Die Tropenhalle soll ein Haus der Nachhaltigkeit und des Miteinanders werden
Als Sebastian Leifgen, der neue Geschäftsführer der Biosphäre Potsdam, am 1. Januar 2022 seine neue Aufgabe übernahm, sah seine Arbeitsplatzbeschreibung noch etwas anders aus als heute, ein halbes Jahr später, denn inzwischen hat sich viel getan.
Der Geschäftsführer der Biosphäre Potsdam hat aufgrund aktueller Geschehnisse Anfang März dieses Jahres in nur wenigen Tagen aus dem Stegreif eine Flüchtlingsunterkunft aufgebaut, und Anfang Juni dieses Jahres hat die Stadtverordnetenversammlung beschlossen, dass ein neues Nutzungskonzept für die Tropenhalle im Zusammenschluss mit dem Volkspark Potsdam entwickelt werden soll, das wirtschaftlich tragfähig ist. Im besten Fall sollen dann ab 2027 für das operative Geschäft keine städtischen Zuschüsse mehr benötigt werden.
„Bis zum Beginn der möglichen Bauphase muss die Landeshauptstadt die Verluste, der Biosphäre Potsdam GmbH … weiterhin finanzieren“, heißt es dabei in der entsprechenden Beschlussfassung. Dabei gehe man für die Jahre 2022 bis 2024 von gleichbleibenden Kosten wie in den Vorjahren aus, was einer Bezuschussung von 1,5 bis 1,7 Mio. Euro pro Jahr aus der Stadtkasse bedeutet.
2024 soll ein nachhaltiges Nutzungskonzept vorgelegt werden, das mit einer einjährigen Umbauphase einhergehen soll. Aktuell rechnet man mit einer Schließungszeit der Tropenhalle für die Öffentlichkeit von Juli 2025 bis Juni 2027. Die in dieser Bauphase entstehenden Verluste von etwa 3,1 Mio. Euro müssten dann ebenso von der Landeshauptstadt Potsdam getragen werden.
Die Stadtverordneten sprachen sich mit dem Beschluss im Juni dieses Jahres weiterhin für eine kommunale Nutzung aus und lehnten eine Privatisierung der Tropenhalle ab. Das neue Nutzungskonzept soll dabei die Sicherung des öffentlichen Zwecks gewährleisten, das finanzielle Risiko ausschließen, den städtischen Einfluss garantieren und für eine schnelle Schaffung arbeitsfähiger Strukturen sorgen. Die Wiedereröffnung einer finanziell stabileren Biosphäre ist derzeit im vierten Quartal 2027 geplant.
Aus aktuellem Anlass sprach der POTSDAMER mit Sebastian Leifgen über den neuen politischen Auftrag der Umstrukturierung sowie seine ganz persönliche Sicht auf das Potential der Biosphäre Potsdam und seine Pläne, dieses zu nutzen.
Mehr als nur eine warme Halle
„Die Biosphäre Potsdam ist schon jetzt ein sehr interessanter Bildungs- und Veranstaltungsort. Ich freue mich deshalb sehr über den politisch formulierten Auftrag, die Biosphäre Potsdam mit unserem Team zu einem Haus der Nachhaltigkeit, einem Naturcampus und einem Science Center weiterzuentwickeln“, sagt Sebastian Leifgen. Doch Leifgen möchte noch mehr.
