Brandenburger Naturschutz- und Landwirtschaftsverbände starten zwei Volksinitiativen

Die Artenvielfalt schwindet – auch in Brandenburg. Blühende Pflanzen auf Äckern, Wiesen und Weiden werden immer weniger. Das bedeutet: Insekten finden nicht mehr genug Futter. So nimmt auch die Zahl der Wildbienen, Schmetterlinge und Käfer Jahr für Jahr ab. Nach den aktuellen Roten Listen sind 53 Prozent der Hautflügler (z.B. Bienen und Wespen), 52 Prozent der Kleinschmetterlinge, 41 Prozent der Großschmetterlinge, 41 Prozent der Käfer und 27 Prozent der Köcherfliegen bedroht oder schon ausgestorben. Die Insekten fehlen wiederum Vögeln und anderen Tieren, die sich von ihnen ernähren – und als Bestäuber für Nutzpflanzen, welche die menschliche Ernährung sichern.

Honigbiene. Motiv aus der Ausstellung in der Biosphäre Potsdam „Mein Schwarm: Die Biene“, Foto: H. und H.-J. Koch

„Artenvielfalt retten – Zukunft sichern“ – unter dieser Überschrift haben verschiedene Naturschutzverbände Mitte April eine Volksinitiative gestartet. Ihr Anliegen ist es, dem durch zahlreiche Studien belegten dramatischen Artenschwund bei Insekten, Feldvögeln, Amphibien und Pflanzen aktiv entgegenzuwirken, indem die Gesetzgeber verbindliche Rahmenbedingungen für einen verbesserten Schutz der Artenvielfalt in Brandenburg schaffen. Die Initiatoren – NABU, BUND, NaturFreunde sowie deren Jugendorganisationen, Grüne Liga und Aurelia Stiftung – haben daher ihre wichtigsten Forderungen in konkrete Gesetzesvorschläge einfließen lassen.

Initiatoren fordern politische Kehrtwende für die Artenvielfalt

„Nur mit gesetzlichen Festlegungen können wir eine politische Kehrtwende hin zu einer naturverträglichen Landwirtschaft in Brandenburg schaffen“, sagt Friedhelm Schmitz-Jersch, Vorsitzender des NABU Brandenburg. „Bislang ist dies in der Landespolitik sträflich vernachlässigt worden – die Quittung in Form des Artensterbens haben wir jetzt. So ist bei einst häufigen Vögeln der Agrarlandschaft wie Stieglitz, Feldsperling oder Feldlerche ein dramatischer Bestandsrückgang zu verzeichnen. Der beste Beitrag für den Erhalt der Artenvielfalt ist eine andere Landwirtschaftspolitik. “Thomas Volpers, stellvertretender Landesvorsitzender des BUND Brandenburg, weist darauf hin, dass drastische Verbesserungen für Natur und Umwelt nötig sind, um das Artensterben zu stoppen und umzukehren: „Die Erzeugung von Nahrungsmitteln darf nicht weiter auf Kosten von Boden, Wasser, Klima, Biodiversität und Landschaft gehen. Wir fordern von der Landesregierung ernst gemeinte Maßnahmen und eine Strategie, wie wir den Pestizideinsatz in der Landschaft verringern können. Vor allem in Schutzgebieten muss der Einsatz von Giften konsequenter verboten sein und die Gewässer müssen besser vor Pestizid- und Düngereinträgen geschützt sein.“
„Die Forderungen unserer Initiative sind nicht nur für Bienen, Insekten und Umwelt förderlich, sondern bringen auch endlich gesetzliche Klarheit für Bäuerinnen und Bauern genauso wie für Imkerinnen und Imker. Die Initiative bringt das interessenübergreifende Ziel ‚Artenschutz‘, das Landwirtschaft, Imkerei und Naturschutz eint, entschieden voran“, sagt Johann Lütke Schwienhorst, Agrarreferent der Aurelia Stiftung, der selbst Imker und gelernter Landwirt ist und sich mit Aurelia auch auf Bundes- und Europaebene für Artenvielfalt und Pestizidreduktion einsetzt.

