Die „Galerie Preuß“ in den Räumen der ehemaligen Post eröffnet
Erinnern Sie sich noch an die Lieblingsbücher ihrer Kindheit? Spätestens, wenn man ein solches Buch als Erwachsener wieder in den Händen hält, kommt die Erinnerung zurück! Diese Farben, diese Bilder, die Geschichte! Was hat uns damals so fasziniert, dass wir es mir immer und immer wieder ansehen wollten?
Bei der riesigen Auswahl an Kinderbüchern heutzutage macht wohl jedes Kind seine ganz eigenen Erfahrungen damit. Die Kinder der siebziger und achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts, die in der DDR aufwuchsen, teilen viele gemeinsame Erinnerungen.
Einen Teil dieser gemeinsame kulturelle Erfahrung bewahren helfen möchte Anne Preuß, die Nichte und Nachlassverwalterin des Grafikers und Buchillustrators Gerhard Preuß. Am 16. Mai 2020 hat sie in ihrer alten und neuen Heimat Potsdam im Ortsteil Eiche die Galerie „Preuß“ offiziell eröffnet. Preuß, selbst Malerin und Fotografin, erfüllt sich damit einen lang gehegten Wunsch.
„Als ich hörte, dass die Post schließt, wandte ich mich sofort an den Vermieter Semmelhaack und hatte Glück. Ich konnte die Räume im kleinen Geschäftszentrum von Eiche frisch renoviert anmieten. Dieser Ort ist genial!“ Preuß freut sich über die zentrale Lage und hofft auf viele Besucher. Endlich kann sie nun das Erbe ihres Onkels Gerhard Preuß aus dem Archiv holen und in wechselnden Ausstellungen präsentieren.
Gerhard Preuß
Gerhard Preuß, geboren 1935 bei Stettin, lebte viele Jahre in Potsdam. Von 1957–1962 studierte er Grafik an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee, wo er später als Dozent für Grafik im Grundlagenstudium arbeitete. Einen Namen machte sich Preuß als freischaffender Grafiker. Er illustrierte über 60 Kinder- und Jugendbücher sowie Schulbücher. Vielleicht erinnern sich einige an die Erzählungen über die Urgesellschaft „Das Feuertier“, „Die Wildpferdjägern“ oder an das Feenmärchen „Der Orangenbaum und die Biene“. Für den Bereich Belletristik gestaltete er rund 2.200 Illustrationen, Vignetten, Einbände und Umschläge. Gedruckt wurden auch Briefmarken, Zeitungen, Plakaten und Spielkarten nach seinen Entwürfen. Circa 1.800 Werke hat Anne Preuß zusätzlich im Bereich freie Malerei, Zeichnung und Druckgrafik gezählt, darunter auch Architektur- und Möbelentwürfe. Naturwissenschaftlich-philosophische Fragestellungen beschäftigten Gerhard Preuß besonders. Davon zeugen z.B. etliche zeichnerische Skizzen zur Gravitation. Sein Werk zeichnet sich durch viel Liebe zum Detail und besonderes handwerkliches Können aus. Dynamik und Farbe spielen eine große Rolle. Oft erzählen die Illustrationen die Geschichte in den Büchern auf einer zweiten Ebene.
Gerhard Preuß verstarb im März 2014 in Treuenbrietzen. Seine Arbeiten sind mehrfach mit dem Titel „Schönstes Buch des Jahres“ ausgezeichnet worden. 1987 erhielt Preuß die „Verdienstmedaille der DDR“.
Anne Preuß
Aber nicht nur die Werke des Künstlers Gerhard Preuß sind in der Galerie zu sehen. Galeristin Anne Preuß stellt ihre eigenen Arbeiten im Hinterzimmer der Galerie aus, z.B. impressionistische Naturstudien in leuchtenden Farben. Besonders angetan hat es Anne Preuß in jungen Jahren das Meer und die wilde Landschaft um die Rügener Kreidefelsen. Immer wieder radelte sie, oft gemeinsam mit ihrer Malerfreundin Hanne Petrick, und diversen Malutensilien im Fahrradkorb an die Steilküste. Hanne Petrick aus Altenkirchen war es auch, die mit viel persönlicher Wertschätzung und Hingabe die Laudatio zur Eröffnung der Galerie Preuß hielt und mit einem Zitat begann: „Heute früh habe ich in meinem Kalender gelesen: ‚Bei jedem Atemzug stehen wir vor der Wahl, das Leben zu umarmen oder auf das Glück zu warten‘. ANNE hat sich für das erste entschieden, sie umarmt gerade das Leben sehr.“ Hanne Petrick schilderte das bewegte Leben der Künstlerin Anne Preuß, die im Hauptberuf als Lehrerin für Kunst und Mathematik arbeitete. Zuerst in einem Tagebaudorf bei Altenburg (Thüringen) und nach ihrer Flucht 1989 in die BRD in Hameln (Niedersachsen). 2014 kehrte sie nach Potsdam zurück.
