche fährt da ja leider nicht mehr) und hat es auf den ehemaligen Parkplatz gestellt, weil er keinen anderen Platz gefunden hat. Er dachte sich, ich muss ja sowieso früh 05.00 Uhr wieder weg…
Nach einigen Tagen bekam der Bürger Post von der Polizei, dass er nachts 02.00 Uhr im Parkverbot gestanden hat. Auch dafür soll er viele Taler bezahlen. Am nächsten Abend kam er wieder erst Nachts von der Arbeit. Er fand wieder keinen Platz für sein Auto. Am Campus Jungfernsee konnte er es nicht abstellen, weil keine Kutsche mehr fuhr, einen anderen Parkplatz gab es nicht. Also stellte er sich wieder auf den ehemaligen Parkplatz und bekam wieder nachts einen Strafzettel.

7. Kapitel: Die Gefahr – Wutbürger

Inzwischen reichte es dem Bürger. Jetzt war er sich fast sicher, dass in seiner Stadt die falschen Herrscher an der Macht sind. Und dann das: Ein Kinderbauernhof soll all seine Gebäude abreißen!!!! Wegen Verstößen gegen Baurecht!!!! Der Bürger wundert sich wieder. Der große Bauunternehmer in seinem Wohngebiet baut Straßen, die zu schmal sind, lässt keinen Platz für Kitas, Einkaufsmöglichkeiten und Arztpraxen, was inzwischen bei jeder Baugenehmigung in dieser Größenordnung selbstverständlich dazu gehört, und muss keine Häuser abreißen. Der Bauamtsleiter baut ein viel zu großes Haus, für dass es keine ordnungsgemäße Baugenehmigung gibt und muss dieses Haus auch nicht abreißen, er ist jetzt nicht mehr Bauamtsleiter und genießt sein schönes Haus, aber der Kinderbauernhof, eine Initiative von Eltern und eingetragener Verein, soll seine Gebäude abreißen?
Jetzt hat der Bürger die Grenze dessen erreicht, was er vertragen kann. Er schäumt vor Wut. Und er denkt sich, was soll ich nur machen? Meine Stadt wird von Herrschern regiert, die mich als Bürger überhaupt nicht wahr nehmen (doch, als Goldesel, der jeden Monat Taler abliefert).

8. Kapitel: Happy End

Doch trotz seiner großen Wut besinnt er sich auf sein demokratisches Grundverständnis, dass ihn daran erinnert, dass die AfD keine demokratische Partei ist, für ihn nicht wählbar ist und keine Lösungen für seine Probleme hat. Und wenn er nicht gestorben ist, engagiert der Bürger sich weiter in der Bürgerinitiative für ein schöneres Fahrland, geht arbeiten und bezahlt seine Steuern. Nachts träumt er davon, dass das Märchen genug Denkanstöße für alle demokratischen Parteien enthält und sie diese endlich aufgreifen, den Bürgern zuhören und sich als das verstehen, was sie sind: Dienstleister für die Bürger und Interessenvertreter der Bürger!
Eine Fahrländerin, September 2018

Wie in der Septemberausgabe des POTSDAMERS berichtet, wird sich die Schul- und Kitasituation in Fahrland bald verbessern. Es hilft eben doch, den Mund aufzumachen! (Anmerkung der Redaktion)