Wenn Ratten an der Basis von Ordnung, Sicherheit und Umwelt nagen

Auf der Web-Seite der Landeshauptstadt Potsdam heißt es:“ Die Landeshauptstadt Potsdam hat sich auf den Weg zur Smart City gemacht. In Potsdam sollen Klimaschutz und Klimaanpassung gestärkt werden, die smarte und soziale Stadtentwicklungsplanung vorangetrieben, die Verkehrswende gestützt, … werden. Im Tagesspiegel vom 16.10.23 sehen wir einen strahlenden OB Schubert und Frau Geywitz (beide SPD), die ein neues „Zentrum für Design Thinking … das Potsdam Lab für das Modellprojekt Smart City Potsdam“ im Bildungszentrum eröffnen (AG-Smart-City@rathaus.potsdam.de.).
Das klingt sehr gut, besonders, wenn man englische Wörter verwendet, die vielleicht nicht jeder richtig deutet und sich dann möglicherweise beeindruckt gibt, um nicht zuzugeben, dass er sie nicht richtig zuordnen kann. Die Wörterbücher geben in Verbindungen mit anderen Wörtern vielfältige Bedeutungen für smart an. Da finden wir z.B.: raffiniert, clever, schick, zackig, aber auch frech werden. Welche Bedeutung ist nun für Potsdam zutreffend, welche würden wir uns wünschen, insbesondere an der Gegenwart und der Realität gemessen?

Bis Potsdam sich eine „Smart City“ nennen kann, ist noch einiges zu tun.

Bis Potsdam sich eine „Smart City“ nennen kann, ist noch einiges zu tun.
Foto: P. Schimmimg

Der Tagespiegel titelt: „Wilde Ideen willkommen – Labor für Potsdams Zukunft eröffnet“.
Vor der Zukunft kommen aber die Vergangenheit und die Gegenwart. Zur jüngeren Vergangenheit gehört die Tatsache, dass die SPD seit der Wende den Oberbürgermeister stellt. Mit dem Abzug der sowjetischen Truppen 1994 hatte Potsdam etwa zehn Prozent seines vorher besetzten Territoriums zurückgewonnen, das vielfältig einer neuen Nutzung zugeführt werden konnte. Das konnten Schulen, Kitas, Sportflächen sein, Wohngebiete und vieles andere mehr. Für alles war ausreichend Platz vorhanden.

Eine gute Entscheidung war es, einen Volkspark zu schaffen. Dem Volkspark wurde gleich eine bittere Pille zugeordnet, die anfangs kaum jemand verinnerlicht hatte. Rechts von der Biosphäre entlang der Georg-Hermann-Allee sollten später Wohnhäuser errichtet werden. Das wird nun seit vergangenem Jahr umgesetzt, und am Rand des Parks wurde ein Kahlschlag für Wohnhäuser betrieben.
Für einen Fußballclub wird seit Jahren eine Fläche gesucht (seit 1994 gab es viele Möglichkeiten dafür – ohne wesentliche Störungen für Wohngebiete oder schädliche Eingriffe in die Natur). Da kam schnell die Streuobstwiese im Remisenpark ins Gespräch, die mit viel Fleiß, Mühe und Geld über die Jahre von einer militärisch genutzten Fläche zu einem wichtigen Biotop umgestaltet wurde. Aufgrund des Widerstands von Bürgern und der CDU wurde eine endgültige Entscheidung über die Zerstörung dieses Biotops verschoben. Dann kam als mögliche Fläche für die Fußballer die Fläche an der Nedlitzer Straße gegenüber dem Campus Jungfernsee als Vorschlag. Das wurde von der Verwaltung heftig abgelehnt, da es Interessen des Landschaftsschutzes gebe, in die man nicht eingreifen könne.
Aktuell konnten wir hören, dass man diese Fläche nun hervorragend für die Unterbringung von 500 Geflüchteten nutzen könnte. Es sei ja nur für einen begrenzten Zeitraum von ein paar Jahren und das sei zulässig. Obwohl noch Einsprüche bei Gericht anhängig waren, hat man erst einmal vollendete Tatsachen geschaffen und mit Planierraupen dieses Bodendenkmal kahl gemacht und das gesamte Biotop der Wiese zerstört.
All das lässt sich schlecht einer Smart City Potsdam zuordnen. Was ist daran smart? Es geht eher in die Richtung „Wilde Ideen willkommen“.
Die Zerstörung von Naturflächen kann kaum als smarter Beitrag zum Klima- und Umweltschutz gelten.

Werfen wir einen Blick auf die Touristenstadt Potsdam im Stadtzentrum, konkret am Bassinplatz. Hier kommen fast täglich Touristenbusse an. Als die Fotos entstanden, waren es zehn Busse. In ca. 15 m vom Parkplatz, hinter dem Toilettenhäuschen, finden die Touristen eine flächenhaft ausgebreitete Müllhalde vor. Dort werden natürlich auch Ratten gesichtet. Das Müllparadies, offensichtlich der Aufenthaltsort von Obdachlosen, erstreckt sich weiter auf benachbarte Bänke, die verschmutzt und vermüllt sind und eigentlich anderen Zwecken dienen sollten. Das ist kein Zustand, der erst seit ein paar Tagen existiert. Es geht um Wochen und Monate. Nun kann man nicht etwa behaupten, das Ordnungsamt wäre nicht vor Ort. In ebenfalls etwa 15 m Entfernung von dieser Szenerie parkt gelegentlich das Fahrzeug des Ordnungsamtes. Die Beamten gehen ihrer Tätigkeit nach – dem durchaus einfacheren und attraktiveren Verteilen von Knöllchen für überzogene Parkzeiten von Pkw.

Es ist schwer eine andere Touristenstadt vorstellbar, die ihre Gäste mit so einem Umfeld empfängt und einen solchen ersten und bleibenden Eindruck vermittelt. Hinzu kommt, dass man dort auch angebettelt werden kann. Es sitzen manchmal Personen mit Alkoholflaschen herum. Sie bewirken, dass man einen großen Bogen macht, wenn diese Personen anwesend und sichtbar sind.
Ratten fühlen sich auch auf dem Platz der Einheit in den Grünanlagen gegenüber vom italienischen Eiscafé sehr wohl, wo sie, ohne von den Menschen Notiz zu nehmen, munter herumtollen.
Es bedarf keines verklärten Blickes in eine smarte Zukunft Potsdams, wenn sich die Zuständigen den aktuell vorhandenen Problemen verschließen, neue hervorbringen oder einiges mit Basta-Mentalität lösen.

Es bleibt noch eine Frage offen: Welche Bedeutung von „smart“ trifft denn nun nach Meinung unserer Leser im Zusammenhang mit den oben genannten Sachverhalten auf Potsdam zu?

P. Schimming, Potsdam