Ulrich Preuß
Der Dritte im Bunde der kreativen Familie heißt Ulrich Preuß. Er war „musikalisch, schriftstellerisch und in der Bildenden Kunst talentiert und hat mit seinen grotesken, manchmal verstörenden Werken und Initiativen in den 80er und 90er Jahren die etablierte Kunstszene in Potsdam provoziert und in Frage gestellt. Ob als Lieder- oder Theatermacher aber auch als Initiator politischer Aktionen (zum Beispiel zum Gedenken an die Reichspogromnacht am 9.11.) hat er nicht nur starke Impulse zu Mut und Kreativität im Vorwende-Potsdam gegeben, sondern oft Polizei und Staatssicherheit auf den Plan gerufen, die mit 24 IM (Inoffizielle Mitarbeiter der Staatssicherheit) größtes Interesse an ihm bekundete.“ So Anne Preuß über ihren im Jahr 2000 verstorbenen Bruder Ulrich, genannt „Stan“. Einige seiner teilweise sehr komplexen surrealistischen Werke sind ebenfalls in der Galerie Preuß zu bestaunen.
Wer jetzt Lust auf einen Galeriebesuch bekommen hat, sollte nicht versäumen nach den illustrierten Kinderbüchern zu fragen, die Anne Preuß in einem Schrank bereit hält. Vielleicht für eine kleine Zeitreise in die eigene Kindheit.
Lesereihe für Kinder
„Geplant ist das Vorlesen der populärwissenschaftlichen Kinderbuchreihe von Gerda Rottschalk vielleicht auch von Kindern für Kinder, zunächst in Deutsch, bei einem nächsten Termin in Englisch. Die Reihe zählt mit ihren zahlreichen farbig erzählenden Bildern zu den bekanntesten illustratorischen Werken von Gerhard Preuß. In den Geschichten geht es um das Leben in der Urgesellschaft. Zur Vorbereitung und Gestaltung der Bücher haben sich die Autorin Gerda Rottschalk, der wissenschaftliche Beirat Werner Padberg und der Grafiker Gerhard Preuß persönlich getroffen, um für die Kinder eine lehrreiche, ansprechende und einfach schöne Kinderbuchreihe zu ermöglichen.
Lesung jeweils 17.00 Uhr, Dauer: 30 Min., Teilnahme: 2 €
Das Feuertier: Mo., 8.6.
Die Wildpferdjäger: Fr., 12.6.
The Fire Animal: Mo., 15.6.
The Wild Horse Hunters: Fr, 19.6.
Die Kinder Sumuts: So., 21.6.
The Children of Sumut: Fr.,26.6.
Der Tempelschreiber: Mo., 27.8.
The Templescriber: Fr. 31.8.
Für Kinder von 8 bis 11 Jahren, Anzahl der Personen entscheidet über die ggf. Übertragung per Lautsprecher nach draußen. Um Voranmeldung wird gebeten direkt in der Galerie, telefonisch oder per Mail.“
Angebote in der Galerie
Originaldrucke, Reproduktionen und einige Originale sind in der Galerie erhältlich. Mit Vorträgen, Gesprächen, Lesungen und Abenden zu verschiedensten Themen möchte Anne Preuß recht herzlich einladen, z.B. „English Conversation“ mit Heide Simm aus Eiche: Offener Gesprächsabend für mehr Selbstvertrauen beim Englischsprechen. In der Galerie werden viele schöne Kunstpostkarten zum Kauf angeboten. Es handelt sich um Abbildungen der Malereien und Grafiken von Gerhard Preuß sowie Malereien, Fotografien, Grußmotive (auch aus Eiche) von Anne Preuß.
Adresse: Am Alten Mörtelwerk 10, 14469 Potsdam-Eiche, Öffnungszeiten: Fr, So, Mo, Di: 15 bis 19 Uhr, Sa: 11 bis 15 Uhr sowie nach Vereinbarung, Kontakt: 0178 2065713
sk