Ein Diskussionsangebot
Seit 100 Jahren haben Frauen nun das aktive und passive Wahlrecht. Frauen stellen über 50% der Gesamtbevölkerung. Bezieht man sich auf diese Vergleichsgröße, dann sind Frauen gegenwärtig im Bundestag (31%), in den Landesparlamenten (Brandenburg 39%), den Kreis- und Gemeindevertretungen (23%) deutlich unterrepräsentiert. Ist die Bezugsgröße der Frauenanteil in den Parteien, dann entspricht dieser Anteil ungefähr dem der Mandatsträgerinnen. So oder so, Frauen müssen politisch aktiv werden.
Am 31. Januar 2019 wurde im Brandenburger Landtag das von den Grünen eingebrachte Parité-Gesetz mit den Stimmen der SPD und den Linken beschlossen. Die Parteien sollen zu den übernächsten Landtagswahlen eine Frauen- und eine Männerliste bestimmen, aus der dann eine gemeinsame paritätisch besetzte Wahlliste nach dem Reisverschlussprinzip erstellt wird. Verstöße können zur Folge haben, dass eine Liste nicht antreten darf, erklärte die Grünen-Politikerin Ursula Nonnenmacher. Die Direktmandate sind davon nicht betroffen, obgleich gerade dort Frauen seltener zum Zuge kommen.
Die Befürworter des Gesetzes beziehen sich dabei auf das Grundgesetz:
Art 3.(2) „Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.“
Im Grundgesetz steht auch
Art. 28 Abs. 1, Satz 2 GG: „In den Ländern, Kreisen und Gemeinden muss das Volk eine Vertretung haben, die aus allgemeinen unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlen hervorgeht.“ (für den Bundestag Art 38 (1)
Die KritikerInnen des Parité-Gesetzes haben verfassungsrechtliche Bedenken, denn „Freies Wahlrecht“ bedeutet, dass die Bürger und die Bürgerinnen „von niemandem in ihrer Wahl beeinflusst werden dürfen. Die Stimmabgabe muss frei sein von Zwang und unzulässigem Druck.“ (Korte 2009). Geschlechterparitätische Vorgaben per Gesetz beeinträchtigen die Wahlfreiheit der Parteimitglieder, frei über die Kandidierenden sowie deren Reihenfolge zu entscheiden.
Der ehemalige Verfassungsrichter Di Fabio bezweifelt im Spiegel, dass das Parité-Gesetz mit den Wahlrechtsgrundsätzen und mit der Freiheit der Parteien vereinbar wäre. Die Verfassung, kenne „nur eine Bezugsgröße für Wahlen, nämlich das Volk – die Gesamtheit der Wahlberechtigten“ (28.12.2018).
Das sieht die Juristin Silke Laskowski, Professorin für öffentliches Recht in Kassel, anders. Sie reichte für ein Aktionsbündnis 2016 am Bayrischen Verfassungsgericht Popularklage ein und begründet diese mit Verstößen gegen das Gleichberechtigungsgrundrecht und das Demokratieprinzip. Außerdem sieht sie einen bindenden Verfassungsauftrag. Nun wird das Bundesverfassungsgericht über das Parité-Gesetz entscheiden.
Es ist eine Diskussion um eine gesellschaftliche Veränderung, um eine Veränderung der politischen Kultur. Es ist ein Diskurs, der für die Vertreterinnen moderater Frauenpolitik erst einmal geführt werden muss, für Feministinnen schon längst überfällig und für die Parité-GegnerInnen überflüssig ist.
Dahinter steht aber ein komplexer Gedanke: Wie soll unsere Gesellschaft aussehen? Wollen wir, dass Parität in den Parlamenten selbstverständlich ist? Wie könnte das erreicht werden? Hilft da ein Gesetz?
Vermutlich liegt die Lösung irgendwo dazwischen. Zunächst muss ein Diskurs über eine konkrete „Utopie“ (eine Gesellschaftsordnung, die realisierbar ist) geführt werden. Das Utopische liegt weniger in der paritätischen Machtverteilung als in dem Wunsch, sie in gesellschaftlichem Konsens zu erreichen.
„Wenn Parität das Ziel ist, das wir erreichen wollen, müssen wir die gleichberechtigte politische Teilhabe als Grundlage ermöglichen“ sagt Kristy Augustin, Frauenpolitische Sprecherin der CDU-Fraktion im Landtag.
Gemeint ist die Lebenswirklichkeit von berufstätigen Müttern: Mehrstündige Sitzungen am Abend – wie es in der ehrenamtlichen Politik häufig der Fall ist – gilt es, reale Bedingungen zu schaffen, Beruf, Familie und Ehrenamt unter einen Hut zu bringen.
Es geht auch um Spielregeln, die sich aus einem traditionell maskulinen Verhaltenskodex heraus entwickelt haben. Frauen müssen durch Mentoring-Programme (Empowering) nicht lernen, diese Spielregeln 100% zu adaptieren. Sie müssen lernen, dass man Spielregeln ändern kann. Was aber für eine Gesellschaft wünschen wir uns?
Dr. Regina Ryssel, Vorsitzende
der Frauen Union Potsdam,
Kandidatin für den Wahlkreis 1
Die Frauen Union Potsdam lädt herzlich zu einer Diskussionsrunde ein: konträr – Quo vadis, Gesellschaft: Parité per Gesetz? am Sonntag, dem 10.März 2019, um 15:00 Uhr im Begegnungshaus
Groß Glienicke, Glienicker Dorfstraße 2,
14476 Potsdam.