Verkehrsbetriebe in Potsdam haben Verbesserungsvorschläge der Einwohner auf ihre Agenda genommen

Als der Robur-Bus des rbb (Rundfunk Berlin Brandenburg) am 06. April 2018 nach Groß Glienicke kam, nutzten die Einwohner des nördlichsten Ortsteils Potsdam die Gelegenheit, sich ihrer Enttäuschung der Presse gegenüber Luft zu machen. Was war geschehen? Der vom Rathaus Spandau bis zum Hauptbahnhof Potsdam durchfahrende Bus der Linie 638 erhielt im Herbst 2017 einen neuen Fahrplan, der vorsah, statt bis zum Hauptbahnhof nur noch bis zur neu entstanden Haltestelle Campus Jungfernsee zu fahren. Von hier aus geht es nur noch mit der Straßenbahn in Richtung Zentrum weiter. Nach Aussagen vieler Nutzer des Busses bedeute dies längere Fahrzeiten, unnötige Wartezeiten, keine Unterstellmöglichkeit bei Regen und Wind und ein problematisches Ein- bzw. Umsteigen, weil nicht durchgehend barrierefreie Fahrzeuge eingesetzt werden. Wegen des verschlechterten Anschlusses vom Zentrum nach Groß Glienicke mussten viele Kinder in den kalten Monaten und den dunklen Abendstunden von ihren Eltern häufig vom Campus Jungfernsee abgeholt werden. Aufgrund der neuen Situation stiegen einige vom Bus wieder aufs Auto um oder schafften sich sogar ein zweites an.

Kein Wunder also, dass die Luft zum Schneiden dick war, als der Robur-Bus vorfuhr und die rbb-Reporter, Michael Scheibe und Kollegen, von den ca. 150 Einwohnern mit selbstgebastelten Schildern empfangen wurden, auf denen sie ihren Unmut äußerten. Auch der Geschäftsführer der Verkehrsbetriebe in Potsdam (ViP), Martin Grießner, kam, um sich die Wünsche der Groß Glienicker anzuhören. Zeit, um die Position der ViP detaillierter zu erklären, blieb Grießner jedoch nicht. Ihm blieb nur die Möglichkeit, die Eindrücke mitzunehmen und zu versprechen, die angesprochenen Punkte intern zu erörtern und nach Lösungen zu suchen.

Der POTSDAMER traf am 03. Mai 2018 Grießner in dessen Büro, gemeinsam mit dem Leiter der Verkehrsplanung, Kevin Karge, um zu erfahren, was hinter dem neuen Fahrplan steckt und was von den Wünschen der Groß Glienicker übriggeblieben ist.

POTSDAMER: Warum wurde die Bus-Linie 638 verkürzt, oder gebrochen, wie man sagt?

Grießner: Die Verlängerung der Straßenbahn-Trasse bis zum Campus Jungfernsee war bereits Bestandteil des Entwicklungsplans Bornstedter Feld. Seit 2002 hat die ViP das Baurecht für die Straßenbahntrasse zum Campus Jungfernsee. Bereits in den Planungen war der Campus Jungfernsee als Verknüpfungspunkt der Busse aus Fahrland und Groß Glinicke/Spandau mit der Straßenbahn projektiert.

Der Bau wurde jedoch zurückgestellt, weil sich das Gebiet bis 2012 nicht so entwickelte, wie erwartet. Nachdem sich die Entwicklung änderte, wurden die Pläne wieder aktiviert und mit der Umsetzung begonnen. Vielleicht hätte man die Pläne schon damals genauso umsetzen sollen, wie wir es seinerzeit in der Viereckremise gemacht haben. Nachdem dort die Trasse errichtet wurde, entstanden links und rechts in der Kirschallee neue Wohnungen, die heute direkten und schnellen Anschluss an den Öffentlichen-Nahverkehr bieten. Eine Situation, die heute keiner der Anwohner mehr missen möchte.

Vor der jetzigen Situation haben wir mehrere Varianten geprüft und durchkalkuliert. Ebenso haben wir die Schülerverkehre zwischen 7 und 8 Uhr früh positiv berücksichtigt.

