Der Wirtschaftsphilosoph Anders Indset zu Gast beim Marketing Club Potsdam

Der Marketing Club Potsdam, der weit über die Stadtgrenzen für seine sehr informativen und oft hochkarätig besetzten Veranstaltungen bekannt ist, musste seine ursprünglich als Neujahrsempfang 2020 geplante Veranstaltung bedingt durch Corona mehrfach verschieben und konnte sie nun endlich am 26. August dieses Jahres nachholen – als Sommerfest.
Das Team des Marketing Club Potsdam bestehend aus Vorstand, Beirat und Geschäftsstelle hatte unter der Moderation seines Präsidenten, Götz Friederich, alles bestens organisiert und vorbereitet.

Der Wirtschaftsphilosoph Anders Indset bei seinem Vortrag im Audimax der Uni Potsdam

Der Wirtschaftsphilosoph Anders Indset bei seinem Vortrag im Audimax der Uni Potsdam
Fotos: Ralph Richter

Kaum eine Location hätte für das Sommerfest des Marketing Club Potsdam besser geeignet sein können als, das „Audimax“ neben der Philosophischen Fakultät der Uni Potsdam am „Neuen Palais“, denn diesmal war kein Geringerer zu Gast, als der Wirtschaftsphilosoph Anders Indset. Für Universitätspräsident Prof. Oliver Günther daher eine Freude und Selbstverständlichkeit, das Grußwort an das Publikum zu richten.

Das "AUDITORIUM MAXIMUM" (Audimax) ist die passende Location für die Veranstaltung des Marketing Club Potsdam mit Anders Indset

Das „AUDITORIUM MAXIMUM“ (Audimax) ist die passende Location für die Veranstaltung des Marketing Club Potsdam mit Anders Indset

Anders Indset, der sich selbst als ehemaligen „Hardcore-Kapitalist“ bezeichnet, ist einer der weltweit führenden Wirtschaftsphilosophen und ein gefragter Keynote-Speaker.
Dabei geht Indset einen ganz einfachen, wenngleich neuen Weg: Er paart wissenschaftliche Erkenntnis und Technologie von morgen mit den philosophischen Schätzen der Vergangenheit und projiziert das Ergebnis auf die heutige Zeit.
Anders Indset ist mehr Beobachter als Richter, mehr Visionär als Bewahrer – und doch Realist.
Nach einer kurzweiligen Anmoderation durch Götz Friederich, ging Anders Indset sodann „in medias res“.

Das einzig gültige Zeitfenster ist die Ewigkeit

Unsere Welt ist kleiner geworden. Dank der Digitalisierung ist die Welt nur noch ein Dorf, die Vernetzung untereinander allgegenwärtig. Doch wenn wir alle technologisch miteinander verbunden sind, wo ist unsere Verbundenheit? Die neuen Technologien sollen uns den Alltag, das Leben erleichtern – doch schaffen sie das auch?
Indset ist der Meinung, dass viele Entwicklungen weniger Ergebnisse eines kreativen Gedankenaustauschs sind, als mehr Reaktionen auf ein großes Durcheinander, das dem Einzelnen die Orientierung nimmt. Der Einzelne versinkt in der Masse, und die Individualität spielt immer weniger eine tragende Rolle, beschreibt Indset die gesellschaftliche Entwicklung. Aber es gibt einen Weg aus dieser Sackgasse, ist sich Indset sicher.

Auch Marketingfachmann Helmut Barthel (MdL, SPD, l.) und Universitätspräsident Oliver Günther (r.) hörten Anders Indset aufmerksam zu.

„Verlässlichkeit“ und „Vertrauen“ sind dabei Grundwerte, die es in der Gesellschaft zu installieren gilt. Denn Interdependenzen, also gegenseitige Abhängigkeiten, benötigen Vertrauen, wenn sie funktionieren sollen. „Verlässlichkeit ist dabei der Geburtsort der Innovation“, so Indset. „Und Innovationen sind essenziell für den Fortbestand unserer Art, unserer Welt.“ Dabei fordert er uns auf, damit aufzuhören, in abgeschlossenen Zeiträumen zu denken, sondern unser Denken und Handeln auf die Ewigkeit ausrichten. Nur so sei Nachhaltigkeit wirklich möglich.
Wir benutzen Begriffe, die verwirrend und widersprüchlich sind und uns einschränken, ist Indset überzeugt. „Wir denken in geschlossenen Systemen. Wirtschaftssystemen, politischen Systemen, Bildungssystemen. Wie kann es sein, dass wir in der Schule, im Studium oder im Beruf einen ‚Abschluss‘ machen? Wie kann Bildung jemals abgeschlossen sein? Warum sollen wir nicht ein Leben lang lernen?“, fragt Indset zu Recht.

Prof. Dr. Marko Sarstedt, Vorstand Wissenschaft/Innovation im DMV sowie Mitglied im MCP, wollte sich, gemeinsam mit seiner Frau Alexandra, die Veranstaltung auch nicht entgehen lassen.