Das gastronomische Angebot soll mit einer Einrichtung im Außenbereich bereits im kommenden Jahr erweitert werden, und auch die Nutzungsmöglichkeiten der Gastro-Bereiche möchte Leifgen voneinander unabhängiger machen, um mehr Gäste und parallele Veranstaltungen zu ermöglichen. „Wenn wir zum Beispiel Hochzeiten durchführen, wollen wir nicht das Café oder das Restaurant schließen müssen, sondern einen parallelen und voneinander unabhängigen Betrieb anbieten“, so Leifgen. Neben dem gastronomischen Angebot soll vor allem das der Tropenhalle selbst erweitert werden. So soll die Biosphäre Potsdam als Event Location für Unternehmen und private Veranstaltungen Angebote bereithalten. Ebenso plant Leifgen Kunst- und Kulturveranstaltungen, Workshops, Kindergeburtstage und vieles mehr anzubieten. „Wir wollen, dass die Biosphäre einerseits als Stadtteilzentrum von den in der näheren Umgebung Wohnenden wahrgenommen wird und andererseits als übergeordnetes Haus der Nachhaltigkeit mit wissenschaftlichem Fokus fungiert.“
Neu wird auch sein, dass die Leitung des Volksparks Potsdam zukünftig von der Biosphäre Potsdam verantwortet wird. „Ich bin der Meinung, dass diese Entscheidung absolut richtig ist. Wir müssen die Biosphäre Potsdam und den Volkspark gemeinsam denken und eine Angebotsstruktur schaffen, die sich gegenseitig ergänzt und bereichert“, so Leifgen. Dabei soll das Sport- und Freizeitangebot im Volkspark weiter ausgebaut werden, um vor allem im Frühjahr und Sommer attraktiver zu sein. Sportangebote innerhalb der Halle werde es – wie von einigen im Vorfeld gewünscht – nicht geben. Dafür kann auch der Stadtteilladen, der Räumlichkeiten auf dem Schulcampus in der Pappelallee beziehen wird, die Biosphäre für eigene Veranstaltungen nutzen.
Somit möchte Leifgen die komplexen und unterschiedlichen Anforderungen des Bornstedter Feldes berücksichtigen. „Die Biosphäre Potsdam soll nicht nur eine Halle sein, die man mit einem Eintritt besucht. Sie soll vielmehr im Stadtteil breit aufgestellt und als Zentrum wahrgenommen werden, entsprechende Angebote vorhalten und vielfältige Nutzungskonzepte anbieten. Die Biosphäre Potsdam kann somit auch ein Ort der Begegnung und des Austausches werden“, hofft Leifgen.
Innerhalb der Halle wird die Klimazone Tropen als artenreichste und zugleich fragilste Klimazone Leitthema bleiben. Andere Klimazonen der Erde möchte Leifgen stärker in das Gesamtangebot einbinden. Dabei soll die Fragilität der ökologischen Zusammenhänge sowie der nachhaltige Umgang mit der Natur und ihren Ressourcen im Vordergrund stehen.
Kooperationspartner gesucht
Um die Biosphäre Potsdam als Haus der Nachhaltigkeit mit einem integrierten Naturcampus und einem Science Center etablieren zu können, möchte Leifgen viele in Potsdam und der Umgebung ansässige Wissenschaftsinstitute und Forschungseinrichtungen sowie Museen und andere Institutionen in die Angebotsvielfalt integrieren und somit für einen breiten Wissenstransfer sorgen, durch den verschiedene Zielgruppen angesprochen werden. Leifgen wünscht sich hierfür eine neue Kooperationsidee, die sowohl von städtischen Unternehmen, Forschungseinrichtungen und Wissenschaftsinstituten pro aktiv verstanden und gelebt wird. „Wenn Potsdam als Stadt der Forschung und Wissenschaft verstanden werden möchte, kann das nur funktionieren, wenn wir alle gemeinsam durch die gegenseitige Unterstützung und Zusammenarbeit dieses Selbstverständnis nach außen tragen“, ist Leifgen überzeugt. Aus diesem Grund geht er bereits jetzt schon aktiv auf viele existierende Einrichtungen zu, um sie von der Idee der Gemeinsamkeit zu überzeugen.
Integrationsprojekte
Anfang März dieses Jahres änderten sich die internen Aufgaben und Abläufe von einem Tag auf den anderen. Binnen kürzester Zeit wurde die Biosphäre Potsdam zur Unterkunft für aus der Ukraine Geflüchtete. Viele fanden hier ein schützendes Quartier, doch sehr viel mehr hatte die Stadt erst einmal nicht zu bieten.