Auch ist ein langerklärtes Ziel, die Verkehrssituation zu verbessern, indem der Nahverkehr attraktiver und vor allem schneller wird. Dafür ist der Ausbau des Netzes – soweit möglich – notwendig als auch die Vermeidung von Parallelverkehren. Dabei ist die Straßenbahn anderen Fahrzeugen gegenüber im Vorteil, weil sie viel mehr Fahrgäste befördert und schneller durch den Verkehr kommt. Ein im Stau stehender Bus, nützt niemandem. Und die Themen Umwelt und Emissionsverringerung sind ebenfalls zu berücksichtigen.

POTSDAMER: Nun trifft die Verkürzung der Fahrstrecke des Busses 638er trotzdem nicht gerade auf große Begeisterung. Und es scheint nicht allein die Tatsache zu sein, dass der 638er nicht mehr bis zum Hauptbahnhof durchfährt, sondern dass das Umsteigen und die damit verbundenen Anschlusszeiten, fehlende Unterstellmöglichkeiten und vieles mehr beklagt werden. Können Sie das verstehen?

Grießner: Sicher sind eine Menge der angesprochenen Mängel nicht von der Hand zu weisen, und wir werden versuchen viele davon schnellstmöglich abzustellen. An der Haltestelle Campus Jungfernsee wird zur Verbesserung der Aufenthaltsqualität zeitnah der Witterungsschutz für unsere Fahrgäste angepasst.
Ebenfalls werden wir uns dafür einsetzen, dass dort eine öffentliche Toilette installiert wird und sich eine kleine Form der Nahversorgung ansiedeln kann.

Im Mai dieses Jahres werden wir zu 100 % barrierefreie Niederflurbahnen einsetzen. Bis 2025 kann es jedoch aus betrieblichen Gründen wie Reparaturen, Unfällen oder anderen immer mal wieder zum Einsatz von Tatrabahnen kommen, die nicht barrierefrei sind. Auch haben wir bereits fast 15 Mio. Euro in  die Verlängerung von Straßenbahnen investiert, um uns auf die  wachsende Nutzung der Straßenbahnen vorbereitet zu sein. So fahren wir jetzt mit Combino XL-Fahrzeugen, die 12 Meter länger sind als ihre Vorgänger. Ebenso sind wir dabei, mit den verantwortlichen Abteilungen der Stadtverwaltung die Barrierefreiheit der Haltestellen am Nauener Tor und an der Brandenburger Straße zu planen und zu gewährleisten. Leider wird das aufgrund der komplexen Planungsprozesse auch nicht sofort umzusetzen sein.

POTSDAMER: Warum ist das Umsteigen für manche Fahrgäste so umständlich? Und ist eine Fahrzeitverlängerung wirklich eine Verbesserung?

Karge: Die bis dato berechtigten Einwände wegen der eingesetzten Tatrabahnen und der damit nicht gewährleisteten Barrierefreiheit haben wir behoben. Auch die noch nicht barrierefreien Haltestellen werden baldmöglichst umgebaut. Regelmäßige Anschlussprüfungen ergaben eine Anschluss-Quote von 97 %. Damit das so bleibt, haben wir unsere Busfahrer angewiesen, den Anschluss, d.h. die Ankunft der Straßenbahn abzuwarten. Dafür sind Zeitpuffer von bis zu 4 Minuten eingebaut worden. Wir sind auch stets bemüht, alle Anschlüsse zu optimieren. Die reale Verlängerung der Fahrtzeit von 9 Minuten setzt sich zusammen aus 4 Min. umsteigen, was mit dem eingebauten Zeitpuffer zu tun hat, einer um 3 Minuten längeren Fahrzeit der Tram und der 2 Minuten, die bei der Einfahrt in die Haltestelle Campus Jungfernsee benötigt werden.

Sollten wir merken, dass sich neue Anforderungen ergeben, werden wir umgehend reagieren und Fahrplananpassungen durchführen, so, wie wir es mit der Taktung des 638er im Dezember 2014 in Groß Glienicke gemacht haben, als wir diese von 30 auf 20 Minuten umgestellt haben.

POTSDAMER: Viele fordern auch eine bessere Information dahingehend, welche Straßenbahn die für einen optimalen Busanschluss in Richtung Norden die richtige ist. Ist das umsetzbar?

