Denkmalschutzbehörde bremst Denkmalschutzprojekt
Potsdam ist ein Touristenmagnet. Inmitten einer einzigartigen Natur- und Kulturlandschaft gelegen zieht es jedes Jahr Millionen Touristen an. Doch auch die Potsdamerinnen und Potsdamer selbst wissen um die Hochwertigkeit und Schönheit ihrer Stadt, ihrer kulturellen Angebote, ihrer einmaligen und schützenswerten Natur sowie um die die Stadt prägende Architektur der letzten Jahrhunderte. Der Denkmalschutz hat einen wesentlichen Anteil daran, dass Potsdam einen Großteil seiner historischen Gebäude hat erhalten können. Doch jetzt stemmt sich die Denkmalschutzbehörden gegen den Wiederaufbau des Parkrestaurants inklusive des Tanzsaals auf der Neu Fahrländer Nedlitzinsel mit widersprüchlichen Argumenten. Wenn es nach der Denkmalschutzbehörde geht, soll die Familie, die das Objekt wiederbeleben will, auf einer Baustelle sitzenbleiben. Das Recht sehen externe Fachleute jedoch auf der Seite der Familie.
Vom Traum zum Albtraum
2016 kaufte der Berliner Architekt Carlos Zwick mit seiner Frau Claudia Kensy das Grundstück auf der Nedlitzinsel mit dem seit über 30 Jahre leerstehenden und marode gewordenen Parkrestaurant und den dazugehörigen Gebäuden. Das historische Gebäude, im Stil des Schweizer Fachwerk erbaut, war vor der Wende ein beliebter Treffpunkt und Ausflugsort. Über 1000 Plätze fanden sich auf dem Außengelände direkt am Lehnitzsee. Und weil sogar der Kaiser hier des Öfteren seinen Kaffee genoss, bekam das Restaurant mit seinem terrassenförmig angelegten Außenbereich schnell den Namen „Kaiser-Terrassen“.
Das Haupthaus, das eigentliche Restaurant, wurde ab 2016 von Grund auf restauriert. Parallel dazu baute die Familie auf dem Gelände ein eigenes Wohnhaus. Die Denkmalsschutzbehörde lobte die Arbeit des Architekten, als sie das neuerrichtete Fachwerkhaus sah. „Es war bis hierhin eine sehr gute und konstruktive Zusammenarbeit“, beschreibt Architekt Zwick die vergangenen Jahre vor dem Beginn seines Albtraums im Juli 2018. Seit über zwei Jahren herrscht nun Baustopp auf dem Gelände. Nichts geht mehr. Folgende Gründe nannte die zuständige Bauverwaltung und Denkmalschutzbehörde für den ausgesprochenen Baustopp:
1. Der Abriss des Tanzsaals, wodurch dieser seinen Denkmalsschutz-Status verloren habe
2. Die Vertiefung des Kellers des Tanzsaals um etwa einen Meter auf Niveau des angrenzenden ehemaligen Bierkellers
3. Nicht erfolgte archäologische Bodengutachten vor Herstellung der Abschachtung
4. Der Bau einer sogenannten Spundmauer zur Sicherung der Baugrube vor Erdrutschen
Gestern erlaubt, heute verboten
Der Wiederaufbau des Parkrestaurants wurde laut Zwick nur möglich, weil das völlig marode Fachwerk abgetragen und wieder neu errichtet werden durfte. Dabei wurden alte Holzteile wiederverwendet, soweit es deren Zustand erlaubte. Zerstörte Elemente wurden neu konstruiert. So entstand ein hochwertiges Fachwerkhaus im historischen Stil.
Ein weiteres Denkmalgebäude auf dem Gelände, der historische Tanzsaal, sollte auf die gleiche Art und Weise wieder restauriert werden. Man trug das Fachwerk und das dazugehörende Mauerwerk ab, erhielt nutzbare Teile, nummerierte sie und lagerte sie ein. Nachdem alles fertig war, sollte der Tanzsaal wieder aufgebaut werden. Das bestätigte auch die Landeshauptstadt Potsdam im Dezember 2018 nach einer Anfrage der MAZ in einer Mail:
„Weder beim Parkrestaurant noch beim Tanzsaal handelt es sich um genehmigte Abrisse, sondern um eine Demontage der in fachwerk-weise gebauten Gebäudeteile, die aufgrund des großen Schadensbildes in den Holzelementen nicht im Verbund saniert werden können. Nach der holzschutztechnischen Ertüchtigung der Konstruktion ist der Fachwerkbau-Teil des Parkrestaurants wieder aufzurichten. Ähnlich wie beim ehemaligen Parkrestaurant wurde auch beim Tanzsaal alles planvoll abgetragen und erhaltens- bzw. wiederverwendungsfähiges Baumaterial gesichert und gesäubert. So ist auch ein Wiederaufbau des Saalgebäudes zu erwarten“, heißt es darin.
Verwunderlich allerdings, dass die Stadt diese Antwort gab, als der Baustopp bereits fünf Monate alt war.
Das zuständige Brandenburgische Landesamt für Denkmalpflege und Archäologisches Landesmuseum (BLDAM) möchte von diesen in der Mail der Stadtverwaltung genannten Plänen nichts wissen. Im Gespräch mit dem POTSDAMER sagte der zuständige Mitarbeiter des BLDAM, Haiko Türk, dass für den Abbau des Tanzsaals keine Genehmigung vorgelegen habe und der Abbau somit ohne offizielle Genehmigung erfolgt sei. Ferner sei vorab keine ordentliche Dokumentation der abgetragenen Bauelemente (des Mauerwerks und des Fachwerkes) den Denkmalbehörden vorgelegt worden. „Das gesamte Grundstück wird mit seinen historischen Gebäuden als ein Denkmal geführt und als solches auch bewertet, durch den Abbau des Tanzsaals wurde dieses Denkmal nicht aus der Denkmalliste gestrichen, sondern das gesamte Denkmal lediglich um den Tanzsaal reduziert. Ein Abbau des Tanzsaals ist zu keinem Zeitpunkt genehmigungsfähig gewesen“, so Türk. Türk selbst bestätigte allerdings, das Bauprojekt noch nie vor Ort gesehen und ebenfalls noch kein persönliches Gespräch mit dem Architekten Zwick geführt zu haben.
Kleiner Fehler, große Wirkung
Da Zwick den Kriechkeller unter dem Tanzsaal auf das Niveau des ehemaligen Bierkellers vertiefte, diese Baumaßnahme zwar nach eigenen Angaben mit der damals zuständigen Mitarbeiterin der Bauverwaltung abgesprochen, allerdings nicht formal korrekt beantragt hatte, wurde unverzüglich ein Baustopp verhängt.
„Wir erhielten den Baustopp an einem Donnerstag, bestellten aber schon zwei Tage zuvor den Beton für die Bodenplatte des Kellers, der am Freitag geliefert und gegossen wurde. Jetzt wirft man uns vor, mit den Baumaßnahmen trotz Baustopps weitergemacht zu haben. Auch ist es bei Baugruben Vorschrift, aus Sicherheitsgründen eine Spundwand zur Stabilisierung des Erdreiches zu errichten, vor allem wenn man an der Grundstücksgrenze baut. Wir können seit zwei Jahren noch nicht einmal etwas zurückbauen. Dass Mitarbeiter der Verwaltung an einem Tag ein Projekt unterstützen und am nächsten Tag alles blockieren, kann niemand verstehen“, so Zwick im Gespräch mit dem POTSDAMER.
Was also vorher bei dem Haupthaus erlaubt wurde, soll jetzt zum Scheitern des gesamten Projektes werden? Für Zwick und seine Familie unverständlich. Doch nicht nur für diese. Mittlerweile meldeten sich auch andere Fachleute zu Wort. So zum Beispiel der renommierte Rechtswissenschaftler und Fachbuchautor Dr. Dieter Martin, dessen Fachgebiet Denkmalrecht ist. Die Streichung bzw. Reduktion des Denkmals um den Tanzsaal aus der Denkmalliste sei „nicht zu akzeptieren“, so Martin, der Zwick sogar empfiehlt, „eine Klage beim Verwaltungsgericht wegen der rechtswidrigen Streichung und über das Fortbestehen der Denkmaleigenschaft“ einzureichen.
Ebenso äußert sich der 2018 in den Ruhestand gegangene und für Potsdam mehr als 27 Jahre lang tätig gewesene Stadtkonservator Andreas Kalesse zu dem unverständlichen Vorgehen des BLDAM und seiner ehemaligen Kolleg*innen in der Stadtverwaltung. Kalesse kennt das Grundstück und die Gebäude sehr gut und sei im Falle einer Klage zuversichtlich, dass Zwick Recht bekäme.
Argumente der Denkmalschutzbehörde angezweifelt
Aufgrund der fachkundigen Stellungnahmen versuchte Zwick den Dialog mit der Stadt in eine positive Richtung zu lenken, doch scheiterte er an der – wie er sagt – „Taube-Ohren-Mentalität der Abteilung“. Mittlerweile liegt der Fall auf den Tischen der Anwälte beider Parteien. Zwick sieht keine Chance für die Stadt, diesen Prozess zu gewinnen, „denn die Sach- und Rechtslage ist eindeutig“, so Zwick im Gespräch mit dem POTSDAMER. „Wir wünschen uns sehr, dass es schnell zu einer guten Lösung mit der Stadt kommt, denn viele Potsdamer und Besucher würden sich freuen, wenn es hier wieder ein Restaurant, ein kleines Hotel und sogar einen Ort für Kultur gibt“, ist sich Zwick sicher.
Es scheint wieder einer der Fälle zu sein, der mangels ausreichendem Sach- und Menschenverstand vor Gericht gezogen wird und unnötige Steuergelder verschlingt, bevor der Fall in allen involvierten Fachbereichen ausreichend erörtert wurde. Auf weitere Nachfrage des POTSDAMERS in dieser Sache hieß es von einem Sprecher der Landeshauptstadt: „Aus Datenschutzgründen können wir hier leider keine detaillierten Angaben machen.“
sts