Auch hier denkt Leifgen wieder zwei Schritte voraus und macht dabei gleich den ersten. „Wir haben in den letzten Wochen und Monaten erlebt, dass die geflüchteten Menschen zwar froh waren, hier aufgenommen worden zu sein, aber sie haben keinerlei Beschäftigung, der sie nachgehen können“, beschreibt Leifgen die Situation.
„Aus Gesprächen mit den Geflüchteten haben wir erfahren, dass es für eine Vielzahl Geflüchteter nicht möglich sein wird, in absehbarer Zeit wieder in ihre alte Heimat zurückzukehren, weil diese de facto nicht mehr existiert. Deshalb haben wir beschlossen, diesen Menschen eine Perspektive zu bieten, indem wir ihnen die Möglichkeit geben, in der Biosphäre Potsdam zu arbeiten und in Potsdam ein neues Zuhause zu finden.“
Weil Leifgen lieber sofort handelt als lange zu reden, wurden bereits im Juni die ersten interessierten Mitarbeiter in das laufende Bewerberverfahren integriert und auf die kurz darauffolgende Probearbeit vorbereitet. „Nach erfolgreicher Probearbeit und anschließendem zweiwöchigem Praktikum erhalten dann die Mitarbeiter einen festen und unbefristeten Arbeitsvertrag mit dem in der Biosphäre Potsdam existierenden Lohngefüge. Was wir bei unseren Planungen unbedingt berücksichtigen mussten, ist die Tatsache, dass kaum einer der Geflüchteten Deutsch oder Englisch spricht. Das birgt vor allem dort Schwierigkeiten, wo Mitarbeiter mit Gästen und Besuchern sprechen müssen, wie zum Beispiel im Service-Bereich des Cafés. Dies haben wir erst einmal so gelöst, dass wir Speise- und Angebotskarten produziert haben, auf denen die Gäste ihre Bestellungen ankreuzen können. Das funktioniert ganz gut, dennoch erhalten alle Mitarbeiter parallel von uns durchgeführte Deutschkurse, um die Sprachbarrieren abzubauen.
Zusätzlich begleiten wir unsere ukrainischen Mitarbeiter bei allen administrativen Herausforderungen, wie der Suche nach einem geeigneten Kita- und/oder Schulplatz sowie bei der Suche nach passendem Wohnraum.“
Aktuell hat die Biosphäre Potsdam neben dem Servicepersonal und Köchen in den gastronomischen Einrichtungen auch weitere Stellen zu besetzen. So z.B. Haustechniker, Tierpfleger, Gärtner u.a. Arbeitsbereiche, in denen auch mit der Sprachbarriere gut umgegangen werden kann.
Bei dem Auswahlverfahren nach geeigneten Mitarbeitern geht es dem Geschäftsführer der Biosphäre Potsdam aber nicht in erster Linie um Fachkenntnisse und Erfahrungen. „Ich bin ein großer Freund des Quereinstiegs – vor allem unter dem aktuellen Aspekt des Fachkräftemangels. Es gibt für mich nur eine wesentliche Qualifikation und die ist Motivation. Alle anderen Aufgabenfelder und Tätigkeitsbereiche können in der Praxis und mit entsprechenden Schulungen vermittelt werden“, ist Leifgen überzeugt.
Eine kleinere Herausforderung sei zu Beginn der Zusammenarbeit das unterschiedliche Zeitverständnis. „9 Uhr Arbeitsbeginn, heißt um 9 Uhr fertig umgezogen seine Arbeit aufzunehmen, nicht um 9 Uhr das Grundstück zu betreten. Diese und andere kleineren landestypischen Eigenheiten sind manchmal ein bisschen erklärungsbedürftig. Das sind aber mehr Hinweise und Abstimmungen, damit beide Seiten wissen, was voneinander erwartet wird“, schmunzelt Leifgen.
Der Geschäftsführer der Biosphäre Potsdam hat nun den Auftrag, das neue Nutzungskonzeption und dessen anschließende Umsetzung für die Biosphäre Potsdam voranzubringen. Sebastian Leifgen freut sich auf die Herausforderungen der kommenden Jahre, die sicherlich nicht langweilig werden.
sts