Ein Interview mit Jörg Walter, dem Vorstandsvorsitzenden des Fördervereins Pfingstberg in Potsdam e.V.

Lieber Herr Walter, am Pfingstmontag, dem 10. Juni 2019, feiern Sie als Vorstandsvorsitzender mit Ihrem Förderverein Pfingstberg e.V. das 30-jährige Jubiläum des ersten Pfingstbergfests. Herzlichen Glückwunsch!
Was war damals für Sie der Auslöser, sich an ein solch großes Projekt zu wagen und was hat Sie motiviert, sich über so lange Zeit bis heute ehrenamtlich für den Pfingstberg zu engagieren?
Jörg Walter: Wie so oft im Leben, fangen die meisten großen Dinge klein an. So war es auch auf dem Pfingstberg in Potsdam. Hier ging es zunächst überhaupt nicht um die Rekonstruktion oder den Wiederaufbau des Aussichtsschlosses, sondern eine Gruppe junger Menschen, wollte sich aktiv um etwas kümmern, was augenscheinlich im Argen und im Verborgenen lag.
Somit fingen wir zum Ende der 80er Jahre an, uns der alten Lennéschen Gartenanlage, ganz pragmatisch mit Spaten und Axt zu nähern und tatkräftig Hand anzulegen. Inmitten einer wunderbaren Schlossanlage, die selbst vielen Potsdamern, wenn überhaupt, nur vom Hörensagen bekannt war. Es war eine tolle Gemeinschaft, Familien mit Kindern, meist befreundet, trafen sich samstags 14-täglich, um gemeinsame Gartenarbeit zu verrichten. Und wir hatten tolle Unterstützer.Hans-Joachim Giersberg muss an dieser Stelle genannt werden. Er hat uns unter anderem den Weg zu den Lenné-Plänen gezeigt und wir konnten zielgerichtet versuchen, den vollständig überwucherten historischen Park zumindest teilweise wieder freizulegen.
1988 gründeten wir dafür eine AG Pfingstberg im Kulturbund und in dem Umbruchjahr 1989 fanden wir, dass der Ort Öffentlichkeit braucht und beschlossen, dort oben in dieser einmaligen Kulisse ein großes Fest zu feiern. Und erfanden dafür in Zusammenarbeit mit ARGUS e.V. (ARbeitsGemeinschaft für Umweltschutz und Stadtgestaltung) den Begriff „Kultur in der Natur“. Das Fest war ein großer Erfolg, der aber auch mit viel Arbeit und Engagement verbunden war. Das waren die Wurzeln, die das Projekt bis heute halten und tragen.
Wie haben sich 1987 die jungen Potsdamer gefunden, die den Pfingstberg mit dem Park, dem Belvedere und dem Pomonatempel retten wollten?
Die jungen Leute die sich 1987 fanden, waren vor allem solche, die der Resignation und Stagnation des sichtbar verblühenden DDR-Staates etwas VOR ORT entgegensetzen wollten, die etwas TUN und sich nicht zurück- oder sogar ganz wegziehen wollten.

 

Konzert vor dem Pomonatempel, 1988/89. Foto: Belvedere Pfingstberg u. Pomonatempel 1988/89 © SPSG/FVP, U. Koltzer

In den Anfangsjahren 1987 – 1989 wurde die Gruppe von der Stasi beobachtet. Warum und wie wurde es bemerkt? Gab es Konsequenzen?
Damit musste man rechnen, dass solche Aktivitäten, zumal als es um mehr, als nur Bäume roden und umgraben ging, beobachtet wurden. Insbesondere unsere Offensive in die Öffentlichkeit, die wir mit der Organisation des ersten Potsdamer Pfingstbergfestes starteten, war sicher ein Alarmsignal für die Stasi. Außerdem liegt der Pfingstberg nahe der ehemaligen Grenze zu West-Berlin und ganz in der Nähe des damaligen „Militärstädtchens Nr. 7“ – wo auch der sowjetische Geheimdienst KGB präsent war. Ich denke, wir haben ohne es wirklich zu wissen, auch ein Stück zur Beendigung des DDR-Staates beigetragen, weil es am Ende nicht mehr gelang, dieses Fest zu verhindern. Wenige Wochen nach unserem Fest brach in den Belvedere-Kollonnaden ein Brand aus, danach „musste“ das gesamte Gelände aus „Sicherheitsgründen“ gesperrt werden.

Wie viel Spendengelder hat der Verein insgesamt im Laufe der Jahre gesammelt?
Der Wiederaufbau des Belvedere auf dem Pfingstberg hat ca. 23 Mio. DM gekostet. Der allergrößte Teil davon konnte aus Spenden finanziert werden. Darunter waren neben den bekannten Großspendern wie Werner Otto und die Reemstma-Stiftung auch sehr viele Klein- und Kleinstspender, die uns in großartiger Weise unterstützt haben. So ein Bauwerk hat auch nach der Rekonstruktion steten Sanierungsbedarf, weil sich der italienische Baustil nur bedingt mit unserem nordeuropäischen Klima verträgt. Darum sammeln wir seit dem auch weiterhin Spenden für die unterschiedlichsten, konkreten Spendenprojekte ein.

Belvedere Pfingstberg heute. Foto: SPSG/FVP, Leo Seidel

Wie haben Sie es geschafft, so viele Spender zu gewinnen?
Am Ende war es meiner Meinung nach unser großes idealistisches Engagement, das unsere Sponsoren überzeugt hat, sich für dieses Ensemble einzusetzen. Hinzu kommen natürlich diese ganz besonderen Umstände, die Verquickung von Kultur, Politik und bügerschaftlichem Engagement, insbesondere in den Zeiten des Mauerfalls. Und, der Geist des Ortes, den wir alle dort oben in unterschiedlichster Ausprägung erleben durften. Nicht umsonst hat Friedrich Wilhelm IV. genau dort genau dieses wunderbare Aussichtsschloss bauen lassen.