Foto: Jessica Giemsch

Intensive Landbewirtschaftung als Hauptursache für Artensterben

Nach Angaben der Initiative belegen zahlreiche Studien, dass der Artenschwund in erster Linie auf den Einsatz von Pestiziden und synthetischen Düngern, auf Monokulturen und fehlende natürliche Lebensräume wie Hecken, Tümpel, Blühstreifen und Ackerbrachen in der Landschaft zurückzuführen ist. Für die Förderung der landwirtschaftlichen Betriebe in Brandenburg stehen jedes Jahr bis zu 500 Millionen Euro zur Verfügung. EU-Direktzahlungen dienen offiziell dazu, dass Bauern die hohen Umweltschutz-, Tierschutz- und Verbraucherschutzstandards der EU einhalten, „wertvolle Kulturlandschaften und natürliche Ressourcen“ pflegen können. Nur ein kleiner Teil davon wird aber für die Förderung des Naturschutzes in der Landwirtschaft eingesetzt. Dabei machen Ackerflächen drei Viertel der landwirtschaftlichen Nutzfläche des Landes aus. Komplett verboten werden können Pestizide wie Glyphosat und die bienenschädlichen Neonikotinoide von der Landesregierung Brandenburg nicht. Sie werden bundesweit zugelassen. Die Initiative hat daher die Möglichkeiten aufgenommen, die das Land hat, um den Einsatz dieser Mittel zu reduzieren: in Schutzgebieten, auf landeseigenen sowie auf kommunalen Flächen.
Agrarfördermittel im Sinne der Artenvielfalt einzusetzen, hieße unter anderem, kleinteilige Strukturen in der Landschaft zu fördern: Mit mehrjährigen, selbstbegrünenden Brachen und Blühflächen, Hecken, Kleingewässern oder Baumreihen lassen sich wichtige Rückzugsräume für Insekten, Vögel und Kleinsäugetiere schaffen, vorhandene Biotope vernetzen und große Monokulturflächen aufbrechen. Hierzu, so die Forderung der Volksinitiative, soll das Land betriebsintegrierte Beratungen unterstützen, damit Landwirte zielgerichtet Maßnahmen umsetzen können, die auf ihre Betriebsflächen und in ihren Betriebsablauf passen. Naturschutzfachliche Maßnahmen oder Mehraufwände für eine naturverträgliche Bewirtschaftung sind entsprechend zu honorieren.

Foto: Jessica Giemsch

Auch die Förderung des Ökolandbaus ist ein wichtiger Baustein zum Erhalt der Artenvielfalt. Das Maßnahmenprogramm der derzeitigen Landesregierung fordert eigentlich einen Ausbau der ökologischen Landwirtschaft auf 20 Prozent der Agrarfläche bis 2020, also bis in einem Jahr. Von diesem Ziel ist Brandenburg mit derzeit 12 Prozent noch weit entfernt.

Schutzgebiete im Norden und Westen Potsdams: Naturschutz-gebiete (rot), FFH-Gebiete (schraffiert). Karte: Metaver

Für die Artenvielfalt sind Naturschutz- und Flora-Fauna-Habitate (FFH-Gebiete) – also Schutzgebiete für Pflanzen (Flora), Tiere (Fauna) und Lebensräume (Habitate) besonders wichtig. Hier bei uns ist z.B. die Untere Wublitz (bei Grube) als FFH-Gebiet ausgewiesen. Die Randzonen der FFH-Gebiete werden oft landwirtschaftlich genutzt. Die Initiatoren fordern, das Pestizidverbot in Naturschutzgebieten konsequent umzusetzen und auf FFH-Gebiete zu erweitern. Auch der Einsatz von Stickstoffdünger soll untersagt werden. Gewässer sind durch Randstreifen, in denen der Einsatz von Pestiziden, Stickstoffdünger und Gülle ausgeschlossen ist, deutlich besser zu schützen. Wie schon in anderen Bundesländern geregelt, sollen Gewässerrandstreifen zehn Meter breit sein, damit die Chemie aus der Landwirtschaft nicht direkt in die Gewässer gelangen kann.
Darüber hinaus fordern die Initiatoren die Verminderung des Flächenverbrauchs, die Förderung kommunaler Projekte zur pestizidfreien Bewirtschaftung öffentlicher Flächen und Maßnahmen, um auch die Lichtverschmutzung zu mindern.
Die Initiatoren haben jetzt ein Jahr Zeit, um mindestens 20.000 gültige Unterschriften zu sammeln, damit die Volksinitiative erfolgreich ist. Sie erhoffen sich aber eine deutlich höhere Zahl und damit ein starkes Signal an die Landesregierung. Jeder Brandenburger und jede Brandenburgerin ab 16 Jahren ist unterschriftsberechtigt. Unterstützung erhält die Initiative von einem wachsenden Bündnis, darunter der Deutsche Berufs und Erwerbs Imker Bund e.V., der VCD Brandenburg und Omnibus für direkte Demokratie.
Die Volksinitiative ist die erste Stufe der Volksgesetzgebung. Da die Volksinitiative bei Erfolg dem Landtag zur Beratung vorgelegt wird, kann durch sie allein schon ein politischer Erfolg erzielt werden, wenn die Abgeordneten das formulierte Anliegen ganz oder in Teilen annehmen und ein entsprechendes Gesetz erlassen. Sollte dies nicht der Fall sein, hat man mit dem Volksbegehren und dem Volksentscheid die Mittel, den Bürgerinnen und Bürgern Ihr Anliegen zur Abstimmung vorzulegen.

