Die Krampnitz-Kritiker werden immer lauter – und mehr

Die Überschriften der Tageszeitungen der letzten Tage, wenn es um Krampnitz – Potsdams größtes Bauvorhaben – geht, in dem in etwa zehn Jahren mehr als 10.000 Menschen leben sollen, klingen sehr nach Chaos und Inkompetenz, dabei ist die Stadt voller Zuversicht.
2012 entschied man sich für die Erschließung und Bebauung in Krampnitz. Damals allerdings noch in einem überschaubareren Rahmen. 3.800 Einwohner bzw. 1.600 Wohneinheiten sollte Krampnitz einmal bekommen, allerdings nur, wenn die Gemeinsame Landesplanung Berlin-Brandenburg (GL BB) zustimmt. Hierfür musste Potsdam ein umfangreiches Konzept vorlegen, dass Grundlage für die Abweichungserlaubnis des bestehenden Landesentwicklungsplans werden sollte. Mit dieser Aufgabe scheint die Landeshauptstadt allerdings so ihre Schwierigkeiten zu haben, denn das bisher vorgelegte Konzept, unter anderem bestehend aus einer Verkehrsentwicklungsanalyse, bewirkte vielmehr Naserümpfen als Begeisterung bei den zuständigen Entscheidungsträgern auf Landesebene.

Wem fällt´s auf?

Die Potsdamer Bauverwaltung arbeitet und plant weiter fleißig an dem Megaprojekt Krampnitz. Dass dabei mal etwas übersehen wird, ist bei einer völlig unterbesetzten und überarbeiteten Verwaltung nicht verwunderlich.
Es war der Stadtverordnete Andres Menzel, der aufmerksam die Unterlagen lass, als es um die öffentliche Auslegung der Änderung des Flächennutzungsplans ging, die bereits seit Mitte Oktober lief und am 20. November 2020 beendet werden sollte. Menzel stellte jedoch kurz vor Ablauf fest, dass ein wesentliches Dokumente fehlte. Schnell hieß es vom verantwortlichen Mitarbeiter des Bereichs Stadtentwicklung in einer E-Mail, die dem POTSDAMER vorliegt: „Aufgrund eines Hinweises von Herrn Menzel ist uns aufgefallen, dass uns bei diesem Änderungsverfahren ein Fehler unterlaufen ist. Wir müssen die Öffentlichkeitsbeteiligung wiederholen, voraussichtlich Anfang des Jahres 2021“.
Für den Baubeigeordneten Rubelt kam die Entschuldigung des Mitarbeiters etwas verfrüht, denn einen Tag später hieß es, dass man erst einmal prüfen wolle, ob das besagte Dokument überhaupt Gegenstand der öffentlichen Auslegung hätte sein müsse. Es musste. Nun muss die öffentliche Auslegung zur geplanten Flächennutzungsplanänderung doch noch einmal durchgeführt werden. Man wolle diese allerdings noch in diesem Jahr durchführen, hieß es aus dem Rathaus.

Noch ist hier nicht viel passiert. Hat Krampnitz noch eine Chance?

Noch ist hier nicht viel passiert. Hat Krampnitz noch eine Chance?
Foto: Benjamin Maltry

Phantomschmerz Straßenbahn

Sie ist noch gar nicht da, und schon bereitet sie die wohl größten Probleme, die Straßenbahn. Zuerst wurde sie eingleisig geplant. Für 3.800 Einwohner in Krampnitz und die weitere Entwicklung der umliegenden Ortsteile damals ausreichend. Seit etwa drei Jahren steht fest: Sie muss zweigleisig werden. Dafür gab es im Wesentlichen zwei Gründe: erstens rechnet sich der Bau und der Unterhalt einer eingleisigen Straßenbahnführung kaum und zweitens werden zweigleisige Tramtrassen mit bis zu 70 Prozent Fördermitteln finanziert, die eingleisige hätte Potsdam selbst zahlen müssen.
Aktuell liegen Pläne vor, wie der Verlauf der zukünftigen Trasse nach Krampnitz und weiterführend nach Fahrland aussehen soll. Allerdings führt dieser über viele Grundstücke, die die Stadt vorher noch erwerben – oder enteignen – muss.
2019 beschloss man, die Trasse erst nach Krampnitz zu verlegen, wenn dort 5.000 Menschen wohnen. Bis dahin wolle man den Verkehr mit den Bussen bewältigen.
Nun stellt sich auch die Landesdenkmalschutzbehörde den Potsdamer Städteplanern in den Weg. Diese wollen nämlich das historische Chausseehaus, das auf der Nedlitzinsel, direkt an der Tschudistraße, steht, erhalten. Die Stadt allerdings plant es abzureißen, weil es genau dort steht, wo die Tramtrasse verlaufen soll.

