Fahrländer Einwohner wehren sich gegen Bauvorhaben

Fahrländer Einwohner wehren sich gegen Bauvorhaben
Noch immer gibt es um das Grundstück in der Ketziner Straße im Ortsteil Fahrland keine Einigung, denn die Interessen der Fahrländer und die der Stadtverwaltung gehen nach wie vor weit auseinander.
Bei der Ortsbeiratssitzung im November 2018 votierte der Ortsbeirat mit 2:5 Stimmen eindeutig gegen den Beschlussvorlage der Verwaltung, in der die Verwaltung darlegte, wie sehr sie sich um das Bauvorhaben des Bauinvestors Semmelhaack bemüht, ohne dabei die bis dahin eingebrachten Einwände und Änderungsvorschläge der Einwohner zu berücksichtigen.
„Mit den Entwicklungszielen des Bebauungsplanes Nr. 161 „Wohnanlage Ketziner Straße“ wird auf einen Wohnraumbedarf innerhalb der Landeshauptstadt Potsdam reagiert und ein erweitertes Wohnungsangebot im Ortsteil Fahrland in der Nähe des Ortskerns und innerhalb des Siedlungsgefüges geschaffen“, heißt es in der Begründung der Stadt, die mit dem „erweiterten Wohnangebot“ die acht Einfamilienhäuser und 26 Doppelhaushälften mit insgesamt 68 Autostellflächen meint.

Ob hier jemals Häuser stehen, ist noch nicht sicher. Foto: sts

„Zur Sicherung einer geordneten städtebaulichen Entwicklung des Vertragsgebiets und zur angemessenen Berücksichtigung der Interessen des Allgemeinwohls führt die Stadt für den Planbereich … das Aufstellungsverfahren zum Bebauungsplan Nr. 161 „Wohnanlage Ketziner Straße“ (Ortsteil Fahrland) durch“, heißt es in der Präambel des städtebaulichen Vertrags.
Doch die erwähnte „Berücksichtigung der Interessen des Allgemeinwohls“ in Bezug auf das Bauvorhaben sieht man auf Fahrländer Seite etwas differenzierter. Die Einwohner Fahrlands sowie der Ortsbeirat haben der Verwaltung gegenüber ihren Unmut über die Bauplanung und das Zustandekommen des städtebaulichen Vertrages mehrfach zum Ausdruck gebracht. Viele Hundert Fahrländer möchten, dass die ca. 15.700 Quadratmeter große Fläche, die als unbebaubare Grünfläche ausgewiesen war, entweder wieder als eine das Wohngebiet ökologisch bereichernde Grünfläche genutzt wird oder eine lichtere Bebauung erfährt, wie in dem von der Fraktion die aNDERE eingebrachten Änderungsantrag beschrieben: „Dabei ist der Entwurf dahingehend zu ändern, dass innerhalb seines räumlichen Geltungsbereichs entlang der räumlichen Geltungsbereichsgrenze … verlaufend eine durchgehend 12 Meter breite, je 100 Quadratmeter mit einem hochstämmigen standortgerechten Obstbaum anzupflanzende Grünfläche festgesetzt wird… Darüber hinaus ist im Bebauungsplan festzusetzen, dass die zu bildenden Grundstücke mindestens 600 Quadratmeter groß sind“, heißt es im Änderungsantrag.
Beide Forderungen, sowohl der Verbleib der Grünfläche als auch die Forderung einer lichteren Bebauung, sind aus Sicht der Stadt von Nachteil, weil man Semmelhaack aufgrund einer rechtswidrig erteilten Bauzusage in Form eines Bauvorbescheides bereits die Möglichkeit des Bauens zusagte. Aufgrund der nun eingetretenen Verzögerung und den laut gewordenen Gegenstimmen aus der Bevölkerung, befürchtet die Stadtverwaltung, dass Semmelhaack von dem angedrohten und nicht näher bezifferten Schadensersatzanspruch Gebrauch machen wird.

