Fassungslosigkeit in Golm-Nord und Fahrland-West

Das ist ein Eingriff in unser Eigentumsrecht!“, „Wir sind doch keine Spekulanten!“, „Bauland-Enteignungen – das mussten wir schon in der DDR miterleben!“, „Wir wollen unseren Grund und Boden nicht verkaufen!“: Die Kritik von Grundstückseigentümern und Landwirten an Beschluss und Vorkaufsrechtssatzung „Golm Nord“ war einhellig. Auf einer Informationsveranstaltung, zu der die Stadtverwaltung am 8. April nach Golm geladen hatte, durften sich die Betroffenen  zu dem Projekt erstmalig selbst äußern. 

Hier soll das Golmer Gewerbegebiet entstehen. Foto: Syliva Frenzel

„Golm Nord“ umfasst rund 660 Tausend Quadratmeter Fläche, mit großen und kleinen Flurstücken, die verschiedenen Potsdamer Familien teilweise über Generationen hinweg gehören, Wald sowie Land, das die Potsdamer Biohofgesellschaft bewirtschaftet. Zudem liegt das ganze Areal, bis auf ein Wegestück, im Landschaftsschutzgebiet.

Und doch wurde ohne Beteiligung der Grundstücksbesitzer am 30. Januar die Vorlage Nr. 19/SVV/0027 „Einleitung von vorbereitenden Untersuchungen gemäß § 165 Abs. 4 BauGB für den Bereich Golm Nord“ in der Stadtverordnetenversammlung beschlossen; mein Anliegen als Vertreterin des Ortsbeirates Golm für Vorabdebatten im Umwelt- und im Bauausschuss blieb auf der Sitzung wirkungslos. Die dazugehörige Satzung über das besondere städtische Vorkaufsrecht im Gebiet „Golm Nord“ erhielt ebensolche Beschlusskraft am 26. Februar. 

Mögliche Fläche für neues Gewerbe in Golm. Grafiken: www.openstreetmap.org

Das bedeutet: Der Landschaftsschutz des Gebietes soll aufgehoben und ein baulicher Entwicklungsbereich festgelegt werden. Die Besitzer müssen dann ihr Golmer Grundstück, das in dem Geltungsgebiet liegt, abgeben bzw. verkaufen, ansonsten  droht ihnen die Enteignung; dabei wird jedoch als Kaufpreis bzw. Enteignungsentschädigung nicht der tatsächliche Verkehrswert der Flächen im Zeitpunkt des Ankaufs bzw. der Enteignung gezahlt, sondern lediglich der sogenannte entwicklungsunbeeinflusste Verkehrswert der Grundstücke zum Zeitpunkt, da die Stadt die einleitenden  Untersuchungen beschlossen hat: am  30.1.2019.

Die Stadt will zügig Bauland mobilisieren und für den steigenden Bedarf an Wohn- und Arbeitsstätten und Infrastruktur in Potsdam vorsorgen. Das ist nachvollziehbar und richtig.  Aber die geplante städtebauliche Entwicklung in Golm hängt nun wie ein Damoklesschwert über den Golmer Grundstücksbesitzern. Sie sind mit den Beschlüssen der Stadtverordnetenversammlung über ihren Boden harsch konfrontiert, statt einbezogen worden. Das scheint rechtens zu sein, aber Politik-Vertrauen  schafft ein solches Vorgehen nicht. Zumal die Stadt auch weniger einschneidende Instrumente des Planungsrechts anwenden könnte, wie den kooperativen „städtebaulichen Vertrag“.

Leider blieben auf der ersten Veranstaltung der Stadt mit den Grundstücksbesitzern  sehr viele Fragen offen. Die Sorge, dass das Bodeneigentum und die erbrachten Investitionen nicht hinreichend respektiert  werden, steht weiter im Raum. 