Forderungen der Volksinitiative Artenvielfalt  der Naturschutzverbände:

Pestizidverbot in Schutzgebieten: Der Pestizid-Einsatz muss in Naturschutz- und FFH-Gebieten konsequent verboten werden.

Landeseigene Flächen naturverträglich bewirtschaften: Brandenburg soll seine landwirtschaftlichen Flächen vorzugsweise nach ökologischen Kriterien verpachten.

Zehn Meter breite Gewässerrandstreifen: Randstreifen an Gräben, Bächen und Kleingewässern verringern wirksam Einträge von Pestiziden und Düngemitteln.

EU- und Landesgelder für eine am Gemeinwohl orientierte naturnahe Landwirtschaft: Agrarsubventionen müssen umwelt- und klimagerecht u.a. für Blühflächen, Hecken und artenreiches Grünland eingesetzt und Landwirte für den Mehraufwand entlohnt werden. Das Land muss den Ökolandbau fördern und den Pestizideinsatz verringern. 

Weniger Pestizide, Lichtverschmutzung und Flächenverbrauch: Das Land muss sich für pestizidfreie Kommunen, eine Minderung der Lichtverschmutzung und eine nachhaltige Siedlungsentwicklung einsetzen.

Informationen rund um die Volksinitiative und Unterschriftenlisten zum Ausdrucken finden sich auf Webseite der Volksinitiative: www.artenvielfalt-brandenburg.de

Bauernverbände mit eigener Initiative

Fast gleichzeitig hat das Forum Natur mit dem Landesbauernverband Brandenburg eine Volksinitiative zum Schutz der Insekten gestartet: „Mehr als nur ein Summen – Insekten schützen, Kulturlandschaft bewahren!“. Ihr Anliegen besteht u.a. darin, einen Kulturlandschaftsbeirat zu gründen, in dem alle Akteure – auch die Umweltverbände – vertreten sind. Dieser könnte die Landesregierung entsprechend beraten. Die Initiative fordert, die gesetzlichen Regelungen müssten weitreichender und eindeutiger werden. Mit einem umfassenden Monitoring seien die Auswirkungen auf Insekten durch Pflanzenschutzmittel und Biozide unabhängig zu ermitteln. Unterstützer hat die Initiative des Landesbauernverbandes im Landesjagdverband und im Imker-Landesverband und anderen Lobbyverbänden gefunden. Allerdings dürfte viel Zeit vergehen, bis die entsprechenden Ergebnisse vorliegen und daraus Gesetze werden, Zeit, in der das Insektensterben weiter geht.
Die Initiative der Naturschutzverbände baut hingegen darauf, dass entsprechende Studien bereits vorliegen und die Ergebnisse eindeutig seien. Auf dieser Grundlage sei schnelles Handeln möglich. Die Initiatoren legen einen konkreten Gesetzentwurf vor, der sofort Wirkung entfalten kann.

Blühwiese. Foto: pixabay

Landwirt Stephan Otten verteidigt den Ansatz des Bauernverbands und fordert finanzielle Förderung durch das Land: „Brandenburg ist das einzige Bundesland, das die Anlage von Blühstreifen bisher nicht fördert.“ Er selbst bleibt nicht untätig. Mit seinem Landwirtschaftsbetrieb Agro Uetz-Bornim GmbH hat er in diesem Jahr insgesamt 25 Hektar Blühstreifen an den Rändern seiner Felder angelegt, unter anderem in Grube, Eiche und Bornim – selbstständig und auf eigene Kosten.

Forderungen der Volksinitiative der Bauernverbände:

Einrichtung eines Kulturlandschaftsbeirats: Der „Kulturlandschaftsbeirat“ berät Parlament und Regierung im Rahmen regelmäßiger Anhörungen.

Koordinierungsstelle für Insektenforschung: Die Wirkungen und wechselseitigen Abhängigkeiten möglicher Einflussfaktoren sollen wissenschaftlich erforscht werden. Förderung der Artenvielfalt; Blühflächen, Grünstreifen und Blühinseln; Biodiversitätsprogramm für Brandenburg: Die Landesregierung soll einen auf die Nutzungsarten des Landes abgestimmten Leitbildprozess initiieren.