Weniger Blabla, mehr voneinander lernen

Wie viel lernen wir heute noch? Wann lernen wir? Und vor allem: Sind wir noch bereit dazu?
„Wir sind gefangen in dem, was wir glauben zu wissen. Deshalb sollten wir wieder lernen zu lernen, lernen wieder zulassen“, appelliert Indset. Dafür sei Offenheit notwendig und die Bereitschaft, Hierarchien zu verlassen, um den Austausch mit anderen zu finden. Wer glaubt, etwas zu sein, hört auf, etwas zu werden. Wer glaubt, alles zu wissen, liegt häufig falsch. Meetings, in denen nur aus einer Richtung etwas erzählt wird und alle anderen zuhören, sollte es nach Indset nicht mehr geben. „Wir brauchen kein Blabla mehr. Wir brauchen Räume für Austausch, für Begegnung, für Emotionen und Authentizität, um Neues zu entwickeln“, empfiehlt der Wirtschaftsphilosoph.
„Schluss mit dem Hören. Wir müssen wieder damit anfangen zuzuhören. Es geht nicht mehr um das Reden, es geht um Aussagen. Statt Blabla-Treffen brauchen wir Co-Kreationstreffen“, so Indset. Treffen, bei denen man zusammenkommt, um sich auszutauschen, um Neues zu entwickeln.
„Wenn wir möchten, dass die Maschinen auch in Zukunft uns dienen und nicht umgekehrt, müssen wir die Wirtschaft neu denken. Kein Entweder-oder, sondern ein Sowohl-als-auch. Wir brauchen eine neue Leitidee, einen humanistischen Kapitalismus. Und dabei sollten wir alle zu professionellen Amateuren werden.“ Was er damit meint? Ganz einfach: Wir müssen uns selbst – auch oder vor allem in unserer Arbeitswelt – ständig infrage stellen. Nicht an unserem Wissen stur festhalten, sondern es sich ständig verändern lassen, indem wir uns auf neue Ideen, neue Gedanken, neue Erkenntnisse einlassen und es zulassen, dass diese in unsere (Arbeits)Welt Einzug halten.
„So kommen wir zu einer neuen Selbstverständlichkeit“, ist Indset überzeugt.

Nach dem Vortrag gab es neben dem Büffet viel Zeit zum Austauschen und Netzwerken.

Homo obsoletus

„Technologie optimiert die Vergangenheit. Und Technologie ist die Kunst, Recht zu haben. Wir brauchen aber auch die Kunst, Unrecht zu haben“. Um die Technologien und ihre Potentiale verstehen zu können, brauchen wir eine Gesellschaft des Verstandes, diese könne aber nur vom Menschen selbst realisiert werden, ist Indset überzeugt.
Um immer leistungsfähiger zu sein, packen wir immer mehr Technologie in unseren Alltag. Wir erhoffen uns von der Technologie, dass sie uns besser macht, uns Entscheidungen abnimmt, unser Leben erleichtert. „Wir haben uns schon zu sehr daran gewöhnt, zu glauben, dass diese künstliche Intelligenz unserer eigenen überlegen ist, dass wir dies nicht einmal hinterfragen.
Wie aber kann etwas künstlich sein, das von Menschen entwickelt wurde? Und wie kann etwas, das von Menschen entwickelt wurde, intelligenter sein als der Mensch? Was ist Intelligenz überhaupt?“, fragt Indset fast schon rhetorisch.
„Wenn die Technologie alles besser macht, als der Mensch, wird der Mensch überflüssig. Werden wir alle zum ‚Homo obsoletus‘, zum überflüssigen Menschen?“, beschreibt Indset den logischen und zugleich paradoxen Weg in die Bedeutungslosigkeit der Menschheit.
„Um aber Technologien zu entwickeln, brauchen wir uns Menschen.“ Wir alle sind dazu aufgerufen, so Indset, zu beschreiben, wie wir die Welt haben wollen. Darin liegt der Anreiz für unsere Verhaltensänderung. Konsum ist schön und gut – vielleicht sogar wichtig –, um aber bessere Produkte entwickeln zu können, braucht es unsere Ideen, unseren Austausch, uns als Menschen, rettet Indsets Aufforderung den Menschen vor dessen drohender Wertlosigkeit.

Nach dem Vortrag gab es als Dankeschön ein Geschenk für den Gastredner

Als Dankeschön für seinen bemerkenswerten Auftritt und inspirierenden Vortrag bekam Anders Indset aus den Händen vom Präsidenten des Marketing Club Potsdam, Götz Friederich und seiner Teamkollegin im Vorstand, Maja Schulze einen Stich des Potsdamer Künstlers Christian Heinze überreicht. Passend zum Thema zeigt der Stich eine Ansicht des Schlosses „Sanssouci“, dem Schloss des aufgeklärten Monarchen und Philosophenfreund seiner Zeit, Friedrich II., genannt „der Große“.
Im Anschluss der Veranstaltung signierte Indset einige seiner Bücher. Seine Ideen wurden bei den Gästen angeregt erörtert.

Anschließend nahm sich der Bestseller-Autor Zeit, um seine Bücher zu signieren

Wer den Vortrag auszugsweise und komprimiert nachhören möchte, kann ihn über den podcast „Potsdamer Stadtgespräch“ unter BHeins.de jederzeit abrufen: https://bheins.de/podcast/

Weitere interessante Veranstaltungen des Marketing Club Potsdam finden Sie unter: www.marketingclub-potsdam.de

sts