Potsdam investiert 28 Mio. Euro in sein Klärwerk

Nach über zehn Jahren intensiver Planungs- und Vorbereitungszeit erfolgte im September 2018 der erste Spatenstich auf einer Baustelle, die beim Vorbeifahren eher unscheinbar wirkt. Erst aus der Vogelperspektive werden die Ausmaße des Vorhabens wirklich erkennbar. Potsdam erweitert sein Klärwerk in Nedlitz um zusätzliche Becken, um eine weitere und ab 2023 gesetzlich geforderte 4. Reinigungsstufe durchführen zu können. Es ist zurzeit das größte und aufwendigste Investitionsprojekt der Energie und Wasser Potsdam (EWP).

Potsdams Wachstumsgrenzen

Die Landeshauptstadt hat mit ihren vielen Grün- und Wasserflächen nicht nur eine einmalige Naturverbundenheit, sondern auch eine naturgegebene Begrenzung der für die Stadtentwicklung verfügbaren Flächen. Trotzdem wächst Potsdam. Im Jahr 2035 sollen es 220.000 Einwohner sein, dazu viele Millionen Touristen, die sich auf die Spuren der einstigen königlichen Stadt Preußens machen, um deren Natur- und Kulturlandschaft zu genießen.
„Die Wachstums- und Zuwanderungskapazitäten einer Stadt richten sich allein nach dem verfügbaren Wasserdargebot“. Mit dieser Aussage steckt Andreas Dunst, der Projektleiter der Kläranlage bei der EWP (Energie und Wasser Potsdam GmbH), die Grenzen des Wachstums eindeutig und unmissverständlich ab. Ob Bauflächen für den öffentlichen oder privaten Wohnungsbau, die aus umgewidmeten Landschaftsschutzgebieten heraus generiert werden, oder die Schaffung neuer Ortsteile in der Größe einer Kleinstadt, wie sie in Krampnitz geplant ist, jede Idee eines städtischen Wachstums muss die Frage beantworten, ob es von den existierenden Klär- und Wasserwerken versorgt und entsorgt werden kann.
Aufgrund des steten Wachstums sowie der sich weiterentwickelnden Technologien und Anforderungen an die Abwasserbehandlung hat die EWP deshalb bereits vor über zehn Jahren mit der Erweiterungsplanung des Klärwerkes begonnen.

Das Klärwerk von oben. Links oben in blau befinden sich die neuen Becken und Gebäude. Grafik: EWP

Nicht sauber genug

Klärwerke zeichneten sich in ihrer Daseinsgeschichte immer wieder durch die Entwicklung neuer Reinigungsprozesse und Technologien aus. Einerseits wurden diese durch wissenschaftliche Forschungen entwickelt, andererseits machten gesetzliche Auflagen die Entwicklung neuer Verfahren notwendig. Bereits 1998 wurde die Kläranlage in Nedlitz auf den zu dieser Zeit geltenden neuesten Stand der Technik gebracht.
„Heute, mehr als 20 Jahre später, ist neben den gesetzlichen Anforderungen auch die Belastung unseres Wassers durch Medikamente, Hygienemittel, Chemikalien und vieles mehr stärker belastet.
Wir haben die gültige EG-Wasserrahmenrichtlinie umzusetzen. In dieser ist ein neues Nährstoffreduktionskonzept zu berücksichtigen. Die Havelgewässer sollen wieder in ökologisch biologisch guten Zustand gebracht werden. Aus diesem Grund ist ab 2023 eine nachgeschaltete Filtration gefordert, die wir in Potsdam schon ein Jahr früher einsetzen wollen. Die hohe Konzentration der Schadstoffe, die durch Maßnahmen der Wassereinsparung erreicht werden, erschwert den Klärungs- und Reinigungsprozess, aber schont die Wasserressourcen“, beschreibt Torsten Möller, Abteilungsleiter / Wasserwerke Kläranlagen bei der EWP, die heutigen Rahmenbedingungen der Wasseraufbereitung im Gespräch mit dem POTSDAMER.
„Im Jahr 2000 wurde die EG-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) 2000/60/EG verabschiedet. Diese Richtlinie ersetzt eine Vielzahl von Einzelrichtlinien zum Gewässerschutz und ist von allen europäischen Mitgliedsstaaten mittlerweile in das eigene Landesrecht aufgenommen worden. In Deutschland wurden dafür das Wasserhaushaltsgesetz und alle Landeswassergesetze der Bundesländer novelliert.
Besonders an der WRRL ist, dass Gewässer flussgebietsbezogen, also von der Quelle bis zur Mündung, betrachtet werden. Außerdem werden sie nun nicht mehr nur nach ihrer chemischen Wasserqualität beurteilt. Seit der Einführung der WRRL werden auch Tiere und Pflanzen im Gewässer und die Gewässerstrukturen zur Bewertung des Gewässerzustands herangezogen“, beschreibt der Naturschutzbund (NABU e.V.) die Ausrichtung der neuen Richtlinie.
Das heißt, dass die Qualität des Klarwassers nicht nur hoch sein muss, es muss absolut rein sein. Schon jetzt erreiche man laut Möller eine Wasserqualität, die zu 97 Prozent phosphatfrei sei, allerdings seien zukünftig 100 Prozent gefordert. Um diese restlichen drei Prozent garantieren zu können, wird die Kläranlage um zwei zusätzliche Becken und einen Abwasserfilter erweitert, in denen eine vierte, chemische Reinigungsstufe vollzogen wird. Erst dann darf das phosphat- und nährstofffreie Klarwasser über den Sacrow-Paretzer Kanal in die Havelgewässer geleitet werden.