Welche Unterstützung bekommt der Verein aktuell von der Stadt Potsdam?
Finanziell keine, aber wir sind in die unterschiedlichsten Netzwerke zum Thema Stadt-Marketing involviert.

Hartmut Dorgerloh, Wilma Simon, Christina Rau, Johannes Rau, Werner Otto und Matthias Platzeck am 25. Juni 2003 bei der feierlichen Eröffnung des nunmehr komplett restaurierten Belvedere-Schlosses (v.l.n.r.). Foto: SPSG, Bundesbildstelle

War der Förderverein selbst Bauherr der Sanierungsarbeiten in den Jahren 1989 – 2005? Wie lief das praktisch auch im Hinblick auf den Denkmalschutz?
Eigentümer war und ist die SPSG-Stiftung Preußische Schlösser und Gärten, die auch die Sanierungsarbeiten vollständig organisiert und durchgeführt hat.

Was war die größte Herausforderung?
Kompromisse zu finden hinsichtlich der historischen Substanz und der Anforderungen an ein Schloss-Gebäude, das touristisch erschlossen werden soll.
Denn hier waren sich alle einig, das Belvedere sollte nach der Sanierung wieder uneingeschränkt öffentlich zugänglich werden. So konnten wir zum Beispiel unseren Traum einer Wasserbühne im Wasserbassin inmitten des Belvederes unterbringen – der Kompromiss, sie musste versenkbar sein.

Ab wann wurde es notwendig, dass der Verein feste Mitarbeiter einstellen musste? Wie werden deren Gehälter, Betrieb und Pflege der Anlagen finanziert?
Als wir 2001 den Betreibervertrag mit der SPSG unterzeichneten, war klar, ab hier ist das kein Projekt mehr ausschließlich für ein Ehrenamt. Wir haben dafür eine Geschäftsstelle gegründet und einen Geschäftsführer nebst Mitarbeitern eingestellt. Wir finanzieren uns ausschließlich über unsere Einnahmen durch die Turmbesucher, die Trauungen und durch Vermietungen einzelner Bereiche oder des kompletten Belvedere-Schlosses. Es war und ist nicht unser Ziel, Fördermittel zur Betreibung zu verwenden. Die Stiftung unterstützt uns bei baulichen Problemen und natürlich bei Erhaltung und Pflege der wunderbaren Lennèschen Garten-Anlage, denn auch das können wir inzwischen im Ehrenamt nicht mehr leisten.

Was war Ihr schönster Moment in den 30 Jahren Pfingstberg-Engagement?
Es gab immer wieder schönste Momente, von den ersten Jahren, wo wir noch selbst auf/an der Belvedere-Ruine übernachten mussten, um die Bühnen-Aufbauten für das eine oder andere weitere Pfingstbergfest selbst zu „bewachen“. Bis heute, wo es immer wieder faszinierend ist zu erleben, wie es uns gelingt, mit all den alltäglichen Schwierigkeiten, den mehr oder weniger rückläufigen Besucherzahlen und den sich stetig erhöhenden Kosten, dieses Ensemble weiterhin erfolgreich ohne Fördermittel zu betreiben. Das ist nur möglich, weil wir auch nach all den vielen Jahren eine große Unterstützung durch ganz viele ehrenamtlich engagierte Mitglieder haben, sich viele Fördermitglieder für uns einsetzen und wir eine überaus kreative und professionelle Geschäftsstellen-Mitarbeiterschaft haben, die in hervorragender Weise den Geschäfts-Alltag managt.

Das Belvedere 1988/89 unsaniert. Foto: SPSG/FVP, U. Koltzer

Gab es auch Phasen, in denen Sie mal alles hinschmeißen wollten?
Na klar, wenn langjährige Freundschaften wegen unterschiedlicher Ansichten zur Betreibung des Ensembles in die Brüche gehen, ist das äußerst schmerzlich – bis heute.

Welches ist Ihr persönlicher Lieblingsplatz im Belvedere?
In diesem Jahr das Maurische Kabinett, weil dort meine Tochter heiraten wird.

Was macht Ihrer Meinung nach das Besondere des Ortes aus?
Der Geist des Ortes ist ein Geheimnis dass jeder selbst für sich entdecken muss. Angebote und Gelegenheiten gibt es reichlich.

Wie kann man die Arbeit des Fördervereins unterstützen?
Mitmachen, als aktives oder Fördermitglied, regelmäßig vorbeikommen – Jahreskarte kaufen und allen Potsdam-Besuchern die Besteigung der Belvedere-Türme als allererste Aktion eines Potsdam-Besuches empfehlen.

Einladung zum Jubiläum.

Welche Veranstaltungen erwarten die Besucher in dieser Saison?
Viele unterschiedliche, von den Mondnächten, in denen wir, und das ist einmalig in Potsdam, das Belvedere bis 23 Uhr geöffnet haben, bis zu unseren immer noch sehr beliebten „Kultur in der Natur“ –Angeboten an den Wochenenden. Und natürlich unser Jubiläumsfest zu 30 Jahre Potsdamer Pfingstbergfeste, am Pfingstmontag, den 10. Juni von 15 – 21 Uhr. Passender geht es wohl kaum.
Interview: sk
Dies alles und noch viel mehr ist unter www.pfingstberg.de zu entdecken.