Karge: Wir liefern unseren Fahrgästen Informationen aus drei unterschiedlichen Informationsquellen: AushangfahrplanQuellen an der Haltestelle, Online bzw. in der App und mittels eines gedruckten Fahrplans. Eine Anzeige möglicher Umsteigebeziehungen an der Fahrzeugfront ist aus technischen Gründen leider nicht möglich, da nur eine sehr begrenzte Anzahl von Zeichen für die Darstellung der Zielanzeige zur Verfügung steht.

Darüber hinaus sendet der eingebaute Bordrechner der Tram Anforderungen an die Lichtsignalanlagen für eine bevorrechtigte Querung von Kreuzungen durch den ÖPNV. Ein Vermerk zu den Anschlüssen lässt sich aufgrund der hohen Anzahl an Linienvarianten und Anschlusssituationen am Fahrzeug nicht sinnvoll darstellen.

POTSDAMER: Mit welchen Entwicklungen können die Potsdamer denn zukünftig rechnen?

Grießner: Grundsätzlich beeinflussen die vielen Bauvorhaben in Potsdam auch unsere Planungen erheblich. Potsdam wächst sehr schnell, und die für die Stadtentwicklung verantwortlichen Abteilungen sind bemüht, dieser Entwicklung gerecht zu werden. Weil die Straßenbahn wegen ihrer vielen Vorteile das führende Verkehrsmittel in Potsdam bleiben soll, werden wir weiter in den Ausbau des Straßenbahnnetzes investieren.

Es ist trotz der engen Zusammenarbeit der ViP mit Entwicklungsträgern und Abteilungen der Stadtverwaltung zu bedenken, dass wir lediglich ausführendes Organ innerhalb eines Bereichs der Stadtentwicklung sind und daher nicht immer so und vor allem so schnell reagieren können, wie unsere Fahrgäste sich das wünschen.

Auch das zzt. diskutierte Innenstadtkonzept mit den im Zentrum zukünftig zugelassenen Verkehrs-mitteln hat erheblichen Einfluss auf unsere Planungen und den Ausbau des Straßenbahnnetzes. Erst nach Festlegung des Konzeptes haben wir eine verlässliche Planungsgrundlage.

In jedem Fall ist unser Plan, den Öffentlichen-Personen-Nahverkehr attraktiver zu machen, und das braucht Zeit und Erfahrung. Ich glaube, dass man den Vorteil der Straßenbahn zu schätzen weiß, wenn man sich an die neue Situation gewöhnt hat.

POTSDAMER: Wenn sich Fahrgäste – wie in dem geschilderten Fall – benachteiligt fühlen, wie können sich diese zukünftig am besten so Gehör verschaffen, dass die Forderungen auch wirklich bei Ihnen ankommen?

Grießner: Widerstände sind in der Regel eine gute Sache, weil sie Verbesserungsmöglichkeiten aufzeigen, nur sollten sie bitte konstruktiv an uns herangetragen werden. Polemik hilft weder den Fahrgästen, noch uns.

Wenn Groß Glienicker vermehrt auf das Auto umsteigen, fehlt es uns an nachvollziehbaren und validen Zahlen, denn wenn unser Angebot nicht genutzt wird, kann auch keine Notwendigkeit erkannt werden, irgendetwas zu ändern.

Aufgrund der schnellen Reaktion der ViP wird deutlich, dass sie im Rahmen ihrer Möglichkeiten die Anforderungen der Fahrgäste ernst nimmt und versucht, diese nach ihren Möglichkeiten umzusetzen. Liest man den Forderungskatalog der in Groß Glienicke entstanden Bürgerinitiative, scheinen die darin formulierten Punkte von der ViP bereits weitestgehend erfüllt. Bemerkenswert ist auch, dass aus Fahrland und Neu Fahrland keinerlei Stimmen laut wurden, die sich über die neue Linienführung beschwerten. Auch viele Groß Glienicker sagten dem POTSDAMER gegenüber, dass sie mit der neuen Linienführung kein Problem hätten. Es bleibt daher abzuwarten, ob die notwendigen 4.200 Unterschriften zusammenkommen, die der Stadtverordnetenversammlung vorgelegt werden sollen, damit sich diese dem Thema noch einmal widmet. Es gilt allerdings als sehr unwahrscheinlich, dass an der momentanen Linienführung in nächster Zeit etwas geändert wird.

sts