Tauben haben es schwer bei uns. Als Hochzeitstauben werden sie geliebt, als „Ratten der Lüfte“ gehasst. Kaum ein Thema polarisiert so sehr, wie das der Tauben in unseren Städten. Man schätzt, dass etwa 500 Millionen Tauben weltweit in Städten leben, 10.000 sollen es allein in Berlin sein. Und auch in Potsdam sind Stadttauben heimisch. Der größte Schwarm mit rund 100 Tauben lebt am Hauptbahnhof, ein weiterer mit 60 bis 80 Tieren rund um die Hegelallee.
Der Hauptbahnhof ist ein Hotspot für Stadttauben. Denn wo viele Menschen sind, finden die verwilderten Haustiere in den Abfällen Nahrung und in dem weitläufigen Komplex Nischen zum Schlafen und zum Brüten. Was viele nicht wissen: Bei den Tauben, die auf Plätzen und an Bahnhöfen herumlaufen, handelt sich nämlich nicht um Wildtiere wie Türken- oder Ringeltaube, gut in der Natur klarkommen und ihre Nahrung selbst finden, sondern um domestizierte Tiere. Sie waren nie wild, sondern sind in einem Schlag aufgewachsen und wurden gefüttert. Stadttauben stammen von verwilderten Haus- und Brieftauben ab, die aus der am Mittelmeer heimischen Felsentaube gezüchtet wurden.

Bei den Tauben in Bahnhöfen, auf Plätzen und in Fußgängerzonen handelt es sich also um verwilderte Haustiere – ausgesetzte oder entflogene Haustauben, verirrte Brieftauben und deren Nachkommen. Sie brauchen die Nähe zum Menschen und zum Abfall von Brötchen, Pommes und Eiswaffel, sonst würden sie verhungern. Es ist ein menschengemachtes Problem, unter dem die Tiere leiden. Und die Anzahl der leidenden Tiere wird größer, denn die Tauben wurden auf maximalen Ertrag gezüchtet. Anders als Wildtauben brüten Stadttauben das ganze Jahr über. Das hat eine lange Geschichte, denn der Mensch hat sie über Jahrhunderte hinweg aufgrund ihres Fleisches und ihrer Eier gezüchtet – und ausgenutzt. Den Tieren wurde also ein permanenter Brutzwang angezüchtet. Und so brüten Stadttauben im Gegensatz zu Wildtauben mehrmals im Jahr und produzieren am laufenden Band Nachwuchs. Das geschieht ständig – ganz gleich, ob genügend Nahrung oder ein geeigneter Lebensraum zur Verfügung steht. Bei Futtermangel sind die Eltern jedoch nicht mehr in der Lage, ihre Jungen zu versorgen. Die Küken verhungern. Ein Teufelskreis, der das Elend der Tiere noch verstärkt. Am Hauptbahnhof sind die Vögel unerwünscht, denn sie hinterlassen jede Menge Kot.

Das sieht man auf dem rot-weißen DB-Schild und den großen Scheiben besonders gut. Eine Lösung sollte her – und so wurden insgesamt 30.000 Euro investiert, um die Aufenthaltsorte der Stadttauben mit Netzen und Spikes zu verbauen. Doch diese war brutal für die Tiere. Die Folge: Die Vögel verfingen sich in den Netzen und verendeten qualvoll. Zudem verletzten sie sich an den spitzen Spikes. Es gab Proteste von Tierschützern, die mit der Errichtung eines betreuten Taubenschlags in Bahnhofsnähe eine tierfreundliche Lösung forderten. Solche Taubenschläge gibt es schon, unter anderem in Augsburg, Erlangen, Stuttgart, an den Bahnhöfen Bernau und Berlin Südkreuz sowie im Berliner Bezirk Reinickendorf. Auch in Potsdam ist die Idee nicht neu. Es existieren bereits zwei Stadttaubenschläge in Gartensparten am Schlaatzweg und in Babelsberg. In den betreuten Taubenschlägen werden die Tiere regelmäßig artgerecht gefüttert, hier können sie schlafen und brüten. Außerdem tauscht man die Eier gegen Gipseier aus. So werden quasi gleich zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen: Zum einen bekommen die Tiere das richtige Futter und bleiben gesünder, zum anderen verringert sich die Population.
Ein solcher Taubenschlag soll nun auch in Potsdam entstehen, und zwar auf der südlichen Seite des Bahnhofs auf einer kleinen Brachfläche zwischen den Gleisen und der Halle, in der sich unter anderem das Spielcasino Jokers befindet. Der Schlag wird neben einer Wall-Werbetafel auf dem Boden stehen. Einige Frage müssen jedoch noch geklärt werden, beispielsweise wer die Reinigung und Fütterung übernimmt. Auch ein Termin, wann der Taubenschlag aufgebaut wird, steht noch nicht fest.