Ortsbeirätin Tina Lange plädiert für bessere Bürgerbeteiligung
Die Stadt Potsdam schreibt sich Beteiligung ganz groß auf die Fahnen. Doch wenn es konkrete, sachdienliche Beteiligung gibt, hat man zuweilen den Eindruck, dass dies nicht gewünscht ist, insbesondere wenn es um die Bebauung im Potsdamer Norden geht. Hier scheinen wirtschaftliche Interessen Vorrang zu haben. Ein paar aktuelle Beispiele bilden verschiedene Bebauungspläne im Ortsteil Fahrland:
Der Bebauungsplan „Am Friedhof“ in Fahrland wurde im Mai 2019 ein 3. Mal ausgelegt. Der Grund: Die Stadt wollte dem dortigen Investor finanziell entgegenkommen. Die Stadt hat dabei auf 200 Seiten die zahlreichen Stellungnahmen der 1. und 2. Auslegung abgewogen – eigentlich müsste man sagen: einfach weggewogen. Konstruktive Hinweise seitens der Bewohner*innen, der Bürger_innen-Initiative Fahrland (die 44% bei der Ortsbeiratswahl bekam) und sogar seitens der Behörden wurden nahezu komplett ignoriert. Es gab nur drei marginale Änderungen. Verbesserungen im Klimaschutz und Artenschutz für geschützte Tiere wurden abgelehnt. Sozialer Wohnungsbau in den Ortsteilen auf (noch) kommunalen Flächen wurde auch abgelehnt. Verbesserungen im ÖPNV-Anschluss vor dem Weiterbau von Wohnraum? Ebenfalls abgelehnt. Ausreichend Parkplätze, auch für die Bestandsbauten, zumindest solange die Tram nicht gebaut ist? Fehlanzeige. Auch der Erhalt von gebietsprägenden Großbäumen und der zumindest zeitweise Erhalt der seit Jahrzehnten bestehenden Nutzgärten wurden abgelehnt.
Unverständlich auch: Ein im Dorf dringend benötigter Spielplatz wurde ebenfalls abgelehnt – obwohl der unmittelbar neben dem Schulweg wirklich vielen Kindern zugutekäme. Es handelt sich hier um konstruktive Vorschläge und keinesfalls um eine bloße „Antihaltung“ gegen sämtliche Bebauung vor Ort. Nein, es geht um echte Gestaltung, um Lebensqualität und darum, die Bewohner*innen vor Ort mitzunehmen und den ländlichen Charakter trotzdem zu erhalten.
Die Stadt widerspricht damit auch ihren erst Ende 2018 beschlossenen „Gesamtstädtischen Zielen der Landeshauptstadt“. Die nämlich besagen in hochtrabenden Kapiteln: „Wachstum mit Klimaschutz, bezahlbares Wohnen, vorausschauendes Flächenmanagement, bürgerschaftliches Engagement und umweltgerechte Mobilität“. Nichts anderes forderten die meisten Stellungnahmen. Doch wie man dem städtebaulichen Konzept (s. Bild) entnehmen kann, scheint die kompromisslose maximale Bebauung mit Einfamilien-, Doppel- und Reihenhäusern wichtiger als eine ausgewogene Bebauung, die die Bedingungen vor Ort berücksichtigt.
Dazu gehört beispielsweise auch der seit 10 Jahren mit demselben B-Plan auf Halde liegende sichere Schulweg: Dieser wird immer weiter verschleppt – ein Beschluss des Ortsbeirates auf umgehenden Bau im März 2019 wurde ignoriert. Dies ist auch insofern verwerflich, als eine öffentliche Zusage der Bildungsbeigeordneten Frau Aubel gegenüber dem RBB-Fernsehen im Februar 2018 gebrochen wird: Sie sagte einen Bau 2019 zu, notfalls auch unabhängig vom B-Plan, der sich nun schon seit 2011 hinzieht.
Ähnlich verfährt man mit der Bürgerbeteiligung bei allen anderen Bebauungsplänen im Norden: Maximale Bebauung auf einem kleinen Areal in der Ketziner Str. in Fahrland statt einer naturnahen Wiese. Wahre „Höhenflüge“ beim geplanten Gewerbe im Friedrichspark (nahe Hornbach) in Marquardt. Und nicht zuletzt die aktuell ausliegenden Bebauungspläne in Krampnitz: Hier schafft man es gar, eine diesbezügliche Informationsveranstaltung zu den aktuellen frühzeitigen Beteiligungen parallel zur konstituierenden Sitzung des Ortsbeirates Fahrland zu legen, obwohl die Ortslage Krampnitz zu Fahrland gehört. Das heißt, die Ortsbeiräte konnten an der Krampnitz-Veranstaltung nicht teilnehmen. Aber vor allem werden hier die Areale von Krampnitz geplant, die bisher unbebaut sind – und das bei bisher völlig ungelösten Verkehrsproblemen. Der Norden Potsdams ist bereits heute ein chronisch überlastetes Nadelöhr ohne attraktive Alternativen zum Auto, und ob die Straßenbahn jemals bis Krampnitz und Fahrland fahren wird, steht derzeit auch noch in den Sternen. Ähnlich verhält es sich mit dem Ausbau und der Anbindung des Bahnhofs Marquardt. Aber Hauptsache die Wohnbebauung vor Ort kann weitergehen. Dass zum Leben mehr als nur Wohnen gehört, dass soziale Infrastruktur, Mobilitäts-, Einkaufs- und Freizeitangebote fehlen, erscheint nebensächlich. Die „Stadt der kurzen Wege“ – nur eine Floskel.
Liebe Stadtverwaltung: Beteiligung sieht anders aus, und ich werde mich in der kommenden SVV und im Ortsbeirat als gewählte Abgeordnete der LINKEn dafür einsetzen, dass sich das ändert. Und um auch von Landesseite aus Dinge wie die fehlende ÖPNV-Anbindung, Radwege & Co. in Angriff zu nehmen, kandidiere ich im Wahlkreis 19 (Potsdam-Nord, Potsdamer Ortsteile, Werder & Schwielowsee) auch als Direktkandidatin zu den Landtagswahlen am 1. September 2019.
Tina Lange