Dieser Schadensersatzanspruch stünde ihm jedoch nur zu, wenn der Investor „den Wertverlust für das Grundstück, der sich durch den Entzug des Baurechts (bestand auf Grundlage des Bauvorbescheids) entstehen“ würde, geltend macht, so eine Sprecherin der Stadt gegenüber dem POTSDAMER. Weil aber das Grundstück überhaupt nicht an Wert verliert, nur weil das B-Planverfahren andauert, scheint es eher fraglich, ob mit einem Schadensersatzanspruch überhaupt gerechnet werden muss, dessen Höhe vom Investor auch nachgewiesen werden muss.
Weil das Ministerium für Infrastruktur und Landesplanung Brandenburg den städtebaulichen Vertrag für rechtswidrig erklärt und einen geregeltes B-Plan-Verfahren gefordert hat, steht die Verwaltung unter Zeitdruck, denn Semmelhaack erwartet Planungssicherheit bis März 2019 und behalte sich anschließend weitere rechtliche Schritte vor.
Nun versucht die Stadtverwaltung mittels eines vorgeschobenen B-Plan-Verfahrens, was andere Verfahren zeitlich weit nach hinten schiebt, die verlorene Zeit aufzuholen und einem Schadensersatzanspruch zu entgehen. Dafür braucht sie die Unterstützung der Stadtverordneten, die im Januar 2019 über die Priorisierung des B-Plan-Verfahrens abstimmen sollen. Stimmen diese für die Anhebung der Priorisierung, wird das Verfahren der Ketziner Straße vorgezogen und andere Entscheidungen, wie zum Beispiel die Sicherung des Schulweges zur Regenbogengrundschule, dessen B-Plan-Verfahren bereits seit Jahren läuft, werden wohl auf unbestimmte Zeit verschoben.
„Für das hier vorliegende Bauleitplanverfahren zum Bebauungsplan Nr. 161 „Wohnanlage Ketziner Straße“ (OT Fahrland) soll die Prioritätenstufe 1 I festgelegt werden. Die inhaltlichen Schwerpunkte dieses Planverfahrens und die besonderen Bedingungen für seine Durchführung, insbesondere das Interesse an der baldigen Entwicklung einer in die Siedlungsstruktur des Ortsteils Fahrland nahe des Ortskerns integrierten Wohnbebauung in Form von Einzel- und Doppelhäusern, lassen eine Einordnung dieses Planverfahrens in die Prioritätenstufe 1 I angemessen erscheinen. Darüber hinaus wird die zügige Durchführung des Bebauungsplanverfahrens auch zur Herbeiführung der planungsrechtlichen Klarheit für diese Flächen empfohlen…“, begründet die Stadtverwaltung in der Anlage der von ihr eingebrachten Beschlussvorlage die Priorisierung des B-Plan-Verfahrens auf Position 1. Die Verwaltung bleibt hier die Information schuldig, welche „inhaltlichen Schwerpunkte“ und „besondere Bedingungen für seine Durchführung“ sie meint. Allerdings scheint nach all den Stimmen aus der Fahrländer Bevölkerung gegen das Bauvorhaben eindeutig klar zu sein, von wessen „Interesse an der baldigen Entwicklung“ hier gesprochen wird.

Städtebauliches Konzept zum Bebauungsplan Nr. 161 „Wohnanlage Ketziner Straße“. Grafiken: LHP

Eine weitere Überraschung findet sich in der Begründung des B-Plan-Verfahrens. In Bezug auf die für alle Wohnungsbauinvestoren verbindliche und zu erbringende Umlage für die Entwicklung der sozialen Infrastruktur (Potsdamer Baulandmodell) heißt es auf Seite 86, Punkt „F.5: Abwägung der sozialen Belange
Im Rahmen der „Richtlinie zur sozialgerechten Baulandentwicklung in der Landeshauptstadt Potsdam“ (Drucksache 16/SVV/0728, kurz: „Potsdamer Baulandmodell“) wurde geprüft, in welchem Umfang die Planungsbegünstigte durch städtebaulichen Vertrag an der Herstellung der durch ihr Vorhaben neu verursachten Platzbedarfe in Kindertagesbetreuungseinrichtungen (Krippe, Kindergarten und Hort) und Grundschulen sowie an der Herstellung von Wohnfläche mit Mietpreis- und Belegungsbindungen zu beteiligen ist“. An dieser Stelle bleibt die Stadt dem interessierten Bürger einmal mehr das Ergebnis der erwähnten Prüfung schuldig.
Auf Anfrage des POTSDAMERs bei der Stadt sieht das Ergebnis der rechtlich verpflichtenden Prüfung der wirtschaftlichen Angemessenheit für Semmelhaack nun wie folgt aus: „Hier ist – gemessen an der rechtlich beanstandeten Vorgehensweise im Jahr 2017 – insoweit für die kommunalwirtschaftliche Betrachtung eine Verschlechterung zu verzeichnen, die sich insbesondere aus dem deutlich größeren anzurechnenden Planungsaufwand und der nunmehr präzisen Ermittlung von Belastungen und Wertermittlung ergibt… So gibt es im Unterschied zu dem vormals abgeschlossenen städtebaulichen Vertrag mit dem Investor bei der Schaffung der Baurechte über das Bebauungsplanverfahren keine Kostenbeteiligung für die Herstellung sozialer Infrastruktur“.
Mit anderen Worten: Weil die Firma Semmelhaack wie jedes andere Bauunternehmen dazu verpflichtet wurde, ein geregeltes B-Plan-Verfahren in Bezug auf ihr Bauvorhaben zu durchlaufen und die damit verbundenen Kosten zu tragen, sei es ihr nicht zuzumuten, die laut Potsdamer Baulandmodell verpflichtende Umlage für den Aufbau der sozialen Infrastruktur zu leisten.

sts