Ortsbeiräte lehnen Änderung des Flächennutzungsplans ab

Die Ortsbeiräte im Potsdamer Norden lehnen die geplante Änderung des Flächennutzungsplans (FNP) deutlich ab, die die Stadt in einer öffentlichen Auslegung vorgestellt hat. So begründet der Ortsbeirat Neu Fahrland seine Einwände u.a. damit, dass „die inhaltliche Grundlage des Entwurfs der FNP-Änderung Krampnitz 14/17 B und der 2019 von den Stadtverordneten beschlossene Masterplan Aussagen enthalten, die bereits überholt seien. Auch das gesamte Verkehrskonzept wird angezweifelt, und das nicht nur, weil auf alte Zahlen aus dem Jahr 2015 zurückgegriffen wurde, sondern weil kein ganzheitliches Konzept zu erkennen sei.
Zudem weise der neue FNP „eine erhebliche Zunahme der Bebauungsdichte auf“, was zu „einer Überlastung des Verkehrs auf der B2“ führe, die sich bereits jetzt an der Grenze zum Verkehrsinfarkt sei. Hinzu kämen die Zunahme von Lärmemissionen, die „die Bewohner Neu Fahrlands in ihrer Lebens- und Wohnqualität erheblich“ beeinträchtigen und gesundheitlich schädigen.
Insgesamt widerspreche die Flächennutzungsplan-Änderung „Krampnitz“ (14/17 B) der Regionalplanung gemäß des Landesentwicklungsplans Berlin-Brandenburg (LEP B-B) und des Landesentwicklungsplans Hauptstadtregion (LEP- HR), weil die darin vorgeschlagene Größenordnung weit über dem liege, was den Auflagen im Zielabweichungsverfahren (ZAV) vom 29. April 2013 zugrunde gelegt wurde – nämlich die zuvor genannten 3.800 Einwohner. Es seien noch nicht einmal die Auflagen erfüllt, die das ZAV für die ursprünglichen Planungen vorgesehen habe. Weder gebe es eine „detaillierte Prognoseuntersuchung über die Lärmauswirkungen noch eine belastbare Verkehrsauswirkungsanalyse, der realistische Annahmen über die zu erwartende Verkehrsmittelwahl zugrunde liegen“, heißt es in der Begründung weiter. Ähnlich lesen sich die Begründungen der anderen Ortsbeiräte.

So soll Krampnitz nach den aktuellen Plänen der Stadt einmal aussehen

So soll Krampnitz nach den aktuellen Plänen der Stadt einmal aussehen
Grafik: Machleidt, Sinai

Baumpaten hier, Rodung da

Über 30 ha waldartige Strukturen, die im Laufe der Zeit auf dem Krampnitz-Gelände gewachsen sind und vielen Tieren einen wertvollen Lebensraum bieten, sollen gerodet werden, um Platz für Neubauten zu schaffen. Schätzungen zufolge handelt es sich hierbei um etwa 15.000 bis 20.000 Bäume unterschiedlicher Größe. Parallel ruft die Stadt dazu auf, Baumpate zu werden, weil man bis 2024 1000 Bäume für den Klimaschutz pflanzen möchte. Klingt paradox? Ist es auch.
In der Broschüre der Stadt Potsdam „100 % Klimaschutz, Masterplan für Potsdam 2050“ heißt es: „Das Leitbild [Potsdams, Anm. d. Red.] verschreibt sich ausdrücklich dem Gedanken einer nachhaltigen Gestaltung des Stadtwachstums und sieht Potsdam als ökologische Stadt, die sich für Nachhaltigkeit, Klima- und Umweltschutz engagiert“. Wen wundert es, wenn hier Fragen auftreten und es zu Kopfschütteln kommt?

Ohne Schule kein Zuzug

Der Bau der ersten Grundschule in Krampnitz war für Mitte 2021 geplant. Jüngst schrieb die PNN, dass sich der Baubeginn wahrscheinlich verschieben werde. Hintergrund der Verzögerung sollen die bereits oben erwähnten und von Potsdam nicht erfüllten Anforderungen der Gemeinsamen Landesplanung Berlin-Brandenburg sein, die dazu geführt haben, dass einige Bebauungspläne auf Eis gelegt wurden, weil sie unter anderem „den Zielen der Raumordnung widersprechen“.
Da nun hinter jedem Krampnitz-Plan der Stadt ein dickes Fragezeichen steht, scheint das gesamte Projekt zu wackeln. Dennoch sind die Verantwortlichen der Stadt zuversichtlich, die Pläne umsetzen zu können.
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sts