Die Stadt muss volle Transparenz schaffen und den Grundstücksbesitzern sämtliche Informationen pro-aktiv zukommen lassen.  Vor allem sind die Eigentümer ebenso wie der Ortsbeirat  während der „Vorbereitenden Untersuchungen“ zu beteiligen; sie sollten gleichberechtigt an den Planungen mitwirken und mitentscheiden können! Es muss auch klar sein, dass wirtschaftliche Nachteile für die Grundstückseigentümer möglichst vermieden und ggf. ausgeglichen werden. Und den Stadtverordneten, die über alle Neuordnungs- und Bebauungspläne abstimmen, ist zu raten, solch schwerwiegende Entscheidungen nicht am grünen Tisch zu treffen, sondern sich vorher vor Ort zu begeben und mit den Menschen zu sprechen.

Sylvia Frenzel / Ortsbeirat Golm, Bürgerbündnis Potsdam

In Fahrland läuft es ähnlich

Während einer kurzfristig einberufenen Veranstaltung, bei der die Expansionspläne der Stadt in Fahrland den betroffenen Landeigentümern (nicht aber den Landnutzern) vorgestellt wurden, wurde klar, dass es weder die Stadtverwaltung noch die Stadtverordneten für notwendig erachteten, die betroffenen Landeigentümer und Landnutzer in die Planung aktiv einzubeziehen.

Mögliche Fläche für neues Gewerbe in Fahrland.

In Fahrland-West sollen große Areale, die bereits seit vielen Generationen im Besitz von Fahrländer Familien sind und zum Teil landwirtschaftlich genutzt werden, aus dem Landschaftsschutzgebiet herausgelöst werden. Grund für dieses Vorhaben sind die Pläne der Stadt, hier ein Straßenbahn-Depot zu bauen, zusätzliche Stadtentsorgungsflächen und weitere Flächen für die Berufsfeuerwehr und andere Bauvorhaben  zu erhalten. Das dafür benötigte Land gehört der Stadt aber (noch) nicht. Aus diesem Grund muss die Stadt das Land kaufen, möchte dafür aber nicht mehr zahlen als es noch vor den Plänen wert war, nämlich den Preis für Ackerflächen, der deutlich unter einem Euro liegt. 

Dass die Stadt diesen Preis zahlen kann, dafür hat die Stadtverwaltung unter mithilfe der Stadtverordneten gesorgt, denn diese haben beschlossen, dass die Grundstückspreise eingefroren werden, um wie es hieß „Spekulationen vorzubeugen“. Nun könnte man vermuten, die Stadt selbst sei hier Spekulant, indem es den betroffenen Landeigentümern die Pistole auf die Brust setzt und von ihnen verlangt, ihr Land zum Spottpreis abzugeben, obwohl die Grundstücke ein vielfaches an Wert gewinnen, wenn die besagten Grundstücke aus dem Landschaftsschutzgebiet herausgelöst werden.

„Niemand hat etwas gegen die positive Entwicklung eines Ortsteils“, sagt Hans Becker, Eigentümer eines großen Areals der von der Stadt benötigten Fläche dem POTSDAMER. „Wir ärgern uns nur über die Vorgehensweise der Stadtverwaltung und der Stadtverordneten. Mit uns hat niemand gesprochen. Wir werden vor vollendete Tatsachen gestellt. Am Ende steht die Enteignung unserer eigenen Grundstücke, wenn wir nicht verkaufen möchten, drohte uns Herr Goetzmann von der Verwaltung. Auch wir haben Rechte und werden für diese kämpfen.“ sts

Die Stadt erweckt den Eindruck in Fahrland-West ein neues Klein-Krampnitz entwickeln zu wollen. Allerdings plant man in diesem Falle neben Wohnraum auch gleich sämtliche in der Goldgrube Krampnitz vergessene Infrastruktur… ein völlig überdimensioniertes Großprojekt mitten im Landschaftsschutzgebiet.

Dabei soll mal wieder über die Köpfe der Fahrländer*innen hinweg entschieden werden… Mit dem Kopf durch die Wand, so macht man keine Politik.“ Tina Lange / Die Linke