Ein Abend mit Veikko Bartel

Als das Schloss Marquardt zu einer ganz besonderen Lesung am 23.09.2020 einlud, waren die Karten schnell vergriffen – und das lag nicht nur daran, dass aufgrund der Corona-Auflagen nur eine begrenzte Anzahl an Plätzen zur Verfügung stand. Es lag am „Vorleser“. Und es lag an dem Thema, das sowohl anziehend, geheimnisvoll als auch abstoßend und schockierend zugleich ist. Mord!
„In der Seele des grausamsten Psychopathen gibt es einen Hort gänzlich unbefleckter Reinheit“, sagt Veikko Bartel, und das, nachdem er 13 Jahre lang Mörderinnen und Mörder in über 40 Tötungsdelikten als Strafverteidiger vor Gericht vertreten hat.

Veikko Bartel liest Grauenvolles mit Humoreinlagen...

Veikko Bartel liest Grauenvolles mit Humoreinlagen…

 

…seine Frau unterstützte ihn dabei.

In der besonderen Atmosphäre, die die Räumlichkeiten des Schlosses bei Nacht freisetzen, lauschte das Publikum, umgeben von gedämmten Licht, dessen Wellen den Protagonisten vorne auf der kleinen Bühne zu erreichen versuchten und ihn auf ganz besondere Weise in Szene setzten.
Bartel beginnt den Abend mit einem Gespräch, eher einem Monolog. Er spricht zu jemandem, der nicht im Raum ist, und der doch mehr als spürbar für alle ganz direkt vor ihm sitzt. Ein Mörder! Oder ist es vielleicht eine Mörderin? Aber darum geht es gar nicht. Es geht darum, was er seinem Gegenüber sagt. Wie er es sagt. Es ist die erste Begegnung zwischen Bartel und dem oder der Angeklagten.

Michael Schulze mit Veikko Bartel am Bild: Michael Schulze (l.) erstand das Holzbild auf das Textpassagen der Bücher eingebrannt waren sowie ein Konterfei des Autors. Schulze schenkte das Bild aber noch am selben Abend Veikko Bartel (r.) als Dankeschön und „weil Veikko eben eine ganz besondere Beziehung zu dem Bild hat“, so Schulze.

Er möchte die Wahrheit erfahren, nichts als die Wahrheit. Und er wird der einzige sein, der die Wahrheit von seinem Gegenüber erfährt. Sein Gegenüber wird allen anderen gegenüber schweigen, jedem gegenüber, zu jedem Zeitpunkt, an jedem Ort. Nur Bartel wird ihm oder ihr erlauben zu sprechen. Und nur er bestimmt, was gesagt wird.

Unheimlich, und doch neugierig machend, zieht Bartel sein Publikum tief in das so faszinierende Thema. Bartel gelingt es, das Publikum mitzunehmen und Teil der Szenerie zu werden, so real und plastisch wirken seine Worte. Das viele frische Blut, das sich über die leblosen und noch warmen Körper verteilt, kann die sich teilweise einstellende Situationskomik nicht überdecken. Die Zuhörer dürfen zwischen all den Leichen hin und wieder lachen, kurz bevor ihnen der nächste Schauer über den Rücken läuft…

Kathrin Bartel übergibt dem Schatzmeister das „Einspielergebnis“: Durch die eingenommenen Eintrittsgelder sowie die begleitende Bildversteigerung kam eine Summe von fast 1.000 Euro zusammen, die an den Förderverein der Marquardter Kita „Die kleinen Schlossgeister Marquardt e.V“ gespendet wurden.

Wie können sie nur…?

Wie er überhaupt einen Mörder verteidigen könne, wurde er oft gefragt. „Sie brauchen einen abgrundtiefen Glauben an das Gute im Menschen“, sagt Bartel.
„Können Sie töten?“, fragt Bartel das Publikum. „Jeder von uns kann töten“, behauptet Bartel. Die Frage sei nur, an welche Grenzen man kommen müsse.
In den Büchern „MÖRDERINNEN“ und „MÖRDER“ geht es nicht um Polizeiarbeit oder kriminalistisches Geschick. Es geht allein um die Geschichten der Menschen, die töteten. Um den Weg, den sie gegangen sind, um dort hinzukommen, dass sie keinen anderen Ausweg sahen als zu töten…
Endlich wieder ein Kulturprogramm der Spitzenklasse. Spannend, komisch, bizarr. Veikko Bartel gibt Einblicke in die Psyche eines Menschen, bevor er zum Mörder wird.

sts

 

Verlag: Mosaik
ISBN: 9783442393367 (Mörderinnen)
ISBN: 9783442393480 (Mörder)