Grüne und LINKE wollen umstrittene Autobahnprojekte, wie die Tank- und Rastanlage „Havelseen“, stoppen

Wer jetzt mit seinem Auto auf der westlichen A10 unterwegs ist, fährt vergleichsweise umweltverträglich – zwangsweise. Auf der vierspurigen Autobahn sind aus Sicherheitsgründen nur 120 km/h erlaubt. Der Bundesverkehrswegeplan schreibt den Ausbau auf sechs Spuren fest. Deshalb hat der Landesbetrieb Straßenwesen (jetzt Autobahn GmbH) die umstrittene Tank- und Rastanlage „Havelseen“ zwischen Satzkorn und Paaren so geplant, dass sie „optimal“ an die gedachte sechsspurige Autobahn passen würde – mit erheblichen Konsequenzen für Umwelt, Natur und Landschaft.
Jetzt geben die Bundestags-Wahlprogramme einiger Parteien Anlass zur Hoffnung. Hoffnung darauf, dass Deutschland als letztes Land in Europa endlich eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf Autobahnen beschließt. Und Hoffnung darauf, dass der völlig veraltete, nicht mehr zeitgemäße Bundesverkehrswegeplan aus dem Jahre 2015 mit all seinen fragwürdigen Ausbauplänen (wie zum Beispiel die Raststätte „Havelseen“) endlich auf den Prüfstand gestellt wird.
130 km/h – so schnell dürfen Autos auf Autobahnen nur noch fahren, wenn es nach den Wahlprogrammen der Grünen und der SPD geht. Die Parteien erwarten durch dieses Tempolimit eine höhere Verkehrssicherheit und deutliche Effekte in puncto Umwelt- und Klimaschutz. Laut einer Studie des Umweltbundesamts (UBA) aus dem Jahr 2020 würden die CO2-Emissionen auf Bundesautobahnen von rund 39 Millionen Tonnen im Jahr bei einem allgemeingültigen Tempo 130 um 1,9 Millionen reduziert. Bei 120 km/h Höchstgeschwindigkeit (das fordert DIE LINKE), würden sogar 2,6 Mio. Tonnen CO2 eingespart.

Das klingt erst einmal moderat, wird aber von den Umweltverbänden, z.B. von der Deutsche Umwelthilfe, als riesiger Schritt auf dem Weg zum Erreichen der Klimaziele 2030 angesehen. Denn die Einsparung ist ohne jegliche Mehrkosten sofort realisierbar! Die Zahlen beziehen sich nur auf die Autobahnen. Mit reduzierten Höchstgeschwindigkeiten auf Landstraßen und innerorts lässt sich der klimaschädliche CO2-Ausstoß noch weiter reduzieren. Auch dazu findet man Aussagen in den Wahlprogrammen. Außerdem erhöht ein Tempolimit laut UBA und den Verbänden massiv die Verkehrssicherheit durch weniger Unfälle. Eine Beschränkung der Geschwindigkeit lässt außerdem hoffen, dass in Zukunft viel mehr leichtere Autos mit deutlich unter 100 PS verkauft werden.

Weizenernte auf dem Acker, auf dem die Autobahn GmbH die Raststätte errichten möchte. Das Feld zählt zu den fruchtbarsten Äckern Potsdams

Weizenernte auf dem Acker, auf dem die Autobahn GmbH die Raststätte errichten möchte. Das Feld zählt zu den fruchtbarsten Äckern Potsdams.
Foto: Silke Beckedorf

DIE LINKE fordert in ihrem Wahlprogramm zur Bundestagswahl einen Stopp für den Neu- und Ausbau von Autobahnen. Sie will „einen alternativen Verkehrswegeplan, mit dem die sozialökologische Mobilitätswende vollzogen wird und bei dem der schienengebundene Personen- und Güterverkehr im Mittelpunkt steht.“
Im Gegensatz dazu ist die CDU weiterhin für den Ausbau und begründet es sogar mit Klimaschutz: „… wo es häufig Stau gibt, werden wir unsere Bundesstraßen und Autobahnen erweitern. Weniger Staus bedeuten mehr Klimaschutz.“
Im Wahlprogramm der Grünen heißt es: „Trotz Klima- und Artenkrise und obwohl Deutschland eines der dichtesten Straßennetze der Welt hat, enthält der Bundesverkehrswegeplan noch hunderte weitere Straßenbauprojekte, die unsere Landschaften und unsere Natur zerschneiden und den Klimaschutz gefährden.“
Damit werden umstrittene Autobahnprojekte wie die Rastanlage „Havelseen“ in Frage gestellt. 16 Million Euro hat der Bund für dieses Projekt kalkuliert. Enthalten darin sind schon jetzt die Kosten für eine Anhebung des Geländeniveaus auf bis zu 2,20 Meter. Das erachten die Planer der Autobahn GmbH als notwendig, damit die Rastanlage später an die sechsspurig ausgebaute A10 passt. Ob aber der Ausbau der A10 in dieser Dimension überhaupt kommt, ist fraglich. Die zugrunde gelegten Zahlen sind veraltet, Klimaschutzfragen haben bei der Planung bisher keine Rolle gespielt.
Um die Verkehrsinfrastrukturplanung an den Erfordernissen der Mobilitätswende auszurichten, fordern die Grünen in ihrem Programm u.a. eine grundsätzliche Änderung der Berechnungsgrundlagen unter Berücksichtigung der tatsächlichen Klima- und Umweltkosten, die Prüfung von Alternativen und eine bessere Bürgerbeteiligung. Wohngebiete, Wald und Wasser, Moore und Artenvielfalt und damit unsere Lebensgrundlagen sollen so besser geschützt werden. Angesichts der Klimakrise dürfe nicht gelten: „Nur weil es schon immer so geplant war, muss das jetzt auch gemacht werden.“

Der NABU (Naturschutzbund Deutschland e.V.) hat ein Rechtsgutachten vorgelegt, das bestätigt, dass ein Moratorium für den weiteren Autobahnausbau und entsprechende Planfeststellungsverfahren möglich sind. „Natur darf nicht weiter für überflüssigen Straßenbau zerstört werden“, sagt NABU-Präsident Jörg-Andreas Krüger. „Mit dem aktuellen Bundesverkehrswegeplan wird ein klima- und naturfeindlicher Status betoniert. Wir brauchen daher jetzt den Baustopp, um die Zeit für eine bedarfsgerechte Neuplanung zu gewinnen und Klima- und Artenschutz ins Zentrum des Handelns zu rücken. Da rechtlich keine Hindernisse bestehen, sind Bundestag und Bundesregierung aufgefordert, so schnell wie möglich eine Baupause einzuleiten.“
Die anstehende Überprüfung des aktuellen Bundesverkehrswegeplans wollen die Grünen nutzen, um „alle nicht im Bau befindlichen Abschnitte sowie besonders umweltschädliche Straßenneubau- und Straßenausbauprojekte einer Klima-, Umwelt- und Bedarfsprüfung zu unterziehen und sie dadurch deutlich zu reduzieren. Bis zum Abschluss der Überprüfung des Bundesverkehrswegeplans dürfen bei diesen Projekten keine irreversiblen Fakten geschaffen werden.“

Bürgerinitiative Potsdamer Norden