Abteilungsleiter Möller, Mitarbeiter Drewes und Projektleiter Dunst (v.l.)

Ewiger Kreislauf mit positiven Nebenwirkungen

Wasser wird verbraucht, gereinigt, an die Umwelt abgegeben, wieder gewonnen, verbraucht, gereinigt… Es ist einer der vielen bekannten ökologischen und ökonomischen Kreisläufe, der auch in einem Klärwerk zu beobachten ist.
In der Regel besteht die Reinigung des Abwassers in einem Klärwerk aus mehreren Reinigungsstufen, an deren Ende nicht nur nährstoffarmes bzw. -freies Klarwasser entsteht, sondern auch noch Energie gewonnen und das vorherrschende Mikroklima positiv beeinflusst wird.So sehen die Reinigungsstufen in einem Klärwerk aus:

  1. Die Kanäle leiten das Abwasser zu Pumpwerken. Von dort wird es über Druckleitungen zum Klärwerk befördert.
    In der Rechenanlage werden alle Fremdstoffe des Abwassers (z.B. Textilien, Hygieneartikel, Verpackungsmaterial, Speisereste) über automatische Rechen und engmaschige Siebe zurückgehalten.
    Die Fremdstoffe werden anschließend entwässert und in offenen Spezialcontainern gesammelt und zur Deponie bzw. Müllverbrennung gebracht.
  2. Hinter der Rechenanlage befindet sich der aus langen Rinnen bestehende Sandfang. Bei einer langsamen Strömungsgeschwindigkeit setzen sich mineralische Stoffe wie Sand, Kies und Steine am Boden ab. Die abgesetzten Stoffe werden zu einem Trichter geschoben, anschließend entwässert und entsorgt.
  3. Im Vorklärbecken lassen sich durch Herabsetzen der Strömungsgeschwindigkeit auch leichtere Schlammteilchen vom Wasser trennen. Schwere Teilchen setzen sich am Beckenboden ab, schwimmfähige sammeln sich an der Wasseroberfläche. Der abgesetzte Schlamm wird vom Beckenboden in Schlammtrichter geschoben. Die größtenteils aus Fett bestehenden Schwimmstoffe werden von der Oberfläche entfernt.
  4. Das mechanisch vorgeklärte Abwasser fließt nun in die biologische Reinigungsanlage. Hier werden die im Abwasser gelösten organischen Stoffe sowie Phosphate und Stickstoffverbindungen durch Mikroorganismen abgebaut. Der erste Teil der Belebungsbecken wird sauerstoffarm oder sauerstofffrei gehalten, was die vermehrte biologische Entfernung der Phosphate aus dem Abwasser ermöglicht. Danach wird Sauerstoff in das Abwasser gebracht. Mit Sauerstoff und Nahrung, können sich die Bakterien (Mikroorganismen) innerhalb eines Tages im Verhältnis eins zu einer Million vermehren.
  5. Das Abwasser gelangt von den Belebungsbecken in die Nachklärbecken. Hier setzt sich der aus Mikroorganismen bestehende „lebende“ Schlamm über mehrere Stunden ab. Der abgesetzte Schlamm vom Beckenboden in Schlammtrichter geschoben. Von hier wird das Wasser-Schlammgemisch zum größten Teil zurück in die Belebungsbecken befördert. Der durch die Vermehrung der Mikroorganismen entstandene zusätzliche Schlamm gelangt zur Schlammbehandlung. Das nährstoffarme Klarwasser wurde von hier bisher direkt in den natürlichen Kreislauf abgegeben. Nun soll ab 2022 die neue Reinigungsstufe erfolgen, die aus dem nährstoffarmen ein fast nährstofffreies Klarwasser macht.
  6. Der bei der Abwasserreinigung anfallende Klärschlamm wird entweder in Zentrifugen entwässert und in Wirbelschichtöfen verbrannt oder in Faultürmen ausgefault. Der ausgefaulte Schlamm wird ebenfalls in Zentrifugen entwässert und kompostiert oder getrocknet. (Queller: www.wasserklasse.de)

Ständige Kontrollen im Labor garantieren die konstante Qualität

Neben den bei dem Fäulungsprozess entstehenden Gasen, die auf der Nedlitzer Anlage als Energieträger genutzt werden, kommen seit 2012 auch Strom produzierende Blockheizkraftwerke zum Einsatz. Dadurch ist die Kläranlage imstande, bis zu 30 Prozent der benötigten Energie selbst zu produzieren.
Die großen offenen Wasserflächen der Klärbecken sorgen mit der hohen Wasserverdunstung zusätzlich für ein verbessertes Mikroklima. „So geht technischer Umweltschutz“, sagt der Projektleiter der Kläranlage Andreas Dunst stolz während der Besichtigung der Anlage, bei der er dem POTSDAMER noch mehr über die großen Herausforderungen der Baumaßnahmen verrät. Wie diese aussehen, erfahren Sie in der kommenden Septemberausgabe.

sts