Bürokratie reduzieren und extensive Weidetierhaltung stärken; Urbane Räume aktiv gestalten

Pflanzenschutzmittel reduzieren; Vertragsnaturschutz im Dialog, Flächenverlust stoppen

Resümee

Konkrete Maßnahmen zum Schutz der Insekten sind hier und jetzt erforderlich. Landwirte können dem Beispiel Ottens folgen: Blühstreifen anlegen und eigenständig den Pestizideinsatz reduzieren. Aber auch BürgerInnen können dazu beitragen, zum Beispiel, indem sie Bioprodukte kaufen. Denn Ökobauern verzichten auf Pestizide. Oder lokale Initiativen wie etwa den „Potsdamer Imkerverein“ oder den Potsdamer „Verein für Landschaftspflege“ finanziell oder aktiv unterstützen. Unterstützer können eine oder beide Volksinitaitiven unterschreiben.
Im Garten den Rasen einfach mal wachsen lassen anstatt ständig zu mähen. Blühwiesen anlegen und Hecken pflanzen, die den Artenreichtum fördern, wie Weißdorn, Schlehe oder Vogelbeere. Thuja, Kirschlorbeer und Rhododendron sind für viele Tierarten giftig. Forsythien blühen zwar, produzieren aber keinen Nektar. Am Anfang gibt es vor allem Pollenspender, die man pflanzen kann, v.a. Frühblüher: Krokusse, Blausterne, Weide. Der erste Nektar kommt mit den Obstbäumen, der Kornelkirsche und Ahorn.

Einladung zur Sonderausstellung „Mein Schwarm: Die Biene“ in der Biosphäre

sk

www.artenvielfalt-brandenburg.de
www.initiativebienensummen.de

Für ein grünes Potsdam

Sie haben einen grünen Daumen und möchten sich engagieren? Sie möchten einen Beitrag für ein grünes Potsdam mit noch mehr Lebensqualität leisten? Dann haben Sie in der Landeshauptstadt verschiedene Möglichkeiten sich einzubringen. Sie können selbst Hand anlegen und die Gestaltung und Pflege einer Grünfläche, zum Beispiel rund um einen Straßenbaum (Baumscheibe), übernehmen oder Sie werden Baumpate. Die Koordinierung und Genehmigung der Maßnahmen erfolgt durch den Bereich Grünflächen der Landeshauptstadt Potsdam. Mehr Infos unter:

www.potsdam.de/buergerschaftliches-engagement-der-gruenpflege

Bienenwiese in Marquardt und Sonnenblumensamen in Uetz

Kleine Initiativen gibt es schon in den Ortsteilen: Marquardter habe Beete im öffentlichen Raum angelegt, wie hier die Bienenwiese an der Kulturscheune. In Uetz verteilte Pfarrerin Almut Gaedt Sonnenblumensamen.

Foto: sk

 

Potsdamer Bienenwiese

Jetzt aussäen und erblühen lassen! Das bienenfreundliches Saatgut bekommen Sie für 3,90 EUR  bei der Potsdamer Bürgerstiftung, Tel: 0331 – 273 14 46, bei Blumen Sühr, im Internationalen Buch, im Kinderschuhladen und bei weiteren Partnern in der Stadt. Mit dem Kauf der Potsdamer Wildblumensaat unterstützen Sie Klima- & Umweltschutzprojekte von Potsdamer Schülerinnen und Schülern! 

Mehr unter www.potsdamer-buergerstiftung.com unter „Umwelt macht Schule“. 

 

Tipp 1: Sandor – Der geheime Schwarm

Jendrik muss etwas tun! Sein bester Freund Sandor, die Fledermaus, ist in Gefahr. Es gibt immer weniger Insekten. Dem geht Jendrik nach. Dabei macht er eine aufregende Entdeckung. Um Sandor und viele andere Tiere zu beschützen, muss Jendrik etwas Ungewöhnliches wagen. Dank Sandor schließen sich Kinder, Fledermäuse und Insekten zusammen, um sich für eine gesunde Natur einzusetzen. Nilo, 10 Jahre meint dazu: „Interessant, das Leben aus der Perspektive einer Fledermaus zu sehen! Die Reihe sollte man als Kind unbedingt mal gehört haben. Es gibt vier Bände.“

Audio-CD, 9,95 €, vom Glückschuh-Verlag aus Falkensee. ISBN: 978-3-943030-63-1

Sandor – Der geheime Schwarm

Tipp 2: Alles über Bienen & Honig

Warum sind unsere Bienen so wichtig für das ökologische Gleichgewicht und unsere Nahrungsproduktion? Wie funktioniert eine Bienenbeute? Und was macht eigentlich der Imker? Diese und weitere Fragen rund um die fleißigen Insekten, beantwortet Ihnen der Stadtrandimker Stefan Haberland in einer Führung rund um das flüssige Gold. Überzeugen Sie sich selbst im Anschluss bei einer kleinen Honig-Verkostung von der hervorragenden Qualität des Bornstedter Honigs.

Habichtwiese (verlängerte Amtsstraße/Habichtweg), 15. Juni 2019, 15 Uhr