Wie aus Weltverständnis und Protest ein Wodkamuseum entstand. Die Witwe des Mathematikers, Geschichtsanalytikers und Menschenrechtlers Eugen Gabowitsch erinnert sich.
Katharina Gabowitsch war Regieassistentin im Zentralen Dokumentarfilmstudio in Moskau. Mit Schriftsteller und Regisseur Konstantin Somonow drehte sie mehrere Dokumentarfilme. Sie arbeitete dabei auch als Cutterin, transkribiert, als Kinomontazniza.
Ihren Mann lernte sie Anfang der 1970er Jahre in einem Moskauer Kino kennen. Eugen Jakovlevitsch Gabowitsch (1938-2009) war nicht nur promovierter Mathematiker. Er setzte sich für politisch Andersdenkende, Dissidenten, in der damaligen Sowjetunion ein und wurde ein Freund Andrei Dmitrijewitsch Sacharows, des Vaters der sowjetischen Wasserstoffbombe, der 1970 ein Komitee zur Durchsetzung der Menschenrechte in der Sowjetunion gegründet hatte und 1975 den Friedensnobelpreis verliehen bekam. Sacharow wurde nach Gorki verbannt und überwacht.
Das Ehepaar Gabowitsch reiste1980 in die Bundesrepublik aus.
In Karlsruhe gründete Eugen Gabowitsch einen „Historischen Salons“, welcher sich mit Geschichtsanalytik befasste. Eugen Gabowitsch war in Amsterdam tätig, in Jülich als Mitarbeiter des Kernforschungszentrums, dann dort Leiter der Abteilung für Mathematikmodellierung, gleiches danach im Zentrum für Umwelt- und Technikforschung in Karlsruhe.
Eugen Gabowitsch stellte die tradierte Geschichtsschreibung in Frage und war Mitglied des Journalistenbundes „Neue Chronologie“. Seine Sammelleidenschaft für die Wodkasorten auf der Welt bekam einen unbeabsichtigten Lauf. Der Weintrinker Gabowitsch wollte mit seiner Sammlung gegen einen Beschluss des Zentralkomitees der KPdSU im Mai 1985 protestieren, den die „Prawda“ druckte. Der Beschluss hieß: „Über die Maßnahmen zur Überwindung der Trunksucht und des Alkoholismus.“
Dies hatte tatsächlich einen Popularitätsverlust Michael Gorbatschows zur Folge. Er wurde als „Mineralsekretär“ verspottet. Heute bezeichnet Gorbatschow die Radikalmaßnahme des fast vollständigen Alkoholverbots als seinerzeitigen Fehler. Gorbatschow ist ein Baumeister der deutschen Wiedervereinigung. Er rehabilitierte auch Andrei Sacharow.
Das alles war zu Beginn der Wodka-Protest-Sammlung des Eugen Gabowitsch noch nicht absehbar. Berühmt wurde Protestler Gabowitsch dennoch. Im September 1986 wurde seine Wodkasammlung ins Guinnes Buch der Rekorde eingetragen. 2194 verschiedene Flaschen trug er zusammen. Als das Ehepaar Gabowitsch 2003 seinen Wohnort nach Neu Fahrland verlagerte, zogen auch die Flaschen mit. So gibt es im Haus der Katja Gabowitsch neben drei Zimmern mit der Bibliothek ihres verstorbenen Mannes nun auch drei Räume im Keller mit Wodkaregalen. Es wurde das Wodka-Museum daraus. Gelegentlich gewährt sie interessierten Besuchern Eintritt. Sie beabsichtigt, in absehbarer Zeit an einem Nachmittag einen Wodkatag zu veranstalten, wo sie zwei kurze Filme über ihren Mann zeigen will.
hg