Claus Wartenberg. Ein Resümee nach 30 Jahren Gemeindevertretung
Sein Ziel war es schon immer, etwas zu bewegen. Er wollte Fahrland nach der Wende entwickeln. Er versuchte Zukunft zu gestalten. Doch er erntete Ablehnung, wurde verhaftet und sein Engagement mit Füßen getreten. Der POTSDAMER sprach mit Claus Wartenberg, Jahrgang 1950, Mitglied der SPD, Architekt, Ingenieur und Denkmalpfleger, über die letzten drei Jahrzehnte, in denen er die Geschicke und Missgeschicke Fahrlands als hauptamtlicher Bürgermeister und Ortsvorsteher mitverantwortete.
Die Anzahl der brandenburgischen Landkreise wurde bei der Kreisreform in Brandenburg 1993 von 38 auf 14 reduziert. Die kreisfreien Städte Brandenburg an der Havel, Cottbus, Frankfurt (Oder) und Potsdam behielten ihren Status und wurden um umliegende Gemeinden vergrößert. Gleichzeitig wurden andere Städte in neue Landkreise eingegliedert. Aus sechs kreisfreien Städten wurden vier.
Wie haben Sie die Zeit nach der Wende wahrgenommen?
Nach der Kreisreform gab es ein großes Durcheinander im ladwirtschaftlich geprägten Fahrland. Großkolchosen wurden aufgelöst, die Äcker wurden den Bauern übertragen, doch viele Landwirte sahen keine Zukunft und verließen Fahrland. Es war eine Zeit von Unsicherheit. Fahrland wurde in den Landkreis Potsdam-Mittelmark eingegliedert. Die Einnahmen, die das so entstandene Amt Fahrland generierte wurden zu je einem Drittel dem Kreis, der Gemeinde und dem Amt Fahrland zugesprochen.
Als Bürgermeister wollte ich etwas bewegen, man erwartete das irgendwie von mir. Nach der Wende gab es nur ein großes Durcheinander. Vor allem mussten wir damals regeln, was mit den großen Ackerflächen passieren sollte, weil viele Landwirte keine Lust mehr hatten und wegzogen.
Die Kommunalreform schrieb vor, wie die politischen Strukturen auszusehen hätten. Der Amtsleiter von Fahrland, Moritzen, sollte eigentlich unser Erfüllungsgehilfe sein und unsere Pläne umsetzen. Ähnlich wie heute bei unserem Oberbürgermeister lief das aber anderes herum und es drehte sich alles um ihn und seine Befindlichkeiten. So haben wir durch das Missmanagement von Moritzen viele Jahre in der Entwicklung verloren.
Dennoch entwickelte sich Fahrland, verschuldete sich aber zuerst stark. Wie kam es dazu?
Nach dem Bauboom in Groß Glienicke und Neu Fahrland kam auch der Boom in Fahrland an. Nachdem Moritzen gegangen war, blieb nur noch der Ruf nach Wohnungen von den alten Plänen übrig. Fast täglich kamen neue Investoren, um mit unseriösen Angeboten Luftschlösser zu bauen. Als auch der letzte Investor seine Pläne verwarf, boten die Landeigentümer der Gemeinde ihr Land zum Kauf an. Am Ende war es also Fahrland selbst, das das übriggebliebene Bauland kaufte. Die Idee dabei war, die entstandenen Kosten durch den Weiterverkauf der Bauflächen zu decken. Zwar wurden die Zahlungsmodalitäten damals nicht festgesetzt, wir planten aber mit einer Rückzahlung innerhalb von wenigen Jahren.
Die zum Kreis gehörende Gemeinde bekam zweckgebundene Zuweisungen für Investitionen. Dieses Geld musste für Gehwege, Straßenlaternen und andere Dinge ausgegeben werden. Wenn wir über unser Geld selbst hätten verfügen können, wären wir in vier bis fünf Jahren die Schulden los gewesen.
Als der Bauboom plötzlich abnahm und auch die LEG Pleite ging, stand Fahrland mit großen Schulden und Bürgschaften da, die zwar über den Landtag und das Innenministerium genehmigt wurden, aber irgendwann. Schnell sprach man dann von Fahrland als Pleitegemeinde. Für die Presse war dieses Image ein gefundenes Fressen und wurde von entsprechenden Artikeln bedient. Das rief den Staatsanwalt auf den Plan, der gegen mich ermittelte und daraus einen großen Fall machen wollte, um sich zu profilieren. Der musste dann aber kleinbeigeben, als der Richter in meinem Verhalten keine Fehler feststellen konnte.
War die Eingemeindung nach Potsdam dann die Rettung für Sie und Fahrland?
Ganz im Gegenteil. Potsdam hat viele Jahre aus Fahrland nur Geld gezogen. Potsdam wollte zwar die Fahrländer Fläche, nicht aber die Fahrländer Schulden übernehmen. Ich habe immer vor einer Eingemeindung gewarnt, weil Fahrland dadurch auch die Potsdamer Schulden bekommen hätte. So ist es ja dann auch gekommen. Inzwischen ist Potsdam extrem verschuldet und die Fahrländer Schulden sind getilgt. Das Amt Fahrland hätte meines Erachtens bestehen bleiben können, allerdings ohne Seeburg, das inzwischen nach Havelland gegangen war.
Fahrland hatte Schulden gemacht, sie aber über einen Fonds regelmäßig und schnell getilgt, deshalb war ich gegen die Eingemeindung. Ich wollte die Eigenständigkeit Fahrlands nicht riskieren und befürchtete, dass sich Potsdam aus dem gut gefüllten Fonds bedienen würde, ohne dass das sich gut entwickelnde Fahrland davon profitierte.
Dann ging die Bauerei im Königsweg los. Die ersten Mehrgeschosser standen. Alle Bemühungen, die übriggebliebenen Gemeindegrundstücke zu verkaufen, scheiterten. Das war die Stunde von Semmelhaack, dessen Wohnbauten das Stadtbild im Norden heute prägen.
Man wollte mich zuvor sogar aus dem Kreistag und der Gemeindevertretung ausschließen. Alle Abwahlen scheiterten aber. Seit der ersten Wahl der Stadtverordneten habe ich von der Potsdamer SPD einen starken Gegenwind gegen meine Person erfahren. So erhielt ich nur einen der letzten Listenplätze, kam aber aufgrund der vielen Stimmen, die ich bekommen hatte, doch als Stadtverordneter ins Stadtparlament.
Jetzt sind Sie seit über 30 Jahren in der Politik und übernahmen in dieser Zeit bis zum Mitte des letzten Jahres die Verantwortung für Fahrland. Erst als Bürgermeister, dann als Ortsvorsteher des Ortsbeirates. Was haben Sie in dieser Zeit alles erreicht?
Es wurde viel erreicht. Das habe ich aber nicht alles alleine geschafft, sondern hatte viele Mitstreiter. Ernst Ruden sen., Christoph Thiel, Thomas Liebe, Pastor Schworm und viele andere Freunde und Engagierte haben großen Anteil an der Entwicklung Fahrlands.
Ich habe dafür gesorgt, dass Fahrland nach der Wende zwei Konsum bekam, jetzt einen REWE, einen Fleischer bzw. Fischer, Schuster, Bäcker, Ärzte, eine Post, Kitas, eine Grundschule, einen Jugendtreff geschaffen, Gas-, Wasser, Fernwärme –, alles ist da.
Während sich der damalige Oberbürgermeister Jann Jakobs noch nicht einmal auf das Schreiben der Telekom zum Thema ‚schnelles Internet‘ geantwortet hat, bekam Fahrland aufgrund unseres Einsatzes als erster Ortsteil Glasfaserkabel. Inzwischen haben wir eine wachsende Bevölkerung, eine gute soziale Infrastruktur, die wir weiter ausbauen und ein sehr intaktes Gemeinschaftsleben.
Wenn der damalige und der heutige Oberbürgermeister aktiver in die Entwicklung Fahrlands eingegriffen hätten und sich ihrer Verantwortung nicht so gerne entzogen hätten, wäre Fahrland noch viel weiter.
Was sieht die politische Zukunft von Claus Wartenberg aus?
Ich bin mit der momentanen Entwicklung ganz zufrieden, wünsche mir aber ein stärkeres Engagement der Einwohner auf politischer Ebene. Wenn wir keinen starken Ortsbeirat mehr stellen, überrollt uns die Stadtverwaltung und wir haben gar nichts mehr zu melden.
Für manche ist es heute besser, für manche nicht. Wer Beziehungen zu Verwaltungsstellen hat, ist im Vorteil und kommt bei der Überverwaltung Potsdams gut zurecht. Als Normalo ist das nicht möglich. In der Verwaltung ist die Telefonzentrale zusammengebrochen, zu viele Stellen sind nicht besetzt, Mitarbeiter sind überarbeitet, auf Termine wartet man Wochen und Monate, besser läuft vieles in der Stadtverwaltung nicht. Als Ortsteil macht man der Verwaltung nur Arbeit, deshalb muss man seine Wünsche verteidigen. Aber das wird meine letzte Amtszeit sein. Danach kümmere ich mich nur noch um Projekte, die mir am Herzen liegen und sehe dem Nachwuchs dabei zu, wie er die Geschicke unseres Ortsteils lenkt.
Wie sagte Mutter Knoblich noch? ‚Man muss seinen Ort wohl lieben, sonst würde man den ganzen Scheiß doch gar nicht machen.‘ Recht hat sie! [Knoblich, Hannelore, *1939, Anm. d. Red]
Vielen Dank für das Gespräch, Herr Wartenberg
Das Gespräch führte Steve Schulz