Forum Krampnitz mit Rückschau und spannenden Aussichten
Bevor in Krampnitz die ersten Straßen gebaut, die ersten Kasernengebäude saniert und neue Häuser errichtet werden können, gibt es Einiges vorzubereiten. Was genau dort in den letzten zwei Jahren und aktuell passiert, davon berichteten Mitarbeiter der Stadtverwaltung am 10. September 2019 während der 9. Sitzung des Forum Krampnitz im Haus des Entwicklungsträgers .
Naturschutz
Zauneidechsen sind streng geschützte Tiere. Rund 3.000 von ihnen leben nach Angaben von Projektleiterin Maria Johannsen auf 70 ha im Krampnitzer Entwicklungsgebiet. Dort können sie nicht bleiben, also müssen die Echsen umgesiedelt werden. Auserkoren wurde die alte Golmer Deponie. Offensichtlich bietet sie sehr gute Bedingungen für eine Neuansiedlung. Auf 16 ha wäre Platz für 2.300 bis 3.400 Zauneidechsen. Mit dem Bau von Steinhügeln und Holzablagerungen soll es den Echsen gemütlich gemacht werden. In diesem Sommer sind schon die ersten Echsen gefangen und nach Golm transportiert worden.
Auch die Waldameisen sind schon umgezogen. Zehn Ameisenhügel wurden in Tüten verpackt in den Sacrower Königswald gebracht und dort verteilt wieder aufgeschüttet. Maria Johannsen: „Ob das den Ameisen so gefällt, wissen wir nicht. Es kommt vor, dass sie sich einen anderen Platz suchen und ihr Nest noch einmal komplett ein paar Meter versetzen.“ Rund um die neuen Hügel wurden einige Päckchen Zucker ausgekippt. „Das soll eine erste Starthilfe für die Ameisen sein.“
Sicherheit
Zum Schutz vor Eindringlingen muss das gesamte Areal laufend gesichert werden. Denn immer wieder versuchen Schaulustige, auf das Gelände zu kommen und in die alten Kasernengebäude einzudringen. Das Pförtnergebäude und das Offizierscasino scheinen von besonderem Interesse und wurden deshalb extra gesichert.
Rückbau
Die eigentlichen Kasernenhäuser bleiben zum großen Teil erhalten und werden zu Mehrfamilienhäusern umgebaut. Aber zahlreiche andere Gebäude, z.B. Werkstätten und Garagen, müssen abgerissen werden. Wo es möglich ist, trennen die Arbeiter die Baustoffe nach Material. So können beispielsweise Klinker wieder vermauert und geschredderter Beton als Füllmaterial wieder verwendet werden. Auf der anderen Seite müssen schadstoffbelastete Materialien wie asbesthaltige Dachpappe fachgerecht entsorgt werden. Ziel ist es, möglichst wenig Material zu bewegen und damit Transportkosten zu sparen.
Sigrun Rabbe, Geschäftsführerin des Sanierungsträgers Potsdam, machte in einem bildhaften Vergleich deutlich, um welche Mengen es sich hier handelt: Zum Beispiel fielen beim Abriss der alten Sporthalle 5.250 m³ Baumaterial an. Das entspricht der Masse von acht Einfamilienhäusern. Der Kohlebunker umfasst 50.000 m³ Baumaterial. Das wären 70 Einfamilienhäuser. Im Bergviertel wurden und werden Gebäude mit einem Volumen von insgesamt 90.000 m³ abgerissen. Das entspricht rund 120 Einfamilienhäusern.
Kampfmittelberäumung
Aus einer Tiefe von 4-6 Metern wird das gesamte Gelände nach Handgranaten, Munition und anderen teilweise gefährlichen Überresten der militärischen Nutzung mittels Detektoren durchsucht. Jedes noch so kleine Metallteil wir ausgebuddelt und sichergestellt. Selbst unter Gebäuden fanden die Spezialisten Munition. Sigrun Rabbe: „Die Munition ist kistenweise verklappt worden.“ Aber sie macht auch Hoffnung: „Wenn die Kampfmittelberäumung komplett durchgeführt wurde, ist das Gelände garantiert munitionsfrei.“
Öffentlichkeitsarbeit
Um das größte Entwicklungsprojekt der Stadt für die Öffentlichkeit sichtbar und verständlich zu machen, unternimmt Potsdam zahlreiche Anstrengungen. Kürzlich wurde eine eigene Website (www.krampnitz.de) online geschaltet. Die Informationen auf dieser Seite dürften auch für potenzielle Investoren interessant sein.
Die öffentlichen Führungen über das Gelände während der Sommerzeit sind so begehrt, dass sie in diesem Jahr schon zu Ostern für die gesamte Saison ausgebucht waren. Bernd Rubelt, der zuständige Beigeordnete, regte während des Krampnitz-Forums an, diese Angebote auszuweiten. Am Tag des offenen Denkmals am 8. September besichtigten 1.300 Interessierte das Kasernengelände.
Archäologische Untersuchungen
Auf die anstehenden archäologischen Untersuchungen in Krampnitz darf man gespannt sein. Wie Gundula Christl von der Unteren Denkmalschutzbehörde berichtete, ergaben Voruntersuchungen, dass mit vielen Funden aus allen Zeiten von der Steinzeit bis zum Mittelalter zu rechnen ist. Sogar zwei Mammutzähne sind schon gefunden worden. Die bis jetzt ältesten Funde auf dem Kasernenareal, die auf die Nutzung des Geländes durch den Menschen verweisen, stammen aus der jüngeren Altsteinzeit (ca. 12-14 000 Jahre alt). Im Vergleich mit Funden am Campus Jungfernsee (Werkzeuge aus der mittleren Altsteinzeit, Mammutzahn) erscheint es möglich, dass auch in Krampnitz so etwas auftauchen könnte.
Ein Grund für die sehr lange Besiedlungszeit dürfte die besondere Lage des Ortes auf der Anhöhe sein, von der man einen weiten Blick über die Landschaft hatte. Von da konnten die umliegenden Wasser- und Landwege bestens kontrolliert werden. Südlich vom heutigen Krampnitz war der leichteste Zugang zu der durch Wasser fast rundherum geschützten „Insel Potsdam“. Die feuchten Niederungen westlich (Fahrland/Satzkorn) waren wegen häufiger Überflutungen schwer passierbar.
Alle, die nach Norden weiter wollten, mussten die vom Kellerberg (im nordöstlichen Kasernenareal), der nördlich vorgelagerten Niederung (Großes Luch) und dem gegenüberliegenden Schwarzen Berg begrenzte Engstelle passieren. Gerätschaften des Neandertalers (mittlere Altsteinzeit, älter als 40 000 J.) sind in Krampnitz noch nicht gefunden worden. Dafür aber Zeugnisse aus sehr vielen verschiedenen ur- und frühgeschichtlichen Zeitperioden. Es ist ein in vielen Zeiten intensiv genutztes Areal.
Dies bestätigen Ausgrabungen, die zwischen 1913 und 1939 durchgeführt wurden. Friedrich Bestehorn, Historiker und Gründungsdirektor des Stadtmuseums, und seine Mitarbeiter entdeckten u.a. die Überreste einer großen Siedlung aus der frühen römischen Kaiserzeit (1. und 2. Jahrhundert nach Christus) sowie Skelette eines slawischen Friedhofs aus dem frühen Mittelalter.
Leider sind durch die Wirren des zweiten Weltkrieges Teile der Dokumentation verloren gegangen. Was davon noch vorhanden war, hat Richard Hoffmann, der Leiter der vorgeschichtlichen Abteilung des Stadtmuseums, 1945 aus dem Büro von Friedrich Bestehorn im zerstörten Palais Barberini geborgen und dann in den 1950er Jahren versucht, Zeichnungen und Fotos den Fundplätzen zuzuordnen.
Die noch zuzuordnenden Informationen zu den Altgrabungen und die Erkenntnisse aus aktuellen archäologischen Vorerkundungen werden in der Unteren Denkmalschutzbehörde der Landeshauptstadt Potsdam in einer Datenbank erfasst. Die Informationen dienen als Basis für die Planung der notwendigen Ausgrabungen.
106 ha Bodendenkmal wurden als zusammenhängende Fläche im Bereich der ehemaligen Kaserne ausgewiesen. Kleinere Teilflächen davon liegen auch außerhalb des Entwicklungsgebietes. Nur ein Bruchteil davon wird untersucht. Nämlich da, wo Straßen oder Gebäude gebaut werden. Christel: „Der gesetzliche Auftrag ist es, Bodendenkmale so weit wie möglich unversehrt im Boden zu schützen und für künftige Forschungen zu erhalten. Wo das in der Praxis nicht umsetzbar ist, werden alle durch die künftigen Baumaßnahmen von Zerstörung bedrohten im Boden konservierten Spuren der früheren Geländenutzung und Besiedlung ausgegraben und dokumentiert. Das betrifft aber nur die Flächen, in denen später gebaut wird. Der Umfang der notwendigen Ausgrabungen ist dann auch erst anhand der detaillierten Planungen für einzelne Vorhaben sicher zu ermitteln.“
Der Entwicklungsträger Potsdam geht von insgesamt rund 1.000 Tagen archäologischer Forschertätigkeit in Krampnitz aus. Mehrere Millionen EUR an Kosten fallen dafür an. Geschäftsführer Bert Nicke sieht es gelassen: „Wer in Potsdam baut, muss mit solchen Sachen rechnen.“
Themen kommender Foren
Nachfrage von Stadtverordneten aus dem Krampnitz-Forum bezüglich des unzureichenden Verkehrskonzepts und der Abstimmungen dazu mit dem Land Brandenburg blieben unbeantwortet. Es gehe um einen „Zielabweichungsbescheid zur Raumordnung“ erklärte Baudezernent Bernd Rubelt und verwies auf das geplante 11. Krampnitz-Forum am 3. Dezember 2019, bei dem es explizit um die Verkehrsplanung gehen soll.
Das 10. Forum am 1. Oktober 2019 beschäftigte sich mit städtebaulichen Fragen. Zu der Zeit war dieses Heft schon in der Druckerei. Der POTSDAMER bleibt dran. Auch zu dem im 9. Forum angesprochenen Thema Energieversorgung wird der POTSDAMER gesondert berichten.
Sinn des Forums
Im „Forum Krampnitz“ werden nach Angaben der ProPotsdam „…die politischen Entscheidungsträger durch die Fachverwaltung und den Entwicklungsträger zu allen Themen der Entwicklungsmaßnahme, wie etwa der Durchführung von Wettbewerben, Verkehrs- und Energiekonzepten und weiteren aktuellen Entwicklungen informiert. Stetiger Austausch, Rückfragemöglichkeiten und der Dialog auf Augenhöhe sollen das Gremium in die Lage versetzen, Beschlüsse in Form von Empfehlungen an die Stadtverordnetenversammlung zu fassen. Die Sitzungen des Forums sind öffentlich und finden bedarfsweise statt.“
Vielleicht findet sich im Rahmen des Krampnitz-Forums ja auch noch eine Möglichkeit, die Stadtverordneten, die wegen der Kommunalwahlen im Mai frisch in das Gremium aufgenommen worden sind, auf einen aktuellen Wissensstand zu bringen, damit die Stadtverordnete ihrer Aufgabe wenigstens annähernd gerecht werden können. Denn das Projekt Krampnitz ist extrem komplex und schon in der Planungsphase mit vielen Veränderungsprozessen